Rabenmutter 2.0

Muttis vs. Muttis

Aktuell geistert eine neue Studie durchs Netz, die (angeblich) beweist, dass die Töchter berufstätiger Mütter beruflich erfolgreicher und die Söhne „häuslicher“ und verantwortungsvoller werden, als jene, deren Mamis NUR Hausfrau sind. In meinem Facebook-Newsfeed ist diese Studie so oft gepostet worden – von Magazinen, Blogs und Mamis – dass ich gar nicht umhin kam, sie wenigstens kurz zu überfliegen. Grundsätzlich gebe ich allerdings so ziemlich gar nichts auf Studien, da es schließlich zu jeder noch so skurrilen Theorie mindestens eine gibt (guckst du hier) und sich der „Wert“ dieser sogenannten Forschungsergebnisse dadurch für mich sehr oft auf das Niveau eines Fernsehzeitungs-Horoskops reduziert – ist unterhaltsam, kann Wahrheiten beinhalten, ist aber nichts, auf das ich eine Entscheidung bauen würde. (Ausnahmen bla bla bla ;)) Viel interessanter als die Studie selbst fand ich daher die Facebook-Kommentartoren. Denn die (wenig überraschend) vorwiegend aus Mamis bestehende Leserschaft reagierte bei all diesen Posts nicht nur extrem schnell, sondern vor allem so unfassbar aggressiv, dass ich jetzt doch einfach mal ganz locker und höflich in die Runde fragen möchte: Tickt ihr eigentlich noch sauber, Mädels?

Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich darüber aufrege, wie ekelhaft gemein sich Mütter untereinander auffüh
ren (und es wird auch garantiert nicht das letzte Mal sein) – aber was da gerade beim Thema „berufstätige Mutter oder Vollzeit-Mama“ abgeht, ist nun wirklich nicht mehr lustig. Die meisten der sich an den Diskussionen beteiligenden Damen – on- wie offline – werfen ihre eigene gute Erziehung nicht nur sofort über Bord, sondern sie ersäufen sie regelrecht in ihrem verbalen, öffentlich zum besten gegebenen Dünnpfiff. Sie keifen herum wie besinnungslose Waschweiber, beileidigen einander ohne Rücksicht auf Verluste und praktizieren gehaltlose Verallgemeinerung wie eine Religion. Beide Parteien! Was soll der Scheiß? Ernsthaft! Was macht es so verdamIMG_4231.JPGmt schwer, zu akzeptieren, dass es verschiedene Versionen einer „guten Mutter“ und von „glücklichem Familienleben“ gibt? Wieso mutieren Mamis so irre schnell zur Arschkrempe und fallen übereinander her wie tollwütige Straßenköter, sobald irgendwer anderer Meinung ist – ob es nun um die Ernährung der Kinder geht, die Erziehung, den Job oder gar die Art der Niederkunft? Woran liegt das? Wir waren doch vor der Geburt unsere Kids nicht so „aggro“, oder?

Klar, wir Mamis haben es nicht leicht. Deutschland ist nicht besonders kinderfreundlich, die von der Gesellschaft an uns gestellten Ansprüche sind hoch und noch dazu oft widersprüchlich, die Ansprüche, die wir an uns selbst stellen sind sogar meist noch viel höher und deutlich widersprüchlicher, was es zusätzlich erschwert, den SUBJEKTIV richtigen Weg zu finden. Zudem werden wir ab dem positiven Schwangerschaftstest regelrecht zugespamt mit Studien, Fachartikeln, Tipps und Regeln zu Geburt, Elternschaft und Kindererziehung. Unsere INTUITION wird davon schier begraben, was uns natürlich tierisch verunsichert (mich zumindest hat es fast ein ganzes Jahr gekostet, eine Basis-Immunität gegen den Quatsch aufzubauen und wieder mehr auf meinen Bauch zu hören!) und uns ein ewig lauerndes schlechtes Gewissen einpflanzt, das uns – egal was wir für uns und unser Kind entscheiden – sagt, dass wir sehr wahrscheinlich gerade einen Fehler machen.
Oben drauf kommt, dass uns – wenn wir mal ganz ehrlich sind – das Muttersein einfach mal kalt am Arsch erwischt hat (wer das verneint, der lügt!). Wie sollte man sich VOR einem Baby denn auch allen ernstes vorstellen können, dass sich nicht nur das Leben im allgemeinen ändert, sondern durchaus auch die eigene Persönlichkeit neue Facetten entwickelt?! Da müssen vorab festgesetzte Pläne schon mal neu durchdacht und möglicherweise etwas „gepimt“ werden, bis sie wieder passen. Einen ultimativ richtigen Weg gibt’s jedenfalls nicht. Gemeinsam haben wir aber trotzdem etwas: Wir wollen uns in unserer Rolle als Mutter wohlfühlen und sie – trotz aller Anstrengungen und Widrigkeiten – genießen können. Oder nicht?

