Rabenmutter 2.0

Bahnfahren mit (meinen) Kindern

Früher, als ich noch keine Kinder hatte und auch noch nicht in Köln wohnte, fuhr ich so ziemlich jeden Meter mit dem Auto. Ich möchte ungern sagen, dass ich stinkend faul war … aber leider muss ich das: ich war stinkend faul :D . Dann zog ich mitten rein in die Großstadt, wurde Mama und musste feststellen, dass meine eigentlich innig geliebte Karre plötzlich gar nicht mehr so super praktisch war. Kind und Kinderwagen einladen kostete oft schon mehr Zeit, als die eigentliche Strecken-Bewältigung; von der Parkplatzsuche mal ganz abgesehen. Ich musste also Alternativen in Betracht ziehen und entschied mich – aufgrund einer zwar unerklärbaren, aber dafür tiefsitzenden Abneigung gegen öffentliche Verkehrsmittel – fast immer fürs Laufen. Das funktionierte für mich jahrelang einwandfrei und hatte den erfreulichen Nebeneffekt, dass sich meine bis dahin, aufgrund meines beinahe dauerhaft sitzendes Daseins schier gänzlich degenerierte Beinmuskulatur, schon bald wieder auf einem Niveau bewegte, das Orthopäden und Mediziner nicht länger als „bedenklich“ betiteln würden :D .

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Dann bekam die Tochter einen Kindergartenplatz in einem anderen Stadtteil und ich das zweite Kind. IMMER und JEDE Strecke zu laufen, war und ist seit dem nicht länger eine Option, denn die Mausemaus mag nach einem langen Kita-Tag nun mal nicht 2,5 Kilometer nach Hause latschen. Kann ich natürlich verstehen. Deshalb fahre ich jetzt täglich mit der Bahn. Und das „läuft“ dann aktuell meist ungefähr so ab:

