Es passiert viel öfter als die meisten von uns denken. Viel, viel öfter. Viel ZU oft! Jedes einzige Mal, wenn es passiert, ist es ZU oft … jedes einzige Mal, wenn jemand – egal ob Mann oder Frau – die Grenze überschreitet, jemand anderem zu Nahe tritt, ein Nein nicht akzeptiert und ihn oder sie sexuell belästigt oder missbraucht. JEDES! MAL! IST! ZU! OFT! Und jedes Mal werden in den Opfern Spuren hinterlassen, die nie wieder ganz verschwinden. Ganz besonders, wenn es sich um Kinder handelt; kleine Herzen, die doch eigentlich unter unserem Schutz stehen, die darauf angewiesen sind, dass wir Erwachsenen auf sie aufpassen und unsere Hand über sie halten, damit sie darunter behütet und geborgen aufwachsen können. Sie verstehen oftmals gar nicht sofort, dass ihnen Leid angetan wird, dass es ihr RECHT ist, unangetastet zu bleiben, aufzuschreien, sich zu verteidigen oder verteidigt zu werden. Auch und gerade gegen Menschen aus ihrem nächsten Umfeld.
Sexuelle Belästigung und Missbrauch
… ist viel weiter verbreitet, als wir wahr haben wollen. Deshalb müssen wir viel mehr darüber sprechen, viel lauter werden und uns alle viel mehr dafür sensibilisieren, es zu SEHEN, selbst wenn es schmerzt. Und Hilfe zu holen. Um kleine Herzen davor zu bewahren, für immer zu brechen.
Ich habe bereits einmal ein Interview mit einer Mutter veröffentlicht, deren Kinder vom leiblichen Vater missbraucht wurden. Und ich muss gestehen, dass es mir damals schwer viel, es zu lesen und darüber zu sprechen, weil auch mein Instinkt mir riet, dass es ZU weh tut … selbst das reine Lesen mit emotionalem Abstand über Personen, die mir eigentlich gar nicht nahe stehen, deren Geschichte mich aber dennoch so tief erschütterte, dass ich am liebsten weggesehen hätte, weil es mich überforderte, hinzusehen. Ich habe diesen Instinkt ignoriert, denn DAS ist es, was sein muss. Wir alle MÜSSEN lernen, sexuelle Belästigung und Missbrauch stärker wahrzunehmen, auch wenn es uns Angst macht, uns überfordert und wir möglicherweise gezwungen sein werden, sehr unangenehme Entscheidungen zu treffen, denn nur so können wir den Opfern helfen. Und vielleicht sogar in der Zukunft Gefahren eher zu erkennen und Übergriffe zu verhindern. Fakt ist leider: Die meisten Täter/innen stammen aus dem engsten Familien- oder Freundeskreis – sie sind keine Fremden; was es nur noch schwerer macht, sie zu erkennen und vor allem: zu stoppen.
Vor Kurzem schrieb mich eine Leserin an, fragte mich, ob ich nicht Platz für ihre Geschichte hätte, sie müsse sie sich von der Seele schreiben und würde hoffen, damit anderen helfen zu können, Opfer mutiger zu machen und Menschen im Umfeld von Kindern in Gefahr vielleicht die Augen zu öffnen. Natürlich habe ich Platz dafür. Und hoffe mit ihr, dass sie viele erreicht:
Offener Brief einer jungen Frau, deren Herz für immer gezeichnet ist …
„Ich war erst 13, als du in mein Leben tratst und meine kleine heile Welt zerstörtest, dabei wollte ich doch nur, dass meine Mama wieder glücklich ist.
