Immer öfter höre ich: „Wollt ihr nicht langsam mal rausziehen aus der Stadt? Wenigstens in einen Vorort? Oder sogar richtig aufs Land? Wegen Ella. Das Kind braucht doch Auslauf.“ Und dann antworte ich (so ruhig und höflich, wie nur irgend möglich): „Erstens: Mein Kind ist kein Hund! Sie braucht keinen Auslauf … sie braucht Bewegung, Abwechslung, Spielmöglichkeiten und Sozialkontakte, sprich viele andere Kinder. Das alles kann ich ihr absolut problemlos und täglich in der City bieten. Ja, das Thema „frische Luft und Natur“ ist in der Stadt nicht soooo easy umzusetzen, aber wir wohnen ja jetzt auch nicht direkt in Peking. Man kann hier schon noch normal atmen, ohne gleich wie eine vergiftete Fliege von der Wand zu kippen. Zudem bietet Köln unzählige Parks, Grünanlagen und Spielplätze, so dass die kleine Madam trotz unseres wenig ländlichen Wohnorts durchaus bereits den Unterschied zwischen Baum und Litfaßsäule kennt. Und das Wichtigste: Unser Kind braucht glückliche, zufriedene Eltern. Und die hat sie. Denn ICH bin im Moment in der Stadt glücklich und mein Mann akzeptiert das. Daher – lange Rede, kurzer Sinn – NEIN!“
Dafür ernte ich dann im besten Fall ein kaum merkliches Kopfschütteln, im schlechtesten endlose (von mir unerwünschte) Erläuterungen zu den unzähligen Nachteilen des in-der-Stadt-wohnens, die ich dann ebenso ignoriere, wie ich jahrelang die angeblichen Nachtteile ( ;) ) des Rauchens ignoriert habe. Da bin ich immernoch ganz (Ex-Raucher-)Profi im Weghören.
Mein Mann hingegen würde allerdings durchaus, wenn ich das GO gäbe, sofort sein Hab und Gut in Kisten schmeißen und ein Umzugsunternehmen buchen … er würde nämlich wirklich liebend gern die Stadtmauern hinter sich lassen und ein hübsches, kleines Häuschen mit großem Garten gegenüber einer Pferdekoppel im Nirgendwo zwischen Leverkusen und Köln beziehen. Oder an einem Berghang in Österreich, um NOCH bessere Rennradstrecken vor der Tür zu haben (… was sich ein semi-professioneller Rennradfahrer-Ehemann eben so wünscht). Tja, ich gebe das GO aber nicht. Es liegt also wirklich rein an mir, dass unsere „arme“ kleine Tochter in solch miesen Verhältnissen (in einer stinkenden, dreckigen, von Grund auf verdorbenen und extrem gefährlichen Großstadt) aufwachsen muss. Gut, dass wir alle eh schon wissen, dass ich eine Rabenmutter bin … sonst wäre der Schock jetzt womöglich groß :D .
Aber warum weigere ich mich so vehement, endlich den gesellschaftlich doch so gern gesehenen Schritt zu wagen, als Familie mit Kind in den Vorort zu ziehen, damit der Zwerg gefälligst täglich auf der EIGENEN Schaukel im EIGENEN Garten sitzen und mit spätestens 4 Jahren ALLEINE zu Fuß zum Kindergarten gehen kann? Tja, dafür gibt es viele Gründe:
Ich hasse alles, was kriecht und krabbelt!
Ganz egal ob Spinne, Regenwurm, Ameise, Schnake, Mücke oder Silberfisch – schon allein Blickkontakt mit solchem Krabbelzeugs löst in mir den starken Wunsch aus, lauthals um Hilfe zu schreien, völlig auszurasten und wenn möglich mit scharfen und/oder hochgradig giftigen Waffen vorzugehen (Mach ich natürlich nicht, weil wegen Kind und Vorbild-Funktion und kein Gift und so. Aber ich würde gern. SEHR gern!). Den Umstand, dass es sogar in der Stadt zu derlei Begegnungen der für mich höchst unschönen Art kommt, finde ich unerhört!
Ich habe einen schwarzen Daumen!
„Hätte ich einen eigenen Garten, würde ich ihn betonieren und grün anstreichen!“ DAS sage ich jedem, der mir von der meditativen Wirkung von Gartenarbeit vorschwärmt. Ich erläutere das auch gerne mal kurz: Jeden Samstag poppt in meinem Handy eine Erinnerung auf, dass es nun wieder an der Zeit wäre, unsere fünf Zimmerpflanzen zu gießen. Meist ignoriere ich diesen Hinweis (kann ich, wie gesagt, ausgesprochen gut). Das Ergebnis ist klar: In sehr regelmäßigen und zudem ziemlich kurzen Abständen kaufen wir neue Blumen. Mehr gibt’s dazu eigentlich gar nicht zu sagen.
