Mobbing
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Kinder vor Mobbing schützen: Wie machen wir unsere Kinder stark?

„Kommt, wir schupsen Anke in den Dreck“, rief einer meiner Klassenkameraden und erntete für diese Idee große Begeisterung unter seiner Gefolgschaft. Ich wurde geschnappt und von den im Kreis um mich herumstehenden anderen Kindern immer wieder in den Sand geschupst. Körperlich trug ich keinen Schaden davon. Seelisch … schon. Vor allem, weil solche Situationen keine Ausnahme in meiner Grundschulzeit waren, sondern eher die Regel. Ich war ein Mobbing-Opfer. Nur das es damals noch nicht so hieß. Ich war eine „dünne Gräte“ mit viel zu viel Haaren. Ich trug nicht die angesagten Marken-Klamotten. Ich hatte keine starken Freunde. Ich war still, fast introvertiert. Und wenn ich den Mund doch mal aufmachte, war meine Ausdrucksweise den anderen oft zu „hochgestochen“. Das Wichtigste aber war: Ich wehrte mich nicht. Null. Ich petzte auch nicht. Ich ließ die anderen einfach machen und litt leise. Perfekt! Perfekt für Mobber!

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Mobbing…

Ein starkes Kind kann alles ändern.

Irgendwann nahm sich ein Mädchen meiner an und zeigte mir, wie man sich wehrt – mit Gewalt. Ihre Lösung war es, jedem eine zu kleben, der es wagte, sie anzugehen. Oder mich. Von da an wurde es leichter für mich, denn ich hatte eine Freundin an der Seite, die schlicht darauf Schiss, was die anderen über sie dachten oder sagten, und im Notfall körperlichen Einsatz zeigte, um Grenzen zu ziehen. Dass musste sie nicht einmal oft tun – welcher kleine Mobber lässt sich schon gern von einem Mädchen vermöbeln – meist reichte ein einziger Schlag und wir wurden ausgegrenzt, aber eben in Ruhe gelassen. IHR starkes Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen hat meinen kleinen Arsch in der Grundschule gerettet, auch wenn ich heute sagen würde, dass die Technik, WIE sie es tat, wohl auch nicht der beste Weg war. Aber … es war zumindest gefühlt der einzige.

Das alles ist schon ewig her … locker 35 Jahre. Trotzdem erinnere ich mich noch sehr gut an diese Situationen, an das Gefühl der Hilflosigkeit. Und ich wünsche mir nichts mehr, als dass MEINE Kinder so etwas nie erleben müssen; dass sie nicht von anderen Kindern gemobbt, gequält oder böswillig ausgegrenzt werden. Die Frage ist halt: Wie beschütze ich sie davor? Wie mache ich sie so stark, dass sie gemeinen Kindern die Stirn bieten können? Dass sie gar nicht erst in eine Opfer-Rolle hineinrutschen? DAS habe ich meine Lieblings-Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin sowie Bestseller-Autorin (Psyche? Hat doch jeder!) Lena Kuhlmann vom Blog freudmich gefragt. Denn: Meine Sorge teilen unheimlich viele Eltern. Und zwar nicht erst, wenn die Kinder in die Schule gehen, sondern oft schon viel früher!

Schon in der Kita geht es los – Kinder werden Mobbing-Opfer

Das Mobbing wie eh und je ein Thema ist, mit dem ich irgendwann auch in meiner Rolle als Mama konfrontiert würde, war mir durchaus von Anfang an klar – schon allein aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen – aber nie hätte ich damit gerechnet, dass mein erstes Kind zu diesem Zeitpunkt erst vier Jahre alt wäre. Ich wurde in unsere Kindertagesstätte Zeuge, wie ein noch wirklich kleiner, zuckersüß aussehender Junge einen Gleichaltrigen TÄGLICH ins Lächerliche zog, weil dieser eine lilafarbene Jacke trug. Den kompletten Winter über hänselte er das Kind und schlug ihn sogar, bis dieser eigentlich gar nicht mehr in die Kita wollte. Und das war nur die Spitze des Eisberges, die dieser Mini-Mobber an Gemeinheiten präsentierte. Er beleidigte, verunglimpfte und lachte ständig über andere Kinder seines Alters, machte Mädchen aufgrund ihres Geschlechts nieder und wurde immer wieder handgreiflich. Einmal schubste er einen neben mir stehenden Jungen im Vorbeigehen so stark, dass dieser gegen eine Scheibe flog und ernte dafür ein dermaßen lautes Donnerwetter, dass er selbst endlich mal zusammenzuckte. Allerdings nicht von seinen Eltern, die genau wie ich im Raum waren, sondern von mir. Mir riss einfach die Hutschnur und ich zog eine sehr laute Grenze … es war mir in diesem Moment völlig wurscht, ob mir diese Reaktion zustand oder nicht.