Eines Tages, nachdem meine Mama und mein Papa sich leider geschieden hatten, gingen wir zusammen mit Freunden und ihren beiden Söhnen in ein neu eröffnetes Restaurant essen. Wir Kinder saßen am Tisch und spielten am Handy, die Erwachsenen unterhielten sich mit der Besitzerin des Restaurants, da sie sich untereinander kannten. Plötzlich ging die Restauranttür auf und dort standst du. Ich merkte sofort, dass meine Mama ein Strahlen im Gesicht hatte, das sie zuvor sehr lange nicht mehr hatte. Noch kanntet ihr euch nicht, aber da du ein Bekannter der Besitzerin des Restaurants warst, geselltest du dich zu uns. Zuerst beachteten wir dich gar nicht, da wir sehr vertieft in unser Handyspiel waren: ,,Ja ja, die Kindheit/Jugend”, alles doof, kein Interesse an bestimmten Dingen, Probleme mit den Eltern, Pubertät usw. Doch irgendwie hast du es geschafft, zu uns durchzudringen und uns in ein Gespräch zu verwickeln und selbst ich, die normalerweise sehr schüchtern war und nicht mit Fremden sprach, fing an, mich mit dir zu unterhalten. Du warst in etwa dem Alter meiner Mutter entsprechend und ich merkte ja schon, wie es nach dieser kurzen Zeit zwischen dir und meiner Mutter knisterte und somit hast du auch mich in deinen Bann gezogen.
Eines Tages waren meine Mama und ich unterwegs zu meinem Onkel und sie fragte mich, was ich davon halten würde, dich abzuholen und ich willigte ein. Noch konnte ich ja nicht ahnen, was das für Konsequenzen für uns haben würde.
Meine Mama freute sich riesig, dass ich einwilligte und somit begaben wir uns zu dir. Ab diesem Zeitpunkt fing es an, dass du immer öfter bei uns warst, was am Anfang okay war, denn noch kannten wir dein zweites Gesicht nicht.
Zu dieser Zeit waren wir gerade auf der Suche nach einem Untermieter, da meine Mama leider die Miete für ihr Traumhaus nicht mehr zahlen konnte – sie war selbständig in ihrem Traumberuf, hatte ihr Traumhaus, einen großen Garten und viele Tiere, alles in einem ein perfektes Leben, bis auf die ein oder andere Kleinigkeit, die jeden von uns mal plagt – jedoch reichte das Geld leider nicht mehr aus, um sich diesen Luxus leisten zu können. Deshalb entschieden wir uns, die Hälfte des Hauses unter zu vermieten. Kein schöner Gedanke, sich unser Haus mit einem Fremden teilen zu müssen, die Stimmung war getrübt, der ein oder andere kam vorbei, um sich das Haus anzusehen, doch irgendwie passte es nicht und nach langem Überlegen schlugst du vor, dass du unser neuer Untermieter wirst und wir das Alles schon irgendwie schaffen würden. Meine Mutter und ich waren überglücklich.
Nach ein paar Wochen war es dann endlich soweit, dass du vollständig eingezogen warst; wir verstanden uns sehr gut, du warst für mich da, wenn es mir schlecht ging, hörtest dir meine Probleme an, wenn mal wieder alles doof war usw. Eigentlich wie ein Ersatz-Papa – bis du eines Tages die Grenze überschritten hast …
Ich ging nichtsahnend duschen und sperrte die Türe ab, weil Teenies in dem Alter sowas eben machen, auch wenn Niemand zuhause zu sein scheint. Es könnte ja auch sein, die Mutter kommt heim und will herein, schon peinlich genug, wenn man dann plötzlich nackt vor ihr steht. Als Mädchen schon schlimm, als Junge will ich es mir gar nicht vorstellen, wie es ist, vor der Mutter nackt dazustehen.