Wenn man sich aber so ansieht, wie widerwärtig wir uns als Mütter untereinander aufführen, muss dieses viel gerühmte Mutterglück irgendwo eine ganz arg stinkende, faule Stelle haben. Vielleicht fängt es sogar genau da schon an: Mit diesem von der Gesellschaft erwarteten glücklich sein! Wir MÜSSEN glücklich sein als Mama – immer! Ob wir todmüde, überarbeitet, gestresst, traurig, krank oder einfach mal mies drauf sind … egal, SEI GLÜCKLICH, DU MUTTERSAU! Deine Gene verlangen es! Gibst du zu, dass du nicht 24 Stunden am Tag seelig dein Kind anlächelst, wirst du umgehend gesteinigt. Nicht glücklich sein als Mama ist nämlich unnatürlich – da gibt’s sicher eine Studie zu, ich bin allerdings zu faul, sie zu suchen ;)

Nur wieso schweißen uns derlei Ungerechtigkeiten nicht zusammen? Wieso lassen wir unsere (unerlaubte) Frustration so „gerne“ aneinander aus. Zum Beispiel beim Thema Geburt. Da wird’s ja bekanntermaßen schnell unangenehm. Nicht aufgrund der Schmerzen, die JEDE Mutter erträgt, sondern weil jene, die natürlich entbunden haben, mächtig oft auf die herabsehen, die einen Kaiserschnitt hatten. Und da wird auch nicht gefragt, warum. Das interessiert nämlich nicht. Stattdessen wird schnell verallgemeinert: ALLE, die einen Kaiserschnitt hatten, WOLLTEN das selbst … aus Angst oder wegen besserer Planbarkeit oder weil sie die ursprüngliche Variante zu eklig fanden. Sie haben demnach „beschissen“ und werden im Club der „echten“ Mütter nicht aufgenommen. ÄTSCH! (Was für ein himmelschreiender Schwachsinn!)

Ebenso lächerlich werden unter Mamis die Themen Stillen oder Flasche, Bio- oder Gläschenkost, Kita oder Tagesmutter behandelt. Und ganz, ganz, GANZ weit oben auf der Mamis-benehmen-sich-wie-Arschlöcher-Liste steht eben die Nummer mit dem Arbeiten-gehen oder nicht. Gehst du arbeiten, bist du eine egoistische Feministin, die besser gar kein Kind bekommen hätte, da du dich ja nun doch nicht drum kümmern willst, sondern lieber einen auf Karriere machst. Gehst du NICHT arbeiten, bist du ein faules Stück, ein Furunkel am Anus der Gesellschaft, das nur Bock auf „harzen“ hat und definitiv auch keine Kinder haben sollte, um diese miese Einstellung nicht auch noch weiterzugeben. Die Fronten sind klar definiert, in Stein gemeißelt und mit den Farben Schwarz und Weiß „koloriert“. Beide Parteien zeigen mit dem Finger aufeinander, strecken sich gegenseitig die Zunge raus und ziehen sich nur deshalb nicht an den Haaren, weil derlei Dispute am liebsten einigermaßen anonym im Internet ausgetragen werden – und da kommt man leider nicht ran an die Friseur der Gegnerin.

Diese ewige Keilerei unter Mamis strengt mich mehr an als drei Tage Brech-Durchfall bei meiner Tochter. ES NERVT MICH! Euch denn nicht?

Im Moment bin ich Vollzeit-Mama, weil es sich für mich bzw. für uns richtig anfühlt und in unser Leben passt. Ich habe absolut keinen Bock mich dafür zu schämen oder zu rechtfertigen! Ich parke mein Kind nicht den ganzen Tag vor der Glotze, ich mäste sie nicht mit Fastfood und ich bin weder faul, dumm, noch asozial – nichts von dem, was immer wieder so allgemeingültig daher geschwätzt (oder gepostet) wird, trifft auf mich zu (und auf die wenigsten anderen ebenfalls!). Es ist einfach nur UNSER Weg und WIR sind glücklich damit. Meistens ;) Und irgendwann, wenn ich mein Kind genug mit meiner Anwesenheit gelangweilt habe, werde ich wieder arbeiten gehen (falls wir je einen Kita-Platz bekommen sollten ;)) Dafür mag ich mich dann genauso wenig rechtfertigen müssen, denn ich werde garantiert nicht plötzlich eine ganz üble Rabenmutter sein oder mein Kind weniger lieben. Abgesehen davon bin ich absolut überzeugt, dass MEIN Berufsleben nur EIN Faktor unter sehr vielen ist, die bestimmen, wie sich meine Tochter entwickelt (sie glänzt ja jetzt schon oft mit … ich sags mal liebevoll … Charakter :D). Sonst wäre es ja nun wirklich zu einfach, den Nachwuchs auf Spur zu bringen…

