Rabenmutter 2.0

Die Mutter, die ich sein wollte … bin ich irgendwie gar nicht ;)

Ich hatte immer eine sehr genaue Vorstellung davon, welche Art von Mutter ich werden wollte. Als Kind war mir zum Beispiel besonders wichtig, jung Mama zu werden. Warum, weiß ich nicht mehr. Ist aber auch wurscht, da dieser Plan sowieso daran gescheitert ist, dass ich so schrecklich lange gebraucht habe, den perfekten Mann für mein Projekt „Familie“ zu finden. Rückblickend ist das aber gar nicht schlimm, weil ich die verlängerte Pre-Mutti-Zeit wirklich seeeehr gut genutzt habe und daher jetzt, als Mutter im hohen Alter von … äh, reden wir nicht drüber … nichts von meiner früheren Freiheit vermisse.Noch etwas wichtiger als mein (jugendliches) Alter war mir eh etwas anders: Ich wollte UNBEDINGT eine coole Mutter werden. Locker. Immer lächelnd. Irgendwie weich. Aber natürlich keinesfalls jammerlappig. Durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Total stressresistent. Nicht klammernd bzw. NUR aufs Baby fixiert. Und vor allem: ICH selbst bleiben, trotz Kind! Das Ziel vor meinen AugeRabenmutter 2.0: Die Mutter, die ich sein wollte ... bin ich irgendwie gar nicht ;)n war klar definiert: Ich wollte MEIN Leben im Griff behalten, es nicht völlig durch die Existenz eines Kindes umkrempeln lassen und keine „Glucke“ werden.

Bisher kinderlose Menschen werden jetzt wahrscheinlich nicken und im Geiste noch ein paar weitere Idealvorstellungen aus ihrer eigenen Planungskiste fürs zukünftige Familienleben hinzufügen. Eltern hingegen werden … lachen. Und zwar schallend! :D

Was ich nach NUR zwei Jahren als Mutter schon mal ohne Übertreibung sagen kann, ist: Ich habe total versagt. Auf gaaaaanzer Linie! Mein Plan war zwar gut, aber offenbar nicht gut genug. Vor allem eventuell ein klitzekleines bisschen Realitätsfremd. Denn irgendwie ist (fast) nichts, von dem was ich mir soooo fest vorgenommen hatte, tatsächlich eingetreten wie vorgestellt. Und das, obwohl ich wirklich HÖCHST motiviert war, alles RICHTIG zu machen! Noch im Kreissaal wusste ich genau, was ich in den folgenden Tagen als erstes alles machen wollen würde … bzw. was ich tun MÜSSTE, damit alles sauber läuft und die potenziellen Veränderungen nicht ZU tiefgreifend sein würden. Absolut machbar, da ich extrem gut vorbereitet an diese ganze Baby-Nummer rangegangen bin. Im Prinzip habe ich mich ja jahrelang selbst zur Profi-Mutter ausgebildet: Ich habe „Lehrmaterial“ gesichtet (Hallo, Baby! auf RTL2), mich mit unzähligen bereits aktiven Mamis unterhalten (und durchaus als Noch-Nicht-Mutter schon mal prima Ratschläge erteilt) und mir für jeden noch so abwegigen Fall der möglichen Problemstellungen durch ein Kind umfassende Lösungskataloge zurechtgelegt (fehlte nur noch die Powerpoint-Präsentation :D ). Was also sollte schief gehen? Wie sollte mein perfekt durchdachter Plan zum Thema Mutterschaft scheitern?

Möglichweise habe ich die Rechnung ohne das Baby, ohne meinen unwesentlich erschöpften Körper und ohne die verdammten Hormone gemacht. Dummer Fehler ;) Jedenfalls … scheiterte er.

Niemals jammerlappig werden …
war mir ja sowas von wichtig. Ich HASSE es nämlich total, wenn ich rumheule und klage wegen nichts und wieder nichts. Einfach grässlich. Aber leider ist das – wie ich feststellen musste – so gut wie nicht zu verhindern, wenn man einer Hormonflut in Tsunami-Dimension ausgesetzt ist. Das fängt schon in der Schwangerschaft an und geht dann nahtlos über in den Baby-Blues und weiter bis in die Stillzeit. Dabei waren es nicht mal schlimme oder traurige Dinge, die bei mir den Wasserhahn aufgedreht haben. Im Wochenbett zum Beispiel war es eher das totale Gegenteil:

„Ohhh, Ella ist wirklich total süß!“
„Wie lieb, dass du das sagst!“ WUÄÄÄÄÄÄHHHHH

„Du siehst toll aus, Anke! Gar nicht mal so müde!“
„Echt? Daaaanke!“ WUÄÄÄÄÄÄHHHHH *Schnief*

„Ich wünsche Ihnen einen guten Tag!“
WUÄÄÄÄÄÄHHHHH *Schnief* WUÄÄÄÄÄÄHHHHH *Rotz*

Es war nicht auszuhalten mit mir!!! Glücklicherweise ist das mittlerweile wieder weg. Jetzt heule ich wie jede normale Frau nur noch, wenn die Hose nicht mehr zugeht oder die Haare doof liegen ;) .