Jedenfalls wollte ich so schnell wie möglich nur mit Handtuch bekleidet aus dem Bad heraus und in mein Zimmer flitzen. Ich öffnete die Türe und plötzlich standest du vor mir, deine Blicke auf mich gerichtet, starrtest du mich von oben bis unten an. Mittlerweile war ein Jahr vergangen und mein Körper hatte sich verändert, was dir trotz Handtuch aufgefallen war. Ein kleines Mädchen oder eine heranwachsende Frau, das liegt ganz im Auge des Betrachters. Ich meckerte dich an, weil ich schnell in mein Zimmer wollte, doch anstatt mich vorbei zu lassen, stelltest du dich vor mich und deine Lippen zerrten den Satz hervor: „Du bist nun eine schöne junge Frau geworden, wir sind nun eine Familie, zeig mir doch Mal deine Brüste, es muss dir nicht peinlich sein, kannst gerne nackig rumlaufen, mich stört das nicht…“
Peinlich berührt ging ich auf mein Zimmer. Mittlerweile kam auch meine Mama nachhause. Ich dachte mir nichts weiter über diesen Vorfall, wie gesagt, ich war ein kleines Mauerblümchen, wollte von Jungs nicht mehr als Freundschaft, darüber hinaus wollte ich in meinem Alter noch nicht denken und auch nicht, dass das was eben geschehen war, nur der Anfang allen Übels war.
Es wurde Sommer, Zeit für Freibad, im Garten mit Bikini sonnen, da ich ein sehr heller Typ bin, schmierte ich meine Haut mit etwas Olivenöl ein. Mittlerweile weiß ich, dass das nicht gut ist, aber als Teenie ist einem ja alles scheißegal.
Also legte ich mich mit einem Handtuch auf den Boden und fing an, meinen Rücken zu bräunen. Auf einmal merkte ich, wie jemand von hinten meine Bikinihose so verschob, dass die äußeren Klappen nach innen geklappt wurden, in Form eines Tangas. Zuerst dachte ich, es wäre meine beste Freundin gewesen, die mich besuchte und sich ein Scherz erlaubte, was man halt unter Freunden so macht. Doch dann hörte ich dich sagen: ,,Ich hasse Weiber mit weißem Arsch, wenn muss schon Alles braun sein.”
Das war zuviel für mich, also ging ich rein und zog mich wieder an. Mein Tag war gelaufen. Ich sperrte mich in meinem Zimmer ein, du klopftest vergeblich und endlich kam meine Mutter von der Arbeit heim. Eine Erleichterung. Ich packte meine Sachen und verschwand zu meiner derzeit besten Freundin. Natürlich erzählte ich ihr vor Scham nichts und meiner Mama auch nicht, auch wenn sie abends merkte, dass was nicht stimmte, wollte ich kein Keil zwischen die beiden treiben, da meine Mutter so glücklich war. Doch innerlich zerfraß es mich und ich zog mich immer mehr in mein Schneckenhaus zurück. Ich gab dir keinen Anlass mehr, mich mit diesem Blick anzusehen, du verlorst das Interesse an mir, denn nun zog ich mich erst Recht nicht mehr aufreizend an, da ich ab da an dachte, dass ich selbst daran schuld sei, dass du dies oder jenes tust oder sagst. Ich war kaum noch Zuhause, weil ich dich nicht mehr ertragen konnte, meine unbeschwerte Kindheit war zu Ende. Ich musste damit leben und hatte Niemanden, dem ich mich anvertrauen konnte, alleine schon aus Scham und abgesehen davon, dachte ich: ,,Wer glaubt schon einen heranwachsendem Teenie, dessen Fantasie bis ins Weltall reicht!” Hingegen einem ausgewachsenen Mann, der jeden so manipulieren konnte, dass am Ende das Opfer der Täter war.
Ich wollte in diesem Alter noch mit nichts dergleichen konfrontiert werden, aber das hast du ignoriert und deine Macht ausgenutzt.
Meine Geschichte geht noch sehr viel weiter, doch es wäre zu viel, auf das Ganze einzugehen, deshalb mache ich hier nun einen Punkt. Für alle die wissen wollen, wie es endete: Das Ganze ging insgesamt noch ein Jahr, also von meinem 13-15 Lebensjahr, wobei das 13. nicht wirklich dazu zählt, weil er zu dieser Zeit noch keine Andeutungen machte, erst als ich 14 wurde und so langsam pubertierte. Es endete zum Glück als ich 15 wurde, da noch ein paar Vorfälle dazu kamen, die meinen Großeltern Anlass gaben, uns aus den Fängen dieses Monsters zu befreien, da er meine Mama schon so fest im Griff hatte, dass sie es aus freien Stücken nicht mehr schaffte, einen Schlussstrich zu ziehen. Wir zogen dann vorübergehend zu meinen Großeltern, die etwas weiter weg wohnten.