Heute, drei Jahre später, lacht der Junge nicht mehr in der Kita über andere Kinder, denunziert sie und fordert andere dazu auf, es ihm gleichzutun … heute macht er es in der Schule. Glücklicherweise nicht in der, in die meine Tochter gehen wird, aber leider in der, in der ihr bester Freund, ihr „Verlobter“ Lesen und Schreiben lernt. So spüre ich immer noch seinen Einfluss auf ihr Leben, denn er versucht die Kinderfreundschaft zwischen einem Jungen und einem Mädchen jedes Mal lautstark in den Dreck zu ziehen, sobald sich ihm die Gelegenheit bietet – vor so viel Publikum wie möglich, um so viel Schmerz wie möglich zu verursachen. Ich muss es sicher nicht extra betonen, aber ich tue es dennoch: Ich werde von diesem Verhalten, von diesem Kind unheimlich getriggert … und das verstärkt meinen Wunsch, MEINE Kinder stark zu machen noch einmal mehr.

Wie können wir unsere Kinder stark machen?

Meine Tochter ist von Natur aus ein viel selbstbewussterer Charakter, als ich es war – dennoch lasse ich sie zusätzlich Selbstverteidigung lernen, damit sie sich nicht nur körperlich schützen kann, sondern gleichzeitig den richtigen, im besten Fall friedlichen Umgang mit unangenehmen Situationen kennt. Gewalt soll keine Lösung für sie sein, aber das Bewusstsein, dass sie sich im Notfall verteidigen kann, wird ihr den Rücken stärken … so hoffe ich zumindest.

Dem Söhnchen werde ich, sobald er alt genug ist, dieselbe Möglichkeit bieten. Doch ihm möchte ich möglichst noch mehr Unterstützung zuteilwerden lassen, denn soweit ich das bisher beurteilen kann, kommt der kleine Mann viel mehr nach Mama als seine große Schwester und hat leider nicht das schier unumstößliche Selbstbewusstsein seines Vaters geerbt. Beim Krümel stellt sich mir viel öfter die Frage: Wie kann ich ihn schon jetzt und auch in Zukunft stärken, damit er mobbende Kinder einfach stehen lässt oder sich sofort Unterstützung holt, wenn er nicht weiterweiß.

Klar, im ersten Impuls denkt man jetzt vielleicht: Warum die Opfer stärken, anstatt die Täter – so hart das auch klingt, wenn von Kindern die Rede ist – irgendwie in den Griff zu kriegen? Doch meiner Erfahrung nach ist das gar nicht so einfach, denn auch deren Eltern sind überfordert und finden keine Lösung – genauso wie Erzieher und Lehrer nur bedingten Einfluss nehmen können. Deshalb habe ich mir Lena ins Boot geholt … damit wir Eltern nicht mehr nur ratlos mitweinen, wenn unsere Kinder mit Tränen in den Augen heimkommen. Sondern sie aktiv vorbereiten oder auffangen können.

Liebe Lena, ich freue mich, dass du dir wieder einmal die Zeit für all meine Fragen nimmst und ich falle auch gleich mit der Tür ins Haus:

1. Wie mache ich mein Kind „stark“ … wie helfe ich ihm dabei, ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen?

Selbstbewusstsein entwickelt sich nicht erst zum Kindergarten- oder Schuleintritt, sondern tatsächlich schon recht früh, nämlich ab Geburt. Dabei spielt das Umfeld eine große Rolle, also inwiefern andere in die Fähigkeiten des Kindes vertrauen.

Aber auch später kann man sein Kind entsprechend unterstützen. Üben Sie lautes Brüllen, die Stimme zu erheben – dazu bietet sich der nächste Spaziergang in den Wald gut an. Üben Sie zusammen „Nein“ zu sagen. Bestärken Sie ihr Kind, wenn es nicht von der Tante in die Backe gekniffen werden will – helfen Sie ihm also Grenzen zu ziehen. Und halten Sie selbst diese Grenzen auch ein. So stärken Sie ihr Kind in seinem Selbstwirksamkeitserleben.

2. Nicht alle Kinder erzählen zuhause, wenn sie in Schule oder Kita von anderen schlecht behandelt werden. Woran können wir Mütter und Väter auch ohne Worte erkennen, dass unsere Kleinen täglich zu Opfern gemacht werden und Hilfe brauchen?

Tatsächlich finde ich es immer sehr sinnvoll, in einem regen Austausch mit den Erziehern und Lehrern zu stehen. Dazu zählt selbstredend auch, dass man regelmäßig zum Elternabend geht. Das Thema Mobbing gehört hier meiner Meinung nach schon vor den ersten Übergriffen auf die Tagesordnung. Schließlich ist das leider kein Einzelfall und kommt im Grunde in jeder Klasse irgendwann mal vor. Dann wissen alle schon vorher Bescheid, welche Wege man im Falle des Falles einschlagen kann. Es gibt viele Hilfsmöglichkeiten: Soziales Kompetenztraining, Selbstverteidigungsworkshops oder Schulungen in gewaltfreier Kommunikation. Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen kennen sich damit aus und sollten ggf. eingeschaltet werden.

