Herzensangelegenheiten

„Elternschule“ oder Kinder-Boot-Camp?

Vorab: Ich habe den Film, der aktuell überall mehr als kontrovers diskutiert wird, NICHT gesehen! Ich habe im Moment keine Zeit ins Kino zu gehen und bin dafür ehrlich gesagt – in diesem speziellen Fall – sogar dankbar. Denn so muss ich die Entscheidung nicht treffen, ob ich ihn sehen will, um mir eine persönliche Meinung zu bilden oder ob ich die ganze Nummer lieber boykottiere und den Machern nicht auch noch Geld in die Taschen spiele für ihr extrem fragwürdiges „Werk“.
Ich habe aber natürlich viel darüber gelesen, mir Ausschnitte zu Gemüte geführt und reagiere auf das, was ich von „Elternschule“ sehe und erfahre, wahrscheinlich genauso wie alle anderen Eltern auch: Mit Wut und Tränen. Familien, die völlig am Ende ihrer Kräfte stehen und dringend Hilfe benötigen, werden in der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen, Abteilung „Pädiatrische Psychosomatik“, von Psychologe Dietmar Langer mit einem radikalen (so nennen es die Macher selbst) Programm „behandelt“, das ihnen beibringen soll, wie GUTE Erziehung funktioniert. Die Kamera der Dokumentarfilmer hält sich, so heißt es in den Artikeln, die den Film gutheißen und wahrscheinlich von Redakteuren verfasst wurden, die selbst keine Kinder haben, „respektvoll“ im Hintergrund und begleitet das, was Eltern und Kinder an dem Ort erleben, der ihnen den Weg in eine neues, besseres Familienleben ebnen soll, still und ohne zu werten.

Die meisten Mütter und Väter die ich kenne, und die es irgendwie geschafft haben, sich den Film komplett anzusehen, ohne vor Mitleid mit den Kindern, die da vor laufender Kamera psychisch gequält und im Endeffekt gebrochen werden, völlig zusammenzubrechen, sehen das anders. Sie sprechen eher von Kindswohlgefährdung und überlegen, ob es möglicherweise bereits als unterlassene Hilfeleistung gelten sollte, wenn man solch einen Umgang mit kleinen Wesen und verzweifelten Eltern miterlebt und nicht eingreift. Aber es ist halt ein Dokumentarfilm, richtig? Der darf das! Oder? SEHR fragwürdig, die ganze Sache. Erst recht wenn man bedenkt, dass damit jetzt ordentlich Kasse gemacht wird. Schließlich handelt es sich nicht um ein Stück Film, dass im Fernsehen vor sich hinplätschert, sondern man muss ins Kino gehen und richtig Kohle abdrücken, um mitreden zu können. Doch unterstützt man solche „Projekte“ damit nicht zu sehr? Reicht es nicht, auf die Filmkritiken von Eltern zu vertrauen, die man entweder persönlich kennt oder denen man schon lange online folgt, weil man ihre Meinung in Sachen Kindererziehung teilt und sich mit ihnen verbunden fühlt? Muss man die komplette Doku selbst gesehen haben, um möglicherweise mildernde Umstände zu entdecken und anschließend sagen zu können: Naja, es ist nicht ALLES furchtbar und erschütternd, was man da vorgeführt bekommt … es gibt auch pädagogische Ansätze, die KEINE Traumata bei den behandelten Personen hinterlassen…“ Ganz ehrlich, ich weiß es nicht!

Fakt ist: Ein heiß diskutierter Kinofilm, der so viel Aufmerksamkeit erhält, und für den Befürworter genauso wie Gegner an den Kino-Kassen viel Geld bezahlen, gilt als Erfolg! Und welche Folgen hat das? Es wird Nachfolger geben, die Selbiges erreichen wollen. Die Frage ist nur: Wer wird als nächstes in all seinem Leid vorgeführt? Wieder Kinder und Eltern oder lassen sich auch noch andere Opfer finden, die die Nation spalten und die Kassen der Filmemacher dadurch klingeln lassen?

Die Familien in „Elternschule“, die da vor laufender Kamera behandelt wurden, brauchten wirklich Hilfe … wie viele andere auch. Und so wie es aussieht bzw. so wie wir in diesem bombastischen Werbefilm für einen Arzt und sein Programm offenbar lernen sollen, kann man pädagogische Probleme mit (psychischer) Gewalt lösen. Das GEHT. Das ist aber keine neue Technik, sondern eine alte und DARF nicht die Lösung sein. Eigentlich sind wir heute doch in Sachen Kindererziehung viel weiter! Eigentlich WISSEN die meisten Gottseidank längst, dass Kinder nicht vor Angst schreien müssen, um zu schlafen oder unter Zwang mit Nahrung vollgestopft werden sollten, um ein gesundes Essverhalten zu lernen. EIGENTLICH müssten solche „Therapie-Ansätze“ der durchaus gruseligen Vergangenheit angehören, die Erziehung leider hat.