Keine Glucke sein …
stand auch ziemlich weit oben auf meiner Prioritätenliste. Allerdings konnte ich mir diesen Wunsch an mich selbst fast das komplette erste Jahr nicht mal annähernd erfüllen. Die Stillhormone haben mich förmlich an mein Kind gekettet, ich bekam regelrecht Schnappatmung, wenn sie außerhalb meines Blickfeldes oder gar Streichel-Radius war. Zwar empfand ich es nicht als schwierig, sie in einen anderen Arm zu legen, aber ich konnte mich nur schwerlich von ihr wegbewegen – maximal in einen anderen Raum, aber um Gotteswillen nicht aus der Wohnung. Ich war deshalb ziemlich enttäuscht von mir, konnte es aber dennoch nicht ändern. Und das (meiner Meinung nach etwas zu feste) Band zwischen mir und meinem Töchterchen lockerte sich auch erst, nachdem ich abgestillt hatte. Hormone, ey! Voll krasses Zeug!

Weich sein …
hab ich erreicht. Nur nicht so, wie gedacht. Ich meinte dieses mütterlich weiche Dauerlächeln, diesen entspannten, liebedurchfluteten Geisteszustand. Bekommen habe ich … einen weichen Hintern und Bauch. Naja, nicht ganz wie bestellt, würde ich sagen ;) . NATÜRLICH könnte ich Sport machen, um diese neue Weichheit wieder etwas straffer werden zu lassen. Das Ding ist nur: Ich mag nicht. Ich bin einfach zu faul! Dank der kleinen Madam bewege ich mich viel mehr als je zuvor – ich muss ewig rumlatschen, auf Klettergerüste kraxeln, das Kind herumwirbeln und immernoch ständig tragen. Meiner Meinung nach sollte das sowas von reichen, um wieder ein bisschen knackiger zu werden. Tut’s aber nicht. Also mache ich das einzig für mich vertretbare: Ich nörgel rum und schmolle, weil das Leben so ungerecht zu meinem Hintern ist :D .

Durch nichts aus der Ruhe zu bringen sein …
war wahrscheinlich eins der albernsten von mir gesteckten Ziele. Denn wenn ich ehrlich bin, war ich vor der Geburt des Töchterchens auch nicht gerade ein Entspannung-Guru. Eher im Gegenteil. Und ich finde eigentlich, gemessen an früher, bin ich heute mir deutlich mehr Geduld „gesegnet“, als ich mir je hätte ausmalen können. ABER ich habe auch ein Kind in der Trotzphase. Und wer selbst (noch) nicht in dieser ausgesprochen … tja, wie sage ich es am besten … „fordernden“ Situation war – 24 Stunden am Tag / 7 Tage die Woche – dem sei gesagt: Ein Kind in der Trotzphase macht es sich zur persönlichen Hauptaufgabe, Mutti/Vati zur Weißglut zu treiben. NICHTS, aber auch wirklich GAR NICHTS lässt ein Trotz-Herzchen höher schlagen als eine Mama, die kurz vor der absoluten Mega-Explosion steht. Und wenn Mutti dann hochgeht, lacht das Sonnenscheinchen und reibt sich die Hände, während es das nächste Highlight plant!
Hm, das klingt jetzt etwas sehr negativ und angsteinflößend. Daher hier meine beiden Lieblingssätze zur Auflockerung:
– Ausnahmen bestätigen die Regel!
– Das ist nur eine Phase!