Ich empfehle Familien, mit denen ich zusammenarbeite, gemeinsam den Tag zu reflektieren. Schaffen Sie dazu ein entspanntes ruhiges Umfeld. Schalten Sie das Handy aus und treffen Sie sich zur etwa selben Uhrzeit an einem gemütlichen Ort in der Wohnung um Raum für Emotionales zu schaffen.

Manche Kinder trauen sich dennoch nicht, zu Hause Bescheid zu geben. Achten Sie dann darauf, wie sich ihr Kind in der Stimmung zeigt. Wirkt es belastet? Bedrückt? Antriebslos? Traurig? Oder ängstlich? Wenn sie Bedenken haben oder Veränderungen bemerken, können Sie in der Schule nachfragen oder bitten, dass die Lehrer nochmal besonders auf ihr Kind schauen. Im nächsten Schritt kann man sich auch an eine Beratungsstelle wenden.

3. Was kann ich meinem Kind raten, wie es am besten in der unmittelbaren Situation reagieren sollte? Auf Konfrontation gehen, um sich zu behaupten? Den „Mobber“ einfach stehen lassen? Oder vielleicht direkt einen Erwachsenen einschalten? 

Ich finde, es ist Aufgabe der Lehrer und Erzieher für die Sicherheit der Kinder in der Schule oder Kita zu sorgen – auch wenn das wahrscheinlich nicht immer einfach ist. Deswegen sollten sich Kinder an die Pädagogen wenden und um Hilfe bitten.

Es hat sich gezeigt, dass es für den Mobber weniger attraktiv ist, ein anderes Kind zu ärgern, wenn er dafür keine „Bühne“ hat. Also ist weggehen eine ganz gute Methode; weggehen und Hilfe holen.

4. Wie sollten wir Eltern reagieren? Unserem Kind gegenüber, wenn es weinend aus der Schule oder dem Kindergarten kommt? Aber auch den Eltern des mobbenden oder schlagenden Kindes gegenüber? Spricht man die überhaupt darauf an oder wendet man sich besser an die betreuenden Pädagogen?

Hier ist miteinander reden wieder ganz wichtig – bleiben Sie in einem guten Kontakt mit ihrem Kind, fragen Sie nach. Und dann Raum bieten für Emotionen, für Trauer, Wut und Angst. Ich empfehle, nicht sanktionierend auf das andere Kind loszugehen – sondern auch hier wieder den Weg über die Fachleute, in diesem Fall die Pädagogen, zu gehen.

5. Und als letzte Frage: Was können Eltern tun, die feststellen, dass IHR Kind jenes ist, das andere mobbt und quält? Denn auch sie stehen ja oft ratlos der Situation gegenüber und wissen gar nicht, wo sie ansetzen sollen, um das Verhalten ihres Nachwuchses positiv zu beeinflussen. Was würdest du ihnen empfehlen?

Auch hier würde ich wieder den direkten Kontakt suchen, um zu fragen, was hinter dem Mobbing steht. Es ist wichtig, den Kindern die Konsequenzen ihres Handelns klarzumachen, aufzuzeigen, wie es den anderen Kindern damit geht. Und dann bin ich ein Freund von klaren Worten, Grenzen und davon Kindern zu zeigen, dass das Verhalten nicht in Ordnung ist. Formulieren Sie „Ich -Botschaften“ wie: „Ich möchte nicht, dass du andere Kinder beleidigst“. Und achten Sie darauf, dass Sie nur das Verhalten, nicht aber das Kind selbst kritisieren. Vergessen Sie nicht, das Kind zu loben, wenn es sein Verhalten verändert hat oder etwas anderes gut macht. Es sollte also nicht nur negative Rückmeldungen erhalten.

 

Wie eigentlich immer, wenn ich Lena dazu „nötige“ ;) mir mit fachmännischem Rat bei einem Thema zur Seite zu stehen, muss ich auch diesmal sagen: Ich danke dir von Herzen – das sind sehr hilfreiche Antworten, die mir das Gefühl geben, zukünftig besser auf Mobbing reagieren und meine Kinder schützen zu können. Und ich bin sicher, anderen geht es ebenso!

PS: Lena ist auch auf Instagram – ebenfalls unter freudmich – sehr aktiv und freut sich über jeden neuen Follower!

PPS: Wie immer freue ich mich, wenn ihr diesen Artikel teilt! :-*

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4 Kommentare für “Kinder vor Mobbing schützen: Wie machen wir unsere Kinder stark?

  1. Toller Artikel und Danke für die Tipps.
    Ich denke, solange wie die Mausemaus in der Nähe vom Krümel ist, wird er keine Schwierigkeiten haben ?
    Ich hoffe, dass unsere Kinder nie das Durchmachen müssen und wenn sie in eine Situation geraten das richtige machen….also auch für andere einstehen ?