Rabenmutter 2.0

Der Töpfchen-Training-Wettkampf

Eigentlich ist es total verblüffend, wie groß das Interesse – vor allem von eigentlich Außenstehenden – an der Entwicklung der biologisch notwendigen „Talente“ UNSERER Babys und Kleinkindern ist. Ständig werden wir Eltern von Hinz und Kunz gefragt: „Schläft das Baby schon durch?“, „Isst es schon richtig am Tisch mit?“ oder „Geht es schon aufs Töpfchen?“ Und als wäre das nicht schon amüsant genug für müde Mamis und Papis, die sowieso gefühlt dauerhaft unter Baby-Leistungs-Hochdruck stehen, wird meist noch etwas in folgendem Stil hinterhergeschoben: „Das sollte es nämlich längst können!“, um unmissverständlich klar zu machen, dass der aktuelle Pädagogik-Kommentartor – zum Beispiel die entfernte Tante, die Bäckereifachverkäuferin oder der Pizza-Bote an der Tür – GENAU weiß, wovon er da redet.

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Warum machen die Leute das bloß? Mal ehrlich: So etwas fragen wir doch auch keinen Erwachsenen … schon gar nicht, wenn wir denjenigen kaum kennen! Wer geht schon an der Supermarktkasse zu dem Typen, der vor einem steht, und fragt: „Na, hast du heute durchgeschlafen oder musstest du wie ich zwischendurch mal Pipimachen gehen?“ Macht NIEMAND!!! Und wir erdreisten uns auch nicht, die Friseurin mit ihrem Smoothie in der Hand zu fragen, ob sie schon so viele Zähne verloren hat, dass sie nicht mehr in der Lage ist, einfach mal in einen Apfel zu beißen und sich stattdessen immer diese neumodischen, völlig überteuerten SchiSchi-Säftchen reinpfeifen muss. DAS WÄRE VOLL UNVERSCHÄMT!!! Am allerwenigsten käme allerdings wohl jemand auf die Idee, andere Erwachsene nach ihrem bevorzugten Stuhlgang-Verhalten zu befragen: „Entschuldigen Sie, lehnen Sie sich beim Kacka-machen mit dem Oberkörper nach vorn? Denn das wäre falsch, wissen Sie!“ DAS MACHT MAN NICHT! UND DAS WILL VERDAMMT NOCHMAL AUCH NIEMAND WISSEN!!! Außer es geht um Kinder … DANN sind all das prima Themen, die im Prinzip wahllose überall und von jedem besprochen und vor allem BEWERTET werden dürfen. Sehr, sehr komisch, finde ich! ;)

Das Schlimmste daran, dass diese Themen so wahnsinnig gerne von anderen als den Eltern selbst thematisiert werden, ist, dass die Fortschritte in diesen Bereichen nur sehr begrenzt beeinflusst oder gar erzwungen werden können. Kinder entwickeln sich nun mal individuell … und das bezieht sich eben auch auf so „natürliche“ Baustellen wie schlafen, essen und Kacka hochprofessionell im Klo versenken. Der Druck, der in diesen Punkten von Außen gemacht wird, führt ausschließlich dazu, dass Mama und Papa sich gestresst fühlen, möglicherweise sogar unzulänglich in ihrer Elternrolle und im schlimmsten Fall irgendwann ihrem eigenen Instinkt nicht mehr vertrauen, der ihnen eines ganz klar zuflüstert: „Alles ist gut – dein Kind lernt es, wenn es soweit ist.“ Denn exakt SO ist es! <3 Wir können Babys nicht zum Durchschlafen ZWINGEN … auch nicht zum Kauen von Gemüsestückchen und ebenso wenig zum Klo-Gang. Oder … ist vielleicht zumindest letzteres doch möglich? Schließlich ist doch immer die Rede von „Töpfchen-Training“?!