Ich HABE bereits Vorort-Erfahrungen gesammelt … und war gar nicht begeistert!
Knapp 13 Jahre habe ich im Ruhrgebiet gewohnt, 1,5 davon in Mülheim an der Ruhr. Ein wirklich süßes, beschauliches, zauberhaftes, landschaftlich wunderschön inmitten von viel Natur gelegenes kleines Städtchen … wenn man sowas mag. ICH habe mich lebendig begraben gefühlt!
Ich kann nicht kochen!
Hm, nein, dass ist so eigentlich gar nicht richtig. Ich WILL oft nicht kochen ;) . Und dann sind all die vielen Restaurants, Imbiss-Buden (nicht für Ella), Liefer-Services (auch nicht für Ella) und sonstigen „Futter-Stellen“ (absolut nicht für Ella), die mir die Innenstadt bietet, absolut Gold wert! Wenn ich nicht kochen will, dann muss ich auch nicht – ich HOLE mir einfach was. Traumhaft :D .
Ich liebe „mein Veedel“!
Es hat ein bisschen gedauert, aber nach zwei Jahren Mutti-Dasein bin ich endlich in meinem „neuen“ Leben angekommen und fühle mich HIER in der Kölner Innenstadt in meiner Mami-Rolle – mit allem was dazu gehört – pudelwohl. Ich hab meine „Kinderwagen-Gang“, meine Lieblingsspielplätze, meine bevorzugten Shops, Bäcker und Koffein-Dealer bestimmt. Ich treffe ständig irgendwen, den ich kenne, die Wurstfachverkäuferin nennt mein Kind beim Namen, die Kiosk-Belegschaft schreibt uns Glückwunschkarten und ich weiß über die Familienverhältnisse meines DHL-Boten Bescheid. Mehr Kleinstadt-Flair braucht doch kein Mensch, oder?
Ich bin faul und ungeduldig!
Kurze Wege liebe ich. Jetzt sofort ist immer ganz in meinem Sinne. Warten hingegen – auf was auch immer – ist keine ernstzunehmende Option für mich. Der Haupt-Vorteil des in-der-Stadt-wohnens ist für mich ganz klar, dass ich so ziemlich alles, was ich brauche, direkt vor der Nase und damit SOFORT haben kann. Ich muss nicht immer gleich ins Auto steigen, um irgendetwas zu machen. Weder, wenn es um Aktivitäten für und mit Ella geht, noch um einzukaufen oder Klamotten zu shoppen. Alles ist fußläufig erreichbar. Ich muss auf nichts verzichten und dafür nicht einmal groß rumplanen. Ich LIEBE, LIEBE, LIEBE es!!!
Wobei ich schon zugegeben muss, dass ich, obwohl ich in nur 10 Spazierminuten in der Kölner Fußgängerzone sein kann (Voraussetzung: Kind sitzt im Kinderwagen – sonst dauerts 2 Stunden), sehr viel online shoppe (bei den üblichen Verdächtigen natürlich, aber ich schau mich auch immer mal gern nach mir bisher unbekannten Anbietern um – gerade für Ella! Mein aktueller Neu-Fund-Favorit: Kindermode bei Netzshopping). In der „echten Welt“ geht mir das Gedränge nämlich mittlerweile doch recht schnell auf den Keks. Und die Auswahl ist oft irgendwie zu gering bzw. mit zu viel Rennerei verbunden (womit wir wieder beim Faul sein wären ;) ). Und die Mausemaus ist außerdem nicht gerade die geduldigste Shopping-Begleiterin. Da ist Online-Shopping einfach oft die entspannter Wahl.