Ich will mit diesem Schreiben all den Menschen helfen, die Ähnliches oder Schlimmeres erlebt haben! Gebt euch bitte nicht die Schuld, denn keiner hat ein Recht, so etwas mit euch zu machen, erst recht nicht als Kind/Teenie, der sich selbst noch finden muss.
Mir fiel es auch jahrelang schwer, darüber zu reden, aber jetzt wo ich weiß, dass er tot ist und mir nichts mehr anhaben kann, geht es mir besser. Nun ist das Ganze ja auch schon 15 Jahre her, aber es wird immer Teil meines Lebens bleiben, es hat mich sehr geprägt, doch ich lasse es nicht mehr so sehr an mich heran.“
Was können wir tun …?
Es ist eine Sache, zu vermuten, dass ein Kind sexueller Belästigung oder gar Missbrauch ausgesetzt ist, und dann noch einmal eine andere, richtig darauf zu reagieren. Deshalb habe mich dazu an die Profis von N.I.N.A. e.V. (Nationale Infoline, Netzwerk und Anlaufstelle zu sexueller Gewalt an Mädchen und Jungen) gewendet, die so lieb waren, mir 4 Fragen zu beantworten, damit wir im Fall der Fälle nicht ratlos stehen bleiben, sondern sofort aktiv werden.
1. Was können Eltern tun, um ihre Kinder davor zu beschützen, Opfer von sexueller Belästigung und/oder Missbrauch zu werden? Gibt es „vorbeugende“ Maßnahmen, die man ergreifen kann?
Leider gibt es kein Patentrezept, das wir Eltern mit auf den Weg geben können – und leider auch keine Sicherheit, die durch diese oder jene Maßnahmen gegeben wäre. Aber natürlich gibt es Möglichkeiten, Kinder gut zu begleiten und dadurch das Risiko für sexuelle Übergriffe deutlich zu verringern.
Unserer Erfahrung nach ist es vor allem wichtig, eine vertrauensvolle Beziehung zu seinem Kind aufzubauen. Kinder sollten wissen und erfahren, dass sie mit allen Themen und Sorgen zu ihren Eltern gehen können, dass sie von ihnen ernst genommen werden und dass sie sich bei ihnen für nichts schämen müssen. Es geht ganz grundsätzlich um eine präventive Erziehungshaltung – geprägt von gegenseitigem Vertrauen, Achtung und Wertschätzung. Und es geht darum, Kindern immer wieder Gesprächsangebote zu machen: Interessieren Sie sich für ihr Kind und fragen Sie regelmäßig, wie es Ihrem Kind geht. Halten Sie aus, wenn ihr Kind traurig ist und seien Sie gerade dann für Ihr Kind da. Ist etwas Blödes passiert, dann trösten Sie Ihr Kind. Uneingeschränkt. Ohne Vorwürfe. Und ohne Sätze wie „Ich hatte dir ja gesagt, dass du das nicht machen sollst.“. Sprechen Sie – altersgerecht – mit Ihrem Kind über Gefühle, den Körper, Berührungen, Grenzen, gute und belastende Geheimnisse. Ihr Kind muss wissen, wo es sich Hilfe holen kann, wenn es in Not ist. Und es muss wissen, dass Hilfe holen wichtig ist – kein Petzen. Für all diese Themen gibt es auch viele gute Materialien wie zum Beispiel Kinderbücher oder -lieder. Viele Fachberatungsstellen bieten Präventionsangebote an Kitas und Schulen an und stellen auch Informationspakete für Eltern zusammen. Diese Form der Prävention in Institutionen ist aus unserer Sicht sehr wichtig. Vor allem Kinder, die sexuellen Missbrauch innerhalb der Familie durch Eltern oder andere Angehörige erfahren, sind darauf angewiesen. Ohne Angebote von außen haben Betroffene innerfamiliärer Gewalt kaum Chancen, den Missbrauch als solchen einzuordnen und Hilfe zu erfahren.
