Ich war nie besonders sportlich. Um ehrlich zu sein: Ich war eigentlich sogar eher immer schon besonders UNsportlich. Bei den Bundesjugendspielen habe ich regelmäßig gnadenlos versagt (die Abschaffung finde ich dennoch etwas übertrieben ;) ), beim Federballspielen renkte ich mir so oft das Handgelenk aus, dass mir mein Orthopäde irgendwann zeigte, wie ich es selbst wieder richten kann (er wurde meiner wohl überdrüssig) und beim Kajakfahren nannte man mich „Schön-Wetter-Fahrer“ … oder auch „dämlich“ (ich war 15 und meine Frisur ließ leider keinen Helm zu :D ).
Später – als Erwachsene – perfektionierte ich dann die sogenannte Bewegungsmuffeligkeit (ich könnte es auch Faulheit nennen, aber das klingt so unschön ;) ) Selbst kürzeste Strecken bin ich lieber mit dem Auto gefahren, als sie – Gott bewahre – zu LAUFEN. Und hätte ich es mir damals leisten können, wäre so ein Segway-Ding für mich eine ernstzunehmende Option gewesen, um den laaaaaangen Weg von der Couch zum Klo in meiner imposanten 58 qm Wohnung gemütlicher zu gestalten. Meine zarten Füßchen waren daher tatsächlich immer zart wie ein Baby-Popo – nix Hornhaut oder so! Wovon auch?! Ich habe meine Füße ja maximal dafür gebraucht, um nach Feierabend an irgendeiner Theke zu STEHEN. Ernsthaft benutzt habe ich die nicht. Das rächt sich jetzt natürlich: Meine armen Treterchen sind richtiggehend schockiert ob der plötzlichen (Über-)Belastung, die ein Leben mit Kind hervorruft – allein die kilometerlangen Gewaltmärsche im ersten Lebensjahr der kleinen Madam haben so heftige Spuren hinterlassen, dass ich manchmal überlege, ob das Tragen von Socken in den Sandalen vielleicht die attraktivere Variante wäre. Und dem Rest meines Körpers geht es ähnlich, kam er bisher doch mit der absoluten Minimal-Ausstattung an Muskeln aus und muss nun plötzlich heftig „Nachrüsten“, um den Ansprüchen des immer schwerer werdenden Töchterchens gerecht zu werden.
Jetzt könnte man meinen, dass sich nun irgendwo tief in mir der Gedanke manifestiert, klassischer SPORT wäre die Lösung für mich – um meinen Mangel an Muskeln auszugleichen, um den Rückenschmerzen Herr zu werden, die mir immer mal wieder die Tage versüßen und/oder um den gesellschaftlichen Ansprüchen an meine Pre-Geburts-Figur gerecht zu werden. Denn die gibt es ja offensichtlich! Anders kann ich mir dieses umfassende Angebot spezieller Mami-wird-wieder-fit-und-ansehnlich-Sport-Kurse nicht erklären. Ich könnte unsere ganze Wohnung tapezieren mit Flyern zu Mami-Yoga-/Pilates (mit und ohne Kind), Kanga-Training (Kind hängt im Tragesystem an der schwitzenden Mami), Studio-Fitness-Stunden mit Kinderbetreuung, Freiluft-Turnen AM Kinderwagen und Rudel-Joggen MIT Kinderwagen. Als frischgebackene Mama habe ich mich dadurch schon fast genötigt gefühlte, mich nach der Rückbildungsgymnastik für mindestens einen solcher Figur-richtenden Kurse anzumelden. Aber nur fast. Nicht ausreichend, um meinen behäbigen Nach-Schwangerschafts-Arsch tatsächlich in übermäßige Bewegung zu versetzen, aber doch soviel, dass ich mich noch ein bisschen schlechter mit meinen Extra-Kilos gefühlt habe.