Ein solcher Film zeigt, dass dem noch nicht so ist. Immer noch sind wir Eltern manchmal – gerade, wenn wir an unsere Grenzen stoßen und einfach nicht mehr weiter wissen – so unsicher, dass wir Raum schaffen für Ideen, die unseren Kindern unnötigen Schmerz zufügen. Dann schenken wir möglicherweise Menschen glauben, die seit Jahrzehnten einen Kittel tragen und die uns allein deshalb als qualifizierter Fachmann erscheinen. Vielleicht vergessen wir in diesen Momenten aus Verzweiflung, die angebotene Hilfe zu hinterfragen und haben nicht mehr die Kraft, uns nach Alternativen umzusehen. Sollten wir aber. Denn sie sind da, die Alternativen. Wir könnten andere Eltern fragen, SIE um Unterstützung bitten und bei der Suche nach einer Lösung mit einbeziehen. Wir Eltern sind schließlich viele. Wir haben Herz und Verstand. Wir können einander helfen! Wir können gemeinsam einen besseren Weg finden, einen, mit einer humanen Lösung für unsere Probleme.

Darf ich all das schreiben, ohne den Film selbst komplett gesehen zu haben? Ja, ich finde schon. Weil ich mich umfassend informiert und Artikel von ganz unterschiedlichen Autoren gelesen habe. Weil ich die Macher dieses Films nicht noch mehr unterstützen möchte, in dem ich auch noch ins Kino gehe, als ich es jetzt eh schon tue, weil ich ihnen eine Plattform auf meiner Seite biete … wenn auch keine positive und ganz bewusst ohne Verlinkungen. Im Endeffekt möchte ich mit all dem auch nur eines sagen: Hört auf euer Herz, ihr wunderbaren Eltern, die ihr jeden Tag euer Bestes gebt! Und scheut euch nicht, um Hilfe zu bitten, wenn ihr sie braucht! Aber HINTERFRAGT alles, was euch angeboten wird! DAS ist in der heutigen Zeit (wieder) wichtiger denn je – in vielen, wenn nicht sogar allen Bereichen unseres Lebens. Besonders jedoch in jenen, die unsere Kinder betreffen.

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5 Kommentare für “„Elternschule“ oder Kinder-Boot-Camp?

  1. Stell dir vor, ich hätte von deinem Artikel nur die Meinung anderer gelesen und gehört und würde jetzt auf meinem Blog einen Artikel über dein Werk schreiben ohne deinen Artikel überhaupt gelesen zu haben.
    Was würdest du dann sagen?

    Ich würde argumentieren, ich wollte deinen Artikel nicht selbst lesen um dich nicht noch durch Traffic zusätzlich zu unterstützen. Das ist deine Argumentation dir kein eigenes Bild zu machen.

    Das wäre nicht ok von mir.

    Klar, du gibts einen Kommentar ab und hast keinen journalistischen (Wahrheits-)Anspruch. Dennoch ziehst du es absichtlich vor, dir kein eigenes Bild zu machen sondern Gehörtes/Gelesenes zur Grundlage deiner abfälligen Meinungsäußerung zu machen. Dafür gibts ein gutes Wort: Lästern.

    Ich finde du hast eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die du mit deinen Worten beeinflußt, dir wirklich ein komplettes Bild zu machen.

    Ich plädiere für ein wenig mehr Verantwortung im Umgang mit deinen Lesern.
    Liebe Grüße
    J. Angolar

  2. Oh mein Gott, ich lese jetzt etwas über den Film, noch nicht von gehört. Der Typ gehört weggesperrt, in ein dunkles Zimmer, und dann sollen ihn die Schwestern mal im Schwitzkasten halten…
    Das widerspricht ja wohl allem, was man über Kindererziehung weiß! Ich könnte den Film auch nicht anschauen. Irgendjemand muß diesen “Menschen” doch stoppen! Wie kann man nur so falsch ticken??? Ich krieg mich gar nicht mehr ein!

  3. Vielen Dank für Deine klaren Worte. Ich habe den Film ebenfalls nicht gesehen und werde es aus den von Dir genannten Gründen auch nicht tun. Ich glaube ehrlicherweise auch nicht, dass ich nervlich in der Lage wäre, ihn bis zum Ende auszuhalten. Ich frage mich außerdem, welche Konsequenzen das für die Kinder in ein paar Jahren haben wird – was ist mit späteren Schulfreunden, die (oder deren Eltern) sie möglicherweise erkennen? Was ist mit ihren späteren Lehrern? Kriegen diese Kinder nicht von vorneherein einen Stempel aufgedrückt? Parallel dazu wird übrigens darüber diskutiert, ob in Wien alle öffentlichen Vermieter die Klingelschilder ihrer Mieter an den Haustüren entfernen müssen – aus Datenschutzgründen. An Absurdidät eigentlich nicht zu überbieten, oder?
    Liebe Grüße
    Lena