„Töpfchen-Training“ – ein fantastischer Leistungssport für erfolgsorientierte Kleinkinder ;)

Die Mausemaus war so ungefähr 1,5 Jahre alt, als wir eine Klobrille mit integriertem Kindersitz anschafften, weil ich das Gefühl hatte, es sollte mal langsam losgehen Richtung Windelfrei, aber die Vorstellung so fies fand, ständig irgendwo in der Wohnung ein Pipi-Töpfchen stehen zu haben und es anschließend sauber machen zu müssen. Davon mal abgesehen war ich sicher, dass mein Töchterlein förmlich wie von selbst die Toilette für sich entdecken würde, wenn sie die Möglichkeit hätte, genauso aufs Klo zu gehen wie Mama und Papa. Ich lag allerdings falsch. Die kleine Madam interessierte sich einen Scheiß für die ganze Trocken-werden-Geschichte und liebte ihren warm eingepackten Hintern so sehr, dass wir erst mit 3,5 Jahren die letzte Packung Windeln in ihrer Größe kauften.
Ich muss ja leider gestehen, dass mich unterwegs – also innerhalb dieser zwei Jahre – irgendwann ein wenig die Lockerheit verließ. Ich hatte nämlich echt keinen Bock mehr darauf, die bombastischen Windelfüllungen meines Kindes zu entsorgen und redete mir zeitweise gefühlt den Mund fusselig, um sie irgendwie in Richtung Trockenheit zu bewegen. Ein richtiges, konsequentes Töpfchen-Training „absolvierte“ ich allerdings dennoch nicht mit ihr.

Aus zwei Gründen:

  1. Mein zuckersüß aussehendes kleines Mädchen war und ist ein beinharter, schrecklich selbstbestimmter Knochen, wenn es um IHRE Entwicklungsschritte geht.
  2. ICH hatte keine Lust, im Winter „zu üben“, ohne Windel das Haus zu verlassen und dann an jeder Ecke in der Innenstadt mein Kind wie einen Hund an einen Baum zu halten oder panisch jeden Ladenbesitzer auf dem Kölner Ring um seinen Toilettenschlüssel anzubetteln. Ebenso wenig verspürte ich die Motivation, unser Wäscheaufkommen zu verdoppeln ODER jede zweite Unterhose in den Müll schmeißen zu müssen, weil ich kein Pupu aus den Schlüppern kratzen wollte.

Ja, ich weiß, dass klingt, als wäre ich ein faules Mutti-Stück … und vielleicht stimmt das sogar. ;) Allerdings war ich der Meinung, dass es auch leichter für alle Beteiligten gehen müsse, die Wickelei loszuwerden. Nämlich mit Geduld und dem Bewusstsein, dass jedes Kind auch dafür seine ganz individuelle Zeit hat. Und weil ich da immer noch hinter stehe, gehe ich auch beim Krümelchen nicht gerade mit sportlichem Ehrgeiz an die Sache heran, sondern lasse es einfach laufen (Hahahah, passt ja ;) ). Aktuell würde ich mal vermuten, dass er Dank der großen Schwester und ihrem Rockstar-Status in seinem Leben schneller ein Freund der Schüssel wird … doch möglicherweise irre ich mich auch wieder. Noch jedenfalls weint er, wenn ich ihn mal mit dem nackten Po aufs Klo oder Töpfchen setze, also lasse ich es, reiche ihm aber natürlich trotzdem ein Buch, wenn er „Sitzung spielt“ – mit Windel und Hose am Hintern. NOCH bin ich da total entspannt. ;)

Ich kenne kleine Mäuse von unter zwei Jahren, die plötzlich von sich aus keine Windel mehr wollten und bis auf winzige Ausrutscher von einem Tag auf den anderen Trocken waren. Und ich kenne kleine Flöhchen, die zumindest nachts eine Windel benötigten, um sich sicher zu fühlen, bis sie beinahe fünf Jahre alt waren. Für die Eltern hat beides Vor- und Nachteile. Natürlich ist es cool, wenn dieser ERFOLG schon früh gefeiert werden kann, aber es ist auch nicht immer leicht, ein Kleinkind bei derlei zielstrebigem Toiletten-Verhalten zu unterstützen, weil natürlich jede (Spiel-)Ablenkung ein Risiko birgt … von längeren Autofahrten mal ganz abgesehen. Dafür haben wohl die wenigsten Erwachsenen je davon geträumt, eines Tages richtig großen Kindern noch den Popo säubern zu müssen wie einem Baby. Aber man macht es halt für den Nachwuchs, wenn der trotz „gesellschaftlichen Norm-Vorgaben“ einfach noch nicht dazu in der Lage ist, seine Blase Tag und Nacht zu 100 % zu kontrollieren. Was soll’s, es gibt wahrlich Schlimmeres!