Ohne Frage sind all diese Angebote für ganz viele Frauen der totale HIT – aber die waren auch vor dem Kind schon sportbegeistert und nicht solche Bewegungs-Legastheniker wie ich. Natürlich hätte ich auch gern ein Sixpack oder Oberarme, die nicht noch weiterwinken, wenn ich schon längst aufgehört habe, aber: Das geht leider nicht. Ich bin zu faul (DA, jetzt hab ich’s doch gesagt ;) ). Leute, mit einem Sport-Motivations-Level wie dem meinen, gehen anders mit der Situation um, dass sie urplötzlich total aktiv sein müssen und dabei an ihre eigentlich festbetonierten, körperlichen Grenzen stoßen: Sie jammern (in meinem Fall schriftlich ;) ) und betiteln einfach das, was andere schnöde „Alltag mit Kind“ nennen, als Sport – und zack: Man fühlt sich besser! :D
Hier mein persönliches 3-Punkte-Mutti-SPORTprogramm – mit Klein-Ella als Personal Couch:
1.) Haushaltsführung oder „Mama, ARM!“
Ich lebe in einer verhältnismäßig großen Wohnung mit einem Mann, einem Kind und zwei Katzen. Selbstverständlich mache ICH keinen Dreck ;) Aber die anderen! Und das nicht zu knapp: Die Viecher verteilen den lieben langen Tag ihr Streu in allen Räumen, haaren, als wollten sie bis zum Winter nackt sein und kotzen vorzugsweise von Regalen, Fensterbänken oder Sideboards, weil sich der ganze Rotz dann viel weiter verteilt. Das Kind breitet derweil all sein Hab und Gut aus oder entleert Küchenschränke, krümelt mit einem winzigen Keks sämtliche Böden, aber auch überraschend viele Möbel voll und spuckt zudem neuerdings wie ein Hafenarbeiter, wenn ich mich erdreiste, ein NEIN ertönen zu lassen. Und der Mann … naja, wir wissen doch alle, was ein Mann so alles an Aufräum-Arbeit hinterlässt, wa!? ;) (Nix für ungut, Schatz! ICH LIEBE DICH :-* ) Ergo: Staubsaugen, putzen, Spülmaschine aus- und einräumen sowie stetiges hin- und herschieben von irgendwelchem Kram – verbunden mit gefühlten 1.000 Kniebeugen pro Tag, um irgendwas vom Boden zu angeln – gehören zur täglichen Mutti-Routine. Und zwar viel zu oft mit dem 12-Kilo-Mäuschen auf dem Arm oder in der Rückentrage. Bei einer (im Sommer leider normalen) Raumtemperatur von knapp 28 Grad eine mega-schweißtreibende Angelegenheit und damit definitiv SPORT!
2.) Kinder-Bespaßung at Home oder „Mama, nochmal!“
Aktuell liebt Madam dieses Rodi-Hüpfpferd. Ca. 50 x am Tag schwingt sie sich in den Sattel und hüpft so irre, dass ich Angst habe, das Kind könnte ein Schleudertrauma erleiden. Doch das ist nicht das Schlimmste! Ich muss nämlich auch hüpfen – neben ihr und bitte ebenso motiviert wie sie! Sie lacht sich dabei kringelig und ich pfeife schon nach wenigen Minuten auf dem letzten Loch. Ganz klar: SPORT!
Wenn ich nicht gerade hüpfen muss, dann helfe ich ihr dabei, irgendwo rauf oder runter zu klettern … aufs Schaukelpferd, auf Stühle, aufs Bett, auf die Couch, auf ihren Hochstuhl, auf die Küchen-Arbeitsplatte (ja, ja, es gibt bessere Plätze für Kinder, ich weiß :D ) usw. … immer und immer und immer wieder. Kinder haben ja soooo eine Ausdauer!!! Und zwischen all diesen „Hebe-Figuren“ krabbel ich auf dem Boden rum, ziehe in unerträglicher Körperhaltung Entchen hinter mir her oder tanze mit dem Kind auf dem Arm zu (gehirnfrittierenden) Kinderliedern durch die Bude. Wer das nicht als SPORT bezeichnet, der hat noch nie einen kompletten Tag mit einem Kleinkind verbracht!