Abgesehen davon: Wir leben nicht in Lummerland! Nicht jede Frau hat eine Wahl! Das Leben ist nun mal keine Dauer-Grill-Party – für keinen von uns. Da wär’s doch eigentlich netter, wenn wir uns nicht noch zusätzlich gegenseitig mit Windelinhalt bewerfen, sondern stattdessen öfter mal auf die verspannten Schultern klopfen würden. Wieso sagen wir einander nicht zur Abwechslung mal Dinge wie: „Du gehst 40 Std die Woche arbeiten, schmeißt deinen Haushalt und erträgst einen Mann (Hihihi, nur ein Scherz ;)), obwohl dein Kind immernoch nicht durchschläft? Respekt!“ oder „Du schaffst es, mit zwei rund um die Uhr brüllenden, singenden, brabbelnden oder jammernden Kids am Bein nicht irre zu werden? Beeindruckend!“ Könnte doch auch mal unterhaltsam sein, oder nicht?

Also: Du willst/musst/darfst arbeiten gehen? Prima, mach doch! Dein Leben, dein Kind, deine Entscheidung! Du willst/musst/darfst Vollzeit-Mama sein? Prima, mach doch! Dein Leben, dein Kind, deine Entscheidung! Rechtfertige dich nicht! Schäm dich nicht! Ändere nichts – außer DU willst es anders!
Ehrlich … soll’s doch jeder machen wie er bzw. sie kann und mag. Ich für meinen Teil hab keinen Bock (mehr), mich in niveau- und sinnlose Streitereien über die Richtigkeit verschiedener Lebensentwürfe reinziehen zu lassen. Denn das ist einfach nur grauenvoll. Und hässlich. Es macht UNS hässlich, obwohl wir eigentlich schön sind! Weil wir Mamis sind! (JAWOLL!) :D

So, und jetzt habt euch bitte alle wieder lieb – sonst muss ich womöglich noch auf Facebook verzichten, weil mein zartes Gemüt (jaaaaahaaaa!) die Zankereien nicht verkraftet. Und DAS ist ja nun wirklich keine Option ;)

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8 Kommentare für “Muttis vs. Muttis

  1. Ach ja, die liebe hetzerei gegeneinander. Du schreibst mir aus der Seele. Ich meine was geht es anderen etwas an warum ich mein Kind in die Krippe gebe, ob ich arbeite etc. Rein gar nichts. Sie sind nicht in meinen Schuhen und wissen somit nicht warum ich eine Entscheidung treffe. Niemand muss sich für seine Entscheidung rechtfertigen.

  2. Du sprichst mir aus der Seele.
    Ich habe zwar seit 2 Jahren kein Facebook mehr (Kind hatte das Handy in den Fingern, danach nur noch Schrott und ich unglücklicher Weise kein Passwort mehr im Kopf) , dementsprechend geht das zumindest virtuell ungesehen an mir vorbei (und ja ohne Facebook ist leben möglich und nach einer Weile hab ich es gar nicht mehr vermisst), trotzdem bekommt man oft genug in KiTa oder auf dem Spielplatz so manche Lästerei mit. Ich finde es einfach nur schade, statt all unsere Unterschiede an den Pranger zu stellen könnten wir doch lieber unsere Gemeinsamkeiten feiern. Wir sind Mütter, sowohl tag- als auch nachtaktive Fleckenmonster bekämpfende, alles mit einer Hand erledigende Mütter, deren Küßchen heilen, Lieder den schlimmsten Schmerz stillen und Arme der vertraute sichere Hafen sind auch wenn sich unser Kind entwickelt und mit sich und seinen Gefühlen überfordert ist.
    Liebste Grüße von der Chaosmum

  3. Du hast so recht!
    Ich versteh dieses ganze Getue auch nicht. Aber ich hatte das Glück, dass meine Intuition relativ schnell nach der Geburt die Führung übernommen hat! Und das gebe ich auch allen Neu-Muttis als Tip! Das und nicht verrückt machen lassen – irgendwie kriegt man die Terrorzwerge schon groß ;-)
    Und wie Du schreibst, habe ich größten Respekt für alle Vollzeit-Mütter und 40h-Job-und-Kinder-Muttis! Ich kann mir weder das eine noch das andere für mich vorstellen, deswegen mache ich so ein Mittelding und dem Kind und mir geht es bestens damit!
    Und wir haben es wirklich gut, dass wir uns das aussuchen können!
    Ich schmöker jetzt mal weiter hier! Endlich mal ein “Mutti-Blog”, den ich lesen kann (ohne dass ich mich schlecht fühle oder einen Rappel kriege!) Danke :-)

  4. Krieg der Mütter. Gibt’s den Film schon? Falls nicht: Schreib doch mal ein Drehbuch. Offenbar hat das Thema alles, was es zu einem echten Blockbuster braucht. ;)