Und wenn die Schwiegermutter immer nachfragt?

Entspannt an die Sache heranzugehen ist meiner ganz persönlichen Meinung nach echt der beste Weg, ABER manchmal trotzdem nicht total easy. Zum einen, weil wir Eltern zwar unheimlich gerne die Bedürfnisse unserer Sprösslinge in den Fokus rücken möchten, aber manchmal trotzdem nicht aus unserer Haut können und dann Druck auf unsere Kids ausüben, weil WIR gerne fertig wären mit der Wickel-Nummer (völlig nachvollziehbar!!!). Zum anderen, weil es irre schwer sein kann, den Druck der UNS von außen gemacht wird, zu ignorieren. Wenn die Schwiegermutter bei jedem Treffen davon erzählt, dass IHR Sohn aber mit 18 Monaten schon windelfrei war und alles andere daher pädagogisch ein Griff ins Klo wäre, kann das schon hart an den Nerven zerren. Genauso wie jeder andere Kommentar, der impliziert, dass es sich bei der Windel-Liebe des Kindes ganz offensichtlich um die Schuld der VERSAGER-Mutter handelt. So etwas ist echt nervig, total anstrengend und kann dazu führen, dass man sich mehr Druck macht, als gut oder notwendig ist. ABER Fakt ist: Es geht niemanden was an … außer die kleinen Windelpupser selbst und ihre Wickel-Meister, wer wann und wie aufs Klo geht. Und ich bin absolut sicher, dass NIEMAND, der heute drängelt, später dabei hilft, ein Klo zu suchen, „Ausrutscher“ freiwillig beseitig oder gar tonnenweise Wechselklamotten zur Hand hat. DAS ist dann nämlich auch wieder Muttis Problem. ;)

Glücklicherweise ist es aber doch so: Keine Sau interessiert sich später dafür, wann jemand zum ersten Mal Kacka auf dem Klo gemacht hat – das wird garantiert in keinem Vorstellungsgespräch abgefragt. Weder bei uns Eltern, noch bei unseren Kindern. Deshalb würde ich jetzt einfach mal locker-flockig sagen: Scheiß drauf! Jedem seine Windel, solange er will … und Mama und Papa die Nerven dafür haben. Wer sich daran stört, kann seine Nase gern woanders reinstecken. ;)

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6 Kommentare für “Der Töpfchen-Training-Wettkampf

  1. Bei uns haben vor allem Eltern und Großeltern sehr viel Druck gemacht. Ich habe mich bei der Maus fast 2 Jahre abgemüht, immer wieder Frust, Enttäuschung, kurze Hoffnungsschimmer und vernichtende Kommentare ala “Naja, viel zu spät angefangen und auch nicht konsequent”
    Jetzt im Frühling meinte der Kindergarten, dass sie die Ü3 Kinder nicht mehr wickeln, also entweder sie kann es bis dahin oder ich muss sie zum Mittag frisch machen. Hat dann wunderbarerweise mit einem Appell an ihr Großsein funktioniert. Bub zeigt Interesse, es stört ihn aber auch nicht, wenn es in die Windel geht, er ist da entspannt. Ich inzwischen auch.
    Aber es ist doof zu sehen, wieviel Druck da auf den Kindern und auch auf den Eltern lastet, gerade wenn diese sovielen “hilfreichen” Kommentaren ausgesetzt sind.

  2. Halli hallo…….
    Habe mich bei unserer Maus (wird im Februar 3) auch erstmal schwer getan. Dann hatten wir im September 1 Woche Urlaub in Dänemark und wir haben es einfach probiert. Hatte auch Bedenken: im Urlaub ständig Wechselklamotten mitschleppen und Toiletten suchen…..aber Pustekuchen. Hat wunderbar geklappt u Mausi braucht jetzt nur noch nachts die Windel.
    Will sagen: manchmal kann es besser klappen als wir selbst vermuten. Natürlich sollte vorher aber Bereitschaft auf Seiten der Eltern UND des Kindes bestehen!
    Sonst bin ich auch total deiner Meinung: jedes Kind hat sein Tempo u verrückt machen (lassen) bringt gar nichts!
    Liebe Grüße!