Als Martina mir schrieb, dass sie eigentlich gerne mitmachen würde, aber unsicher wäre, ob IHRE berufliche Selbstständigkeit andere überhaupt interessieren könnte, sagte ich sofort: Oh, aber ganz bestimmt! Und nun bin ich sehr froh, dass Martina sich dann wirklich Zeit für die Beantwortung meiner Fragen genommen hat, denn … es ist wirklich sehr spannend zu lesen, was die 40-jähre Mama von insgesamt 3 noch kleinen Kindern (2x 6 Jahre, 1x 2 Jahr) als Steuerberaterin so macht, was sie im Job leiden kann und was nicht so sehr, UND wie toll sie gemeinsam mit ihrem Mann, der ebenfalls Selbstständig ist, alles unter einen Hut bekommt. Wirklich richtig spannend und inspirierend! <3
SELBSTSTÄNDIGE MÜTTER – INTERVIEW MIT MARTINA OTTO (STEUERBERATERIN)
1. Beschreibt doch erst einmal kurz, was du beruflich genau machst, welche Aufgaben dein Job beinhaltet und ob du von Zuhause arbeitest oder ein Büro bzw. einen externen Arbeitsplatz hast?
Ich bin Steuerberaterin und habe mich auf die Betreuung von Privatpersonen, selbständigen Einzelunternehmern und Expatriates (Personen die von Ihrem Arbeitgeber von einem Land in ein anderes Land entsandt werden) spezialisiert. Meine Kanzlei liegt im Grenzbereich zu Luxemburg, sodass auch die steuerliche Betreuung von Grenzgängern beziehungsweise Arbeitgeber die Grenzgänger beschäftigen ein großes Thema ist. Da ich jahrelang in Deutschland und Luxemburg (angestellt) gearbeitet habe, können wir die steuerliche Betreuung in beiden Ländern abdecken. Praktisch bedeutet das, dass wir private Einkommensteuererklärungen in Deutschland und Luxemburg erstellen, Fragen zum anwendbaren Sozialversicherungs- und Lohnsteuerrecht beantworten und im stetigen Austausch mit den Finanzverwaltungen und den Mandanten stehen. Wir arbeiten in einem Expat-Netzwerk und betreuen dadurch den internationalen Mitarbeitereinsatz von großen Unternehmen.
Ich habe ein Büro direkt an unserem Wohnhaus in Deutschland und ein Büro in Luxemburg angemietet. Da unsere Jungs in Luxemburg zur Schule gehen, bin ich in der Regel bis 14:30 Uhr in Luxemburg und nachmittags dann (je nach Bedarf) zu Hause am Arbeiten.
2. Seit wann bist du 100% selbstständig mit deinem Business und wie viel Stunden pro Wochen fließen in dein Business? Und: Bist du zufrieden mit deinem Einkommen, gemessen an der Zeit, die du investierst?
Seit August 2019 bin ich 100% selbständig. Ich habe mit einem lieben Kollegen zusammen eine Steuerberatungsgesellschaft gegründet. Da ich seit 2011 schon in kleinem Umfang in Teilzeit selbständig war und in meiner Angestellten-Zeit ein gutes Netzwerk aufbauen konnte, war der Übergang sehr geschmeidig. Ich würde schätzen, dass ich übers Jahr gesehen im Schnitt schon auf locker 40 Std die Woche komme, allerdings gibt es (gerade zum Jahresende) „Stoßzeiten“ in denen ich extrem viel arbeitet – in anderen Monaten dafür aber weniger. Es fühlt sich oft aber gar nicht nach so viel an, da ich einfach arbeite, wenn es am besten passt und somit Zeiten flexibel einteile.
Ich bin mit meinem Einkommen zufrieden. Im Angestellten-Verhältnis bzw. hätte ich mich als Partnerin irgendwo eingekauft, wäre es sicherlich höher, aber ich wollte keine Kompromisse eingehen, ich wollte/will es so machen, wie ich es möchte und möchte weitestgehend alleine entscheiden können.
3. Wann und wie hast du die Entscheidung getroffen, dass die Selbstständigkeit der beruflich richtige Weg für dich ist?
Nach der Geburt unserer Zwillinge im Jahr 2018 war schnell klar (auch wenn es niemand laut ausgesprochen hat), dass meine Karriere bei einer der großen Beratungsgesellschaften am Ende ist. Da mir ohnehin ein paar Entscheidungen des Managements nicht mehr zugesagt haben, war es das letzte Körnchen, dass zur Entscheidung der vollen Selbständigkeit führte.