Naja, und wo wir schon mal beim „Real-Shoppen-ist-mir-zu-stressig“ sind … es gibt natürlich (wenn ich ehrlich bin) noch mehr, was ich am in-der-City-wohnen eigentlich gar nicht mag. Zum Beispiel muss ich gerade nach dem Wochenende sehr häufig folgende Sätze zum Töchterchen sagen: „Vorsicht, da ist Kotze!“ oder „Nicht da lang, da ist alles voller Scherben!“ oder „Fass die Wand nicht an! Das ist Pinkel-Höhe!“ oder “Lass den Kippen-Stummel sofort fallen!!!” oder „Weg da, der Mann macht da gerade heija.“ Ist natürlich alles nicht so klasse. Und auch die vielen Gefahren durch Autos und wie gehirnamputierte Irre rasende Radfahrer auf wirklich sämtlichen Wegen lassen mein Mutterherz nicht höher, dafür aber oftmals ungesund viel schneller schlagen. Eine schöne, verkehrsberuhigte Spielstraße vor der Haustür wäre da natürlich durchaus eine Verbesserung – ich erinnere mich, es als Kind ziemlich toll gefunden zu haben, vor dem Haus Radfahren zu lernen, Ball zu spielen und mit Kreide den Boden zu bemalen. Alles Sachen, die ich Ella HIER nicht gestatten darf, weil’s definitiv zu gefährlich ist.
Doch reicht das, um den Schritt raus aus der Stadt und rein in die Dorf-Idylle tatsächlich zu wagen? Nein, aktuell nicht (ICH EGOIST! ICH RABENMUTTER!!!). Aber ich kann mir zumindest schon mal grob vorstellen, dass ich es irgendwann eventuell in Erwägung ziehen könnte. Es hat schließlich alles Vor- und Nachteile – Stadt- wie auch “Land”-Leben. Ach ja, Umdenken ist schwer … darauf ersteimal einen Cappuccino to go am überteuerten, ungefederten, aber dafür schicken Stadt-Kinderwagen :D .
So, da ist er der Unterschied: Ich BIN ein Landei – durch und durch. Ich lebe in einem 460-Seelen-Dorf und muss sogar zum Bäcker mit dem Auto weil ich sonst wegen fünf Brötchen ne Stunde unterwegs wäre. Die Alternative sind natürlich Aufbackbrötchen im Gefrierschrank, welcher sich auf dem Land wirklich lohnt.
Ich bin so aufgewachsen und kenne es gar nicht anders, aber ich beneide euch Stadtpflanzen um die Nähe die ihr zu so vielen Geschäften habt. Besonders wenn im Fernsehen mal wieder Werbung für Lieferdienst-Apps gemacht wird die Sushi liefern. Ich liiiiiebe Sushi, aber hier? Bei uns? Und dann noch frisch zubereitet nach Hause geliefert? Vergiss es, kannste knicken.
Abends mal (sofern Babysitter organisiert) im Lieblingsrestaurant zu zweit mal gepflegt ne Flasche Wein trinken? Nope, einer muss ja heim fahren. Ein Taxi zu uns nach Hause kostet etwa so viel wie das Essen selbst, das überlegt man sich dann drei Mal und verzichtet auf den Wein. Denn öffentliche Verkehrsmittel fahren bei uns nach 19:00 Uhr auch keine mehr und vorher nur im 2,5-Stunden-Takt.
Ganz ehrlich, bleib in der Stadt oder zieh allerhöchstens wirklich nur in nen ganz nahe gelegenen Vorort, du würdest die Krise kriegen so zu leben wie ein echtes Landei. :-)
Hahaha, wahrscheinlich hast du recht ?
Recht hast du! Wenn man weiß, dass man eine Stadtpflanze ist und auf dem Land eingeht, muss man nicht “fürs Kind” nach JWD ziehen, finde ich. Ich bin zwar selbst Anfang des Jahres aus der Stadt rausgezogen, u.a. weil wir keinen Garten hatten und das Haus zu klein wurde, aber das hab ich auch für mich getan. Ich bin am Stadtrand/im Vorort aufgewachsen und habe gute Erinnerungen daran. Mir ging die Hundescheiße vor der Tür sowas von auf den Senkel…
Außerdem sind wir nicht aufs platte Land gezogen, sondern in ein großes Dorf, in dem es sogar ein Kino und eine gar nicht mal so kurze Einkaufsstraße gibt. Und in 20 Minuten Busfahrt bin ich wieder in “der Stadt” (der alten also; in die neue sind es weniger als 10 Minuten mit dem Rad). Für uns perfekt! Wär doch doof, wenn man wegen der Kinder (denen das scheißegal ist) irgendwo hinzieht, wo man unglücklich sein wird..und dann gäb´s ja in der Stadt keine Kinder mehr, ist doch auch doof… Groß werden sie überall!
Liebe Grüße aus Holland,
Kristine
Eben! Gaaaanz ausschließen will ich eine Umzug ja aber auch nicht. Nur jetzt wärs für mich total falsch. Vielleicht seh ich das irgendwann anders. Und wenn nicht, ist es auch ok für die Mausemaus…da bin ich sicher :)