2. Wie können Eltern oder Freunde erkennen, dass ein/ihr Kind in Gefahr ist, auch wenn es vielleicht nichts dazu sagen möchte oder kann? Welche Signale sollten die Alarmglocken schrillen lassen?
Die Alarmglocken sollten vor allem schrillen, wenn ein Kind sich zu Übergriffen äußert und Situationen schildert, die deutlich grenzüberschreitend sind. Wie Sie schon in der Frage formulieren, ist das oftmals nicht der Fall. Zumindest haben Erwachsene sehr häufig den Eindruck, dass ein Kind nichts sagt. Aus Kindersicht ist das anders: Viele betroffene Kinder versuchen, sich Erwachsenen mitzuteilen und Hilfe zu bekommen. Das passiert mal mehr, mal weniger subtil. Oftmals sind es Hinweise, die eher vage formuliert oder zumindest für Erwachsene nicht ganz eindeutig sind. Vielen Kindern fehlen die richtigen Worte dafür. Sie wiederholen, was der Täter oder die Täterin ihnen gesagt hat. Um ein Beispiel zu geben: Eine Anruferin hat uns von sexuellem Missbrauch ihrer Tochter durch den Großvater berichtet. Rückblickend hat ihre Tochter schon Jahre zuvor erzählt was passiert. Sie habe immer „an Opas Lolli lutschen sollen“ – so hatte das kleine Mädchen die Situation formuliert. Niemand hat wirklich verstanden, was sie damit meint. Alle haben gesagt, dass sie es dann halt nicht machen soll, wenn sie nicht möchte.
Wichtig ist also, genau hinzuhören und hinzusehen und sexuellen Missbrauch überhaupt als Möglichkeit in Betracht zu ziehen.
Es gibt leider keine Symptome, die eindeutig auf sexuellen Missbrauch hinweisen. Auch körperliche Verletzungen sind in den meisten Fällen nicht vorhanden oder nicht eindeutig auf sexuellen Missbrauch zurückzuführen. Ernst zu nehmende Signale sind neben Äußerungen von Kindern vor allem Verhaltensänderungen. Wenn ein Kind immer stiller und zurückgezogener wird, dann ist das auffällig. Es kann aber auch sein, dass ein Kind aggressiv wird, Gegenstände kaputt macht und alle in Atem hält. Viele betroffene Kinder haben Schlafstörungen und nässen plötzlich wieder ein. Andere entwickeln ein gestörtes Essverhalten.
Zudem führt die Manipulation durch den Täter oder die Täterin häufig dazu, dass ein Kind zunehmend isoliert ist, keine Freunde mehr hat und mit niemandem mehr sprechen will und kann. Auch das ist ernst zu nehmen und kann ein Anzeichen für sexuellen Missbrauch sein. Nicht zuletzt zeigen viele betroffene Kinder sexualisiertes Verhalten. Zum Beispiel imitieren sie Erwachsenensexualität und überschreiten dabei selbst Grenzen von anderen. Das geht über die normale und altersgerechte Sexualentwicklung hinaus und ist für viele Menschen schwer einzuordnen.
Kurzum: Die Signale können sehr vielfältig sein. Wenn einem das Verhalten eines Kindes ein komisches Gefühl macht, dann sollte man sich mit jemandem darüber austauschen, genauer hinsehen und dem Kind Gesprächsangebote machen – ohne sprichwörtlich mit der Tür ins Haus zu fallen, das Kind zu verängstigen und damit den Schutz des Kindes eher zu gefährden.
