Rabenmutter 2.0

Mami-Freundschaften – nicht immer einfach, nicht immer für immer, aber trotzdem schön.

Kurz bevor ich mit der Mausemaus schwanger wurde, zog ich nach Köln. Meine Sozialkontakte in dieser Stadt begrenzten sich zu diesem Zeitpunkt so ziemlich auf nur eine Person: den Mann. Natürlich nicht schlecht, aber eben auch nicht viel, vor allem, wenn man bedenkt, dass ich mächtig Sabbelwasser habe und mich eigentlich sehr gerne mit Menschen umgebe. „Macht nix,“ dachte ich zu Beginn des Mutterschutzes gelangweilt, aber positiv gestimmt, „sobald das Baby auf der Welt ist, belege ich ein oder zwei Kurse und lerne da ratzfatz ganz viele, tolle, nette Mamis kennen.“ Der Plan stand also und ich machte mir keine weiteren Gedanken darüber, wie ich wohl meine Tage mit Säugling verbringen würde, während der Papa des Nachwuchses gefühlt rund um die Uhr im Büro abhing. Nur … so einfach war es dann gar nicht, NETTE, zu MIR passende Mamis kennenzulernen. Meine Idee hatte nämlich eine Schwachstelle: Wie immer muss die Chemie stimmen, auch bzw. GERADE in einer Mama-Freundschaft, in der die dominierende Gemeinsamkeit erst einmal nur die ist, dass man gerade einem Kind das Leben geschenkt hat. Klar, alle sind müde, alle sind ein bisschen unsicher, alle müssen ihr Leben neu sortieren und alle streiten sich mal mit dem Partner, weil die Veränderungen durch den Familienzuwachs durchaus krass sein können. Allerdings gehen nicht alle gleich mit dieser Situation um. Und DAS hatte ich zuvor irgendwie verdrängt, obwohl es doch ganz normal und in allen anderen Lebensbereichen genauso ist.

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Einige Mütter blühen darin auf, alles auf den Nachwuchs auszurichten, jeden Ratgeber zu inhalieren und nachts Baby-Kleidung selbst zu häkeln, andere stolpern eher medium-elegant durch die erste Zeit als Elternteil, brechen ständig mit oder ohne Absicht aktuelle Pädagogik-Regeln und füttern ihrem Baby in aller Öffentlichkeit mit Gläschen-Nahrung, OBWOHL das bereits von den Pekip-Muttis im Batik-Dress als Kinder-Fast-Food verpönt wurde. Die Mutti-Dimension ist eben vielfältig. Und das ist auch gut so. Blöd ist nur, dass diese Vielfältigkeit oft nicht als Bereicherung, sondern als Störfaktor betrachtet wird und Fronten schafft, wo keine sein sollten, weil doch eigentlich alle viel zu fertig dafür sind, sich in überheizten Räumen bei Schwitze-Socken-Geruch ernsthaft darüber zu streiten, ob und wann ein Krabbler nun eine Hirsestange haben darf, Mutti in den Job zurückkehrt oder Langzeitstillen gestörte Persönlichkeiten hervorbringen könnte.

ICH hatte es mir ganz leicht vorgestellt, neue Freundinnen zu finden, mit denen ich dann im Mutti-Rudel durch den Park marschieren und darüber wettern könnte, dass der Mann sich beim Wickeln anstellt, als würde er eine Fliegerbombe aus dem 2. Weltkrieg entschärfen. Tatsächlich dauerte es aber fast ein ganzes Jahr, bis ich wenigstens mal zwei Frauen traf, mit denen ich über mehr als nur rote Pickelchen am Kinder-Popo sprechen konnte und die in Erziehungsfragen zu mindestens eine ähnliche Route nahmen wie ich. Das überraschte mich sehr. Denn ich hatte doch – wie viele andere Erwachsene, deren Leben sich vor der Geburt eines Babys seit vielen Jahren in „geordneten Bahnen“ bewegte – tatsächlich vergessen, wie schwer es sein kann, NEUE Freunde zu finden.
Für Kinder ist diese Situation ja fast alltäglich, weil sich ihr Leben noch dauernd ändert und auch sie selbst sich eigentlich durchgehend weiterentwickeln – ständig sind sie irgendwo neu … in der Kita, in Kursen, in der Schule. Alles ist in Bewegung, abwechslungsreich und voller spannender Eindrücke. Und das Wichtigste: SIE sind immer wertungsfrei auf der Suche nach Input – auch durch fremde Kinder, die eigentlich nur so lange KEINE Freunde sind, die lachend umarmt werden, bis sie Lust haben, mit Fangen zu spielen.

Jetzt könnte man anmerken, dass DIESE Art der Begegnungen ja nur selten ECHTE Freundschaften hervorbringen, die dann ein Leben lang halten, aber vielleicht ist eben diese für uns „Alte“ so normale Ansicht genau UNSER Problem. Wir erwarten viel zu viel. Wir leben zu wenig im Moment. Auch in Sachen Mutti-Freundschaften.