Mein Mutti-Coolness-Faktor …
lässt aktuell etwas zu wünschen übrig. Zumindest, wenn ich mit einem normalen, Pre-Mutti-Maßstab rangehen würde. Mach ich aber nicht (mehr). Aus ganz verschiedenen Gründen. Zum Beispiel haben sich meine Prioritäten verändert. Nicht nur wegen des Kindes, sondern auch einfach dadurch, dass ich Älter geworden bin. Ich habe gar keine Lust mehr, jedes Wochenende auf „die Flitze“ zu gehen, mich zu betrinken und meine Zeit mit Menschen zu verbringen, die ich kaum kenne. Dabei fand ich das früher super und absolut cool! Jetzt sitze ich abends lieber mit meinem Mann auf der Couch und schaue alberne Serien.
Oder: Bevor ich Mutter wurde, wäre ich auf Teufel-komm-raus nicht auf die Idee gekommen, in Gummistiefeln, mit Funktionsjacke und Gürteltasche vor die Tür zu gehen. Heute … tja, heute macht das eben einfach Sinn. Und wenn ich mal ganz ehrlich bin: Pinkfarbene Gummistiefel find ich mega! :D

Ich bin immernoch ich. Nur anders ;)
Möglicherweise ist dieser Wunsch bzw. Vorsatz, trotz Baby man selbst zu bleiben, der verbreitetste und für ganz, ganz viele werdende Mütter das höchste Ziel. Vielleicht liegt es an der Angst, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren. Schwangere hören schließlich nicht nur super tolle Zukunftsprognosen, sondern auch ganz viele negative (von mir natürlich nie ;) ) und können sich gar nicht vorstellen, was tatsächlich mit ihnen passieren wird (was total gut ist!). Sie sehen junge Mütter mit Krater-tiefen Augenringen, hören von Entbehrungen, verschobenen Prioritäten oder ätzenden, überflüssigen Streitereien mit dem Partner, sind dabei, wenn Freundinnen zum Muttertier mutieren und nur noch über Windelinhalt und wunde Brustwarzen schwafeln und kriegen – völlig nachvollziehbar – heftiges Muffensausen. „SO werde ich auf gar keinen Fall!“ habe ich mir GESCHWOREN! Hat aber nix gebracht. Ich wurde ein Muttertier, hatte wunde Brustwarzen und konnte kaum noch an etwas anderes denken als an Pupu und Beikost – geschwiege denn, über etwas anderes reden. Im Grunde war ich mein persönlicher Mutti-Alptraum. Und das war völlig ok! Denn mein Lebens-Mittelpunkt war plötzlich Klein-Ella. Alles drehte sich nur noch um sie und ihre Bedürfnisse. Zumindest eine ganze Zeitlang. Und genau so sollte es ein! Es war richtig … und schön!

Mittlerweile, ohne die ganzen Hormone und mit einem Kind, das zumindest etwas besser schläft, kann ich durchaus mal wieder über etwas anderes sprechen und bin nicht mehr ausschließlich Mami. ABER mein Kind hat mich nachhaltig verändert. Zum Besseren, wie ich finde. Also … Scheiß drauf! Bin ich eben jetzt etwas anders als früher und nicht ganz die coooole Mutter, die ich mir vorgestellt habe. Es passt trotzdem alles zusammen in meinem Leben – so wie es jetzt ist! (Den weiche Hintern mal ausgenommen ;) )

Dieser Text ist ebenfalls erschienen auf eltern.de

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10 Kommentare für “Die Mutter, die ich sein wollte … bin ich irgendwie gar nicht ;)

  1. Oh, was für ein wunderbarer Artikel! Musste so oft schmunzeln und nicken :-D Werde jetzt mit guter Laune ins Bett gehen. Und hoffen, dass die Kinder nach 3-mal Aufwachen am Abend jetzt wenigstens in der kurzen Nacht mal schlafen.

    Liebe Grüße an alle Mamis da draußen!

  2. Mein Vorsatz, schon seit frühester Kindheit meiner Mutter immer wieder an den Kopf geworfen :

    ” ICH werde MEINE Kinde gaaaaanz anders erziehen.”

    nun ja…..

    Mutter, du hast das schon gut gemacht, irgendwie :D

  3. Coolnes Faktor 1000% erfüllt.
    Für:
    Diese schier ehrlichen Beiträge
    Für das Glücken
    Für Pinke Gummistiefel ?
    Alles richtig gelaufen.
    Während ich deine Beiträge lese liege ich auf unserer XXL Couch, hab 2 Nutella Toast in meine Luke geschoben und und werde bald einschlafen, Cheers ?

  4. Genialer Beitrag, super gelungen! Und vor allem: GENAU DASSELBE, ABER HAARGENAU DASSELBE, behaupte ich von mir! Wollte auch immer eine coole Mutti sein, bin aber in der Mamarealität voll uncool!

  5. Sehr schön geschrieben. Ich mag besonders den letzten satz vom “weich sein…”: ich fühle mich ähnlich und da auch eher in die kategorie “wie, sport im tv gucken zählt nicht als sportliche betätigung?!” gehöre, mögen sich mein after-zwillingsschwangerschafts-bauch und hintern auch nicht einfach von selbst in den vor-schwangerschafts-körper verwandeln. Schade eigentlich ?