3. Wohin können sich Opfer und ihre Angehörigen wenden, wenn sie Hilfe brauchen und suchen?
Menschen, die in Sorge um ein Kind sind, und auch Betroffene selbst sollten sich unser Erfahrung nach zunächst an eine Fachberatungsstelle wenden, die auf das Thema sexueller Missbrauch / sexuelle Gewalt spezialisiert ist. Dort können sie geschützt und vertraulich von der Situation berichten sowie mit professioneller Unterstützung die Möglichkeiten abwägen und das weitere Vorgehen besprechen. Die Berater*innen dort kennen sich sehr gut aus und wissen um die Dynamik, die das Thema oftmals mit sich bringt. Sie entscheiden nichts über den Kopf der Ratsuchenden hinweg, sondern sortieren gemeinsam mit ihnen die Geschehnisse und weiteren Schritte. Zudem sind gerade auch die Fachberatungsstellen vor Ort gut vernetzt in der Region und können bei Bedarf geeignete Hinweise zu therapeutischen und juristischen Hilfen in der Nähe geben. Spezialisierte Fachberatungsstellen in Ihrer Nähe finden Sie über das Hilfeportal Sexueller Missbrauch.
4. Oftmals werden die Opfer – sobald herauskommt, dass sie sexuell missbraucht oder belästigt werden – ausgegrenzt. Die Freunde wenden sich ab, weil sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, dass Kindern oder Jugendlichen (oder auch Erwachsenen) in ihrer Nähe etwas Furchtbares angetan wurde. Können sie diesen Menschen, die es sicher nicht böse meinen, sondern nur unsicher und ängstlich sind, etwas mit auf den Weg geben? Gibt es auch für sie Stellen, an die sie sich wenden können, um NICHT zu gehen, sich stattdessen zu informieren und eventuell Informationen oder Verhaltensempfehlungen erhalten, wie man den wahrscheinlich traumatisierten Freunden zur Seite stehen kann?
Die eben benannten spezialisierten Fachberatungsstellen bieten allen Menschen Unterstützung, die mit dem Thema konfrontiert werden, Informationen suchen und Betroffenen zur Seite stehen wollen. Ängste, Unsicherheiten und Unwissen führen häufig dazu, sich vom Thema und damit auch den betroffenen Menschen abzuwenden. Das ist für beide Seiten eine schwere Situation, für die es Hilfe und Unterstützung gibt. Grundsätzlich raten wir allen Menschen, die mit dem Thema konfrontiert werden, Ruhe zu bewahren, den Betroffenen Zeit zu geben, sie nicht zu Handlungen zu drängen und vor allem nicht auf den sexuellen Missbrauch zu reduzieren.
Wenn Menschen von einem akuten sexuellen Missbrauch an einem Kind erfahren, ist es besonders wichtig, hinzuschauen und sich nicht abzuwenden. Kein Kind kann sich alleine schützen. Dennoch braucht es Mut, sich an die Seite eines betroffenen Kindes zu stellen. Niemand kann und muss einen Missbrauch alleine beenden. Auch hier sind die spezialisierten Fachberatungsstellen in der Regel die erste Adresse, um sich Unterstützung zu suchen. Auch der Anruf bei unserem „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“ kann ein erster Schritt sein: Wir nehmen die Ängste, Sorgen und Bedenken der Ratsuchenden ernst und suchen gemeinsam mit ihnen nach Wegen, die sie – gestärkt und mit gutem Gefühl – gehen können. Informationen zum Hilfetelefon Sexueller Missbrauch finden Sie unter www.hilfetelefon-missbrauch.de oder auch unter www.anrufen-hilft.de. Eine Seite, die auch für Kinder und Jugendliche wichtig werden kann ist www.kein-kind-alleine-lassen.de. Hier finden Sie viele Hilfsangebote und Verhaltenstipps, wenn Sie ein Kind unterstützen wollen.
Von N.I.N.A. e.V. empfohlene Lese- und Link-Tipps:
www.beauftragter-missbrauch.de
www.kein-kind-alleine-lassen.de
Broschüre: Mutig fragen – besonnen handeln:
Buch-Tipp: Mein Körper gehört mir
PS: Ich bedanke mich bei allen an diesem Artikel Beteiligten für ihre Offenheit und Mühe.
PPS: Wie immer, aber diesmal besonders, freue ich mich, wenn ihr diesen Artikel teilt :-*