3.) Einkaufen gehen oder „Mama, schneller!“
Boot-Camp-ähnliche-Ausmaße nimmt meines Erachtens ganz schnell der fast tägliche Einkauf an. Natürlich habe ich zu diesem Zweck den Kinderwagen dabei, denn EIGENTLICH soll der Zwerg ja darin sitzen, damit Mami die Hände frei hat und wie ein geistig gesunder Erwachsener agieren kann. Faktisch sieht die Nummer aber eher so aus: Kaum haben wir den Laden betreten, beginnt das Kind zu brüllen und an den Gurten zu zerren. Aktuell unterstreicht sie ihren Unmut noch mit markerschütternden AUA-Schreien, so dass ich schnell einbreche – aus Angst, sonst verhaftet zu werden – und das Kind „befreie“. Prompt schnappt sich Madam einen Mini-Einkaufswagen (wer hat sich eigentlich diese Höllen-Teile ausgedacht???) oder einen Korb und stürmt los, um die Regale zu plündern. Ich hinterher. Kind packt wahllos Sachen ein. Ich packe wieder aus. Kind rennt weg. Ich hinterher. Kind lacht irre und stürzt auf eine Treppe zu. Ich lache kein bisschen, sondern brülle stattdessen und kralle sie mir. In den Gesichtern der anwesenden Nicht-Eltern sehe ich bereits, dass sie darüber nachdenken, das Jugendamt über diese Rabenmutter zu informieren. RICHTIG übel wird’s allerdings erst an der Kasse, wenn die Mausmaus den anderen Wartenden in die Hacken fährt, dann eiskalt überholt und mit einem Affenzahn den Ausgang ansteuert (inklusive unbezahltem Einkauf!). Ich folge ihr wild gestikulierend und schimpfend, packe sie am Schlafittchen und zahle – nur noch so medium-entspannt lächelnd – mit einem strampelnden und schreienden Etwas unter meinem Arm, raffe schnellstmöglich alles zusammen (vergesse dabei manchmal etwas ;)) und verlasse fluchtartig das Geschäft. Vor der Tür geht das Kräftemessen in die letzte, entscheidende Runde, wenn ich versuche, das ehemals einfach nur zauberhafte Baby wieder IN den Kinderwagen zu zwingen. Manchmal gewinne ich.
Also ich weiß ja nicht, wie andere das sehen, aber in meiner Welt, da nennt man das SPORT!
Natürlich handelt es sich bei diesem 3-Punkte-Mutti-SPORTprogramm ausschließlich um die BASIS der körperlichen Ertüchtigung. Hinzu kommen „hoch-professionellen Trainings-Einheiten“ wie Spielplatz-Ausflüge, Baby-Schwimmen, Kleinkind-Turnen, Stadtbummel, Familiencafé-Besuche etc., die allesamt NICHTS mit Entspannung für Mutti zu tun haben. Und on top latsche ich mir ständig die Füße platt. Denn um nicht mit der Bahn fahren zu müssen (ich finde das leider grässlich) laufe ich alle Strecken, die ich zu Fuß innerhalb einer Stunde schaffen kann. FREIWILLIG! Hätte mir das einer vor zwei Jahren gesagt, hätte ich schallend gelacht.
Fazit: Warum sollte ich einen „echten“ Sport-Kurs buchen? Mein Trainingsprogramm ist umfassend und außerdem perfekt auf mich … äh … Ella UND mich abgestimmt! Da kann doch kein noch so spezielles Mami-Angebot mithalten! Und abgesehen davon: MEHR Bewegung ertrage ich in meinem Leben einfach nicht! :D
Hurra, das gibt mir für meine immer noch bestehenden Babykilos doch ein bisschen Hoffnunf :D
Zu recht! Mach dir echt keinen Stress – die werden vom Zwerg schon vernichtet ;)