4. Gibt es etwas, dass dir vor diesem Schritt Sorgen gemacht hat? Bzw: Wovor hattest oder hast du den meisten Respekt in Sachen Selbstständigkeit?
Nein, Sorgen hat mir nicht gemacht. Da ich schon einige Mandanten hatte und ein gutes Netzwerk in den Vorjahren aufgebaut habe, war ich optimistisch, dass es gut geht.
Den meisten Respekt hatte ich davor, Mitarbeiter einzustellen. Es ist natürlich immer einfacher, wenn man alles alleine koordiniert – irgendwann geht es dann allerdings nicht mehr alleine. Ich habe aber wirklich Glück und habe super Mitarbeiter: Loyal, gesunde Einstellung zur Arbeit und eine klasse Atmosphäre im Büro.
5. Was liebst du am meisten an deinem Job in dieser Form?
Am meisten mag ich den direkten Kontakt zu den Menschen. Es ist so unglaublich vielfältig, vom Handwerker bis zum CEO ist alles dabei und das finde ich sehr spannend. Dazu kommt natürlich die Flexibilität, wenn man sein eigener Chef ist. Ich muss mich nur mit meinem Mann koordinieren, wer die Kinder wann und wo betreut und muss mich nicht vor irgendwem rechtfertigen. So arbeite ich z.B. im Sommer häufig weniger an Nachmittagen und dafür mehr, wenn die Kinder schlafen.
6. Was magst du am Wenigsten?
Themen wie Geldwäscheprüfung und Mandatsprüfung inklusive vertraglicher Gestaltung gehören nicht zu meinen Favoriten (wenn gleich sie natürlich sehr wichtig und notwendig sind).
7. Wie klappt es mit der Vereinbarkeit mit der Familie? Bekommst du alles unter einen Hut? Wo sind bei dir die „Stolperfallen“?
Ich finde die Frage spannend „bekommst DU alles unter einen Hut“. Es ist irgendwie immer selbstverständlich, dass wir als Mütter alles organisieren und schaffen. Bei uns ist es so, dass wir Erwerbsarbeit und Carearbeit aufteilen. Nicht immer zwingend 50%, mal macht der eine mehr von dem Einen und umgekehrt. Aber fakt ist, es geht – zumindest bei uns – nur als Familie und als Team! Wir bekommen tatsächlich alles gut unter einen Hut, aber es ist auch einfach phasenweise extrem stressig zwei Selbständigkeiten und drei Kinder zu organisieren. Insbesondere in den Wintermonaten mit kranken Kindern ist es wirklich oft eine Herausforderung. Hier ist es dann wieder gut, wenn man sein eigener Chef ist, im Notfall nehme ich die Kinder eben mit ins Büro.
8. Gibt es etwas, dass du anderen Müttern, die sich beruflich gerne selbstständig machen wollen, als Tipp mitgeben magst?
Lasst euch von niemandem einreden, dass es keine gute Idee ist! Unterschätzt allerdings den administrativen Part einer Selbständigkeit auch nicht. Wenn ihr darauf keine Lust/Nerven/Zeit habt, dann sucht euch jemanden, der euch unterstützt und gebt es gegebenenfalls eben gänzlich in die Hände eines Steuerberaters/Steuerberaterin. ;)
Bei uns war es auch eine gemeinschaftliche Entscheidung als Familie. Irgendwie sind ja alle davon betroffen und daher ist Absprache (wie so häufig) wichtig. Ich sehe leider häufig, dass eine Teilzeit-Selbständigkeit „klein geredet“ wird. NEIN, ihr macht euer Ding und ob daraus was Großes oder Kleines wird, ist völlig egal.
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Liebe Martina, ich bedanke mir von Herzen für die Zeit, die du in deine Antworten investiert hast und die vielen spannenden Hintergrund-Infos über deine Selbstständigkeit! <3
Ihre Homepage findet ihr hier: www.breuer-otto.tax
Ein sehr wertvolles Interview mit einer tollen Frau. Vielen Dank für den Blick in dein Leben.