Eine der beiden „Freundinnen“, die ich damals ENDLICH fand, begleitete mich nur knapp 1,5 Jahre. Sie war viel jünger als ich, wir hatten – objektiv betrachtet – irre wenig gemeinsam und sie zog so weit weg, dass wir uns in den letzten 4 Jahren nur einmal gesehen haben. Lange haben wir uns darum bemüht, uns regelmäßig Nachrichten und Fotos der wie Unkraut wachsenden Kinder zu schicken, aber es wird immer weniger. Unsere Leben haben sich nicht nur streckentechnisch so sehr voneinander entfernt, dass wir einander immer häufiger über Monate vergessen. Das hat mich echt traurig gemacht. Vor allem, weil es nicht die einzige Mutti-Freundschaft ist, die mir über die Jahre einfach wieder entglitten ist. Es ist halt so: Das Leben ändert sich. FÜR Kinder ständig, aber auch MIT Kindern. Das war mir früher nicht klar. Bei einigen Mamis ist es ein Umzug zum Wohle der Familie, bei anderen der Wiedereinstieg in den Job … und plötzlich ist wieder alles anders. Die „Freizeiten“ verändern sich, die Bedürfnisse der Kinder und die der Eltern genauso. Das ist NORMAL! Man vergisst es nur so leicht, wenn man sich daran gewöhnt hat, dass sich nichts oder eben nicht mehr viel ändert.

Ich fand das immer ziemlich ätzend. Weil ich oft viel Zeit und Herzblut in „Beziehungen“ zu anderen Müttern investiert habe, die sich dann aber dennoch in Luft auflösten. Zum Beispiel zu den Mädels, mit denen ich mir das Zimmer im Krankenhaus nach den Geburten teilte, die aber beide weiter weg wohnten und so ganz anders lebten als ich. Oder jene, mit denen ich mich mehrfach die Woche auf dem Spielplatz traf, über alles quatschen konnte und die bei ihrem Umzug raus aus der Stadt sagten: „Es sind doch nur ein paar Kilometer; wir sehen uns weiter!“ dann aber irgendwann nicht mehr auf Nachrichten antworteten, weil sie in ihrem neuen Leben keine Zeit für die Fahrerei fanden. Ganz zu schweigen von all den Muttis, mit denen ich nur kurze, aber dafür sehr lustige Stunden in irgendeinem Sandkasten verbrachte, olle Kekse aus klebrigen Boxen teilte und gemeinsam unseren Kids beim Klettern zusah – aber die Nummern nicht austauschte. Alles ziemlich blöd. Oder?

Vielleicht nicht. Vielleicht ist das alles gar nicht blöd. Vielleicht muss man es nur mit Kinder-Augen sehen, die folgendes unterbewusst wissen, akzeptieren und mit einem Lächeln als Teil ihres Alltags betrachten: Manche Menschen, manche FREUNDE begleiten uns nur ein Stück unseres Weges … möglicherweise nur einen Nachmittag, möglicherweise ein Jahr, möglicherweise ein wenig länger. Es gibt Menschen, die treffen wir nur, um mit ihnen mal herzhaft zu lachen, weil der Tag ansonsten so Scheiße lief; andere, damit sie kurz unsere Hand halten können, wenn es nötig ist und wir nicht alleine weinen wollen. Wertvoll sind sie aber alle gleichermaßen! Und das gilt auch, nein, BESONDERS für Mutti-Freundschaften – ganz egal, wie lange sie halten! <3

PS: Das Armband auf dem Bild trage ich seit 3 Jahren. Es wurde mir zum Mut machen von einer Frau geschickt, die am selben Tag wie ich aufgrund einer Fehlgeburt im Krankenhaus lag. Wir begleiteten einander durch die ersten schlimmen Wochen, bis ich wieder schwanger war. Dann brach sie die Verbindung ab, weil mein schnelles, neues Glück ihr wehtat. Wir haben keinen Kontakt mehr, aber ich bin froh zu wissen, dass sie mittlerweile auch Mama ist und dankbar, dass wir uns damals trafen. Deshalb trage ich dieses Geschenk immer noch. Jeden Tag.

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4 Kommentare für “Mami-Freundschaften – nicht immer einfach, nicht immer für immer, aber trotzdem schön.

  1. Danke für den tollen Text. Stimmt einfach. Da fängt mein Tag gleich besser an (Liege bei der Großen, die sich mit einer Bronchitis quält, im Bett).

  2. Liebe Anke, so schön geschrieben und so wahr. Mir ging es immer wieder so und manchmal fehlte mir die Einsicht, dass es einfach so ist und ich war auch sehr traurig über manche “Verluste”. Deine Sichtweise ist so richtig. Danke für deine Texte,,, immer wieder. LG, Claudia