Bahnfahren mit (meinen) Kindern

  1. Ich treibe die Vierjährige zur Eile an, weil wir mal wieder kurz davor sind, die Bahn zu verpassen, die ICH gerne nehmen würde, um rechtzeitig zu unserer Verabredung zu Hause anzukommen.
  2. Wir verpassen die Bahn um ca. 30 Sekunden.
  3. „Mama, war das unsere Bahn?“
  4. „Ja, Süße, dass war sie. Aber es kommt gleich noch eine.“
  5. „Welche Zahl brauchen wir?“
  6. „Die 15.“
  7. „Nicht die 12?“
  8. „Nein, die 15. Wie immer, Schätzchen.“
  9. Die nächste Bahn fährt ein.
  10. „Ist das die 15?“
  11. „Nein, dass ist die 12.“
  12. „Können wir die nehmen?“
  13. „Nein, wir nehmen die 15.“
  14. „Nicht die 12?“
  15. „Nein, Schatz. Die 15. Wir nehmen die 15. Wie jeden Tag! Die 15, ok?“
  16. „Ok, Mama. Weiß ich doch.“ Lacht schallend.
  17. Ich liebe mein Kind. Ich liebe mein Kind. Ich liebe mein Kind.
  18. Die Info-Tafel verkündet, dass sich die nächste 15 verspäten wird … auf unbestimmte Zeit.
  19. Ich überlege, einfach zu laufen, anstatt mit zwei Kindern im Kalten zu warten … auf unbestimmte Zeit.
  20. Die Tochter heult, weil sie nicht laufen will.
  21. Ich trockne ihre Tränchen, schenke ihr Gummibärchen als Wegzehrung, nehme ihre Hand und wir gehen los.
  22. Die 15 fährt ein.
  23. Tochter: „Die Gummibärchen behalte ich aber!“
  24. Ich nicke und schiebe Tochter und Kinderwagen eilig Richtung Tür.
  25. Drei Teenager drängeln sich vor.
  26. Eine Oma drängelt sich vor.
  27. Ein nasser Hund drängelt sich vor.
  28. Ich raste gleich aus!!!
  29. Wir steigen ein.
  30. Der Kinderwagenstellplatz in der Bahn ist wie so oft bereits durch ein Fahrrad besetzt.
  31. Wir platzieren uns gegenüber der Tür und versuchen so wenig Raum wie möglich zu beanspruchen.
  32. Ich buxiere die Tochter auf einen freien Sitz in meiner Nähe.
  33. „Ich will aber da drüben sitzen!“
  34. „Da drüben ist kein Platz.“
  35. „Ich will aber hier nicht sitzen!!!“
  36. „Mausemaus, hier ist Platz, hier sitzt du jetzt. Guck aus dem Fenster. Ist ja nicht weit!“
  37. „MANNO!“
  38. Mir ist scheiß-heiß, weil in der Bahn auf tropische Temperaturen geheizt wird, ich aber MAL WIEDER meinen Bikini vergessen und stattdessen diese unpraktische Winterjacke anhabe!
  39. Ich blicke zur Tochter.
  40. „Schatz, hast du gerade die Scheibe abgeleckt?“
  41. Sie grinst.
  42. Beobachtende Mitreisende würgen.
  43. ICH würge!
  44. „Bitte leck die Scheibe nicht mehr an.“
  45. „Ok!“
  46. „Und nimm die Schuhe vom Sitz … da fallen ja Dreckklumpen so groß wie der Mount Everest raus. Herrje, wo warst du denn heute?“
  47. „In der Matschepampe!!!“
  48. Ich habe keine Fragen mehr.
  49. Ein weiterer Radfahrer mit Rad steigt ein.
  50. „Sie stehen da ganz schön schlecht mit dem Kinderwagen!“
  51. Mir ist heiß.
  52. Ich bin genervt.
  53. „Sie haben ein Fahrrad. Benutzen Sie es doch zum RADFAHREN!“
  54. Wenn Blicke töten könnten, wär ich jetzt Wurmfutter.
  55. „Maaaaaaama, mein Stein ist runtergefallen!!!“
  56. „Welcher Stein?“
  57. „Der gaaaaaanz kleine!!!“
  58. „Ok, wir suchen dir gleich einen neuen. Ich kann nicht durch die fahrende Bahn kriechen.“
  59. Kind leckt aus Protest erneut das Fenster ab.
  60. Ein Teenie lacht.
  61. Ein Blick von mir und er lacht nicht mehr.
  62. Der Baby-Sohn langweilt sich und kompensiert das mit Geschrei!
  63. Wildfremde Oma: „Na, hat die Mama dich zu warm angezogen?!“
  64. Ich atme seeeeeeehr tief ein und rolle mit den Augen.
  65. Ich reiche dem Baby-Sohn einen Hirsekringel.
  66. Er leckt ihn an und wirft ihn Richtung Oma.
  67. Ich liebe mein Kind. Ich liebe mein Kind. Ich liebe mein Kind.
  68. Der Mann mit dem Fahrrad dreht sich um und rammt mir seinen hippen Messanger-Bag gegen die Schulter.
  69. Ich atme NOCH tiefer ein.
  70. Und würge wieder.
  71. Die wildfremde Oma trägt gerade nochmal ordentlich kölnisch Wasser auf.
  72. „Mama, steigen wir hier aus?“
  73. „Ja, Schatz, JA! Komm!!!“
  74. Ich schnappe den Arm der Tochter und versuche die Kinderwagenbremse mit einem beherzten Tritt zu lösen.
  75. Sie klemmt.
  76. Ich zerre das Scheißding mit angezogener Bremse hinter mir her nach draußen.
  77. Der Radfahrer motzt, dass ich ihm über den Fuß gerollt bin.
  78. Ahhhhh, jetzt geht’s mir besser! :D

Naja, was soll ich sagen: Bahnfahren stresst mich. Es nervt mich. Ich mag’s nicht. Glücklicherweise handelt es sich meist nur um eine kurze Strecke ohne umsteigen, denn müsste ich auch noch ständig den schweren Kinderwagen ellenlange Treppen rauf- und runterschleppen, weil entweder der Aufzug mal wieder kaputt oder gleich gar nicht erst vorhanden ist, bräuchte es wohl täglich etwas mehr als nur einen platten Radfahrer-Fuß, um mich wieder lächeln zu lassen ;) .

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8 Kommentare für “Bahnfahren mit (meinen) Kindern

  1. Bei uns sind das Problem eher die Touris als die Omas und Teenies – von ersteren haben wir ca. 8 Mio im Jahr in der Stadt und die fahren ALLE Bahn. Und weil sie ja im Urlaub sind haben sie quasi mit dem Hotelzimmer das Anrecht auf eine entspannte Fahrt im Sitzen mitgebucht. Da steht niemand auf, nur im Weg wenn man aussteigen möchte. Oder Schulklassen auf Klassenfahrt, die eine ganze Station verstopfen, rumstehen, rumrempeln, so dass man Angst haben muss samt dem Kleinkind, dass UNBEDINGT selbst laufen will, auf den Gleisen zu landen…orrrr.

  2. Ich bin dankbar, dass ich nicht in der City lebe. Ich fahr höchstens alle 2 Wochen mal 20 Minuten Bus und steige da gleich an der Anfangshaltestelle ein (schön leer) und an der Endhaltestelle wieder aus (auch schön leer) … aber Trams tu ich mir nur an, wenn hinter mir die Welt untergeht…

  3. Bei uns sieht es etwas angenehmer aus, selten muss man bei uns Treppen rauf oder runter. Es gibt einen breiten Eingang (mit extra-Knopf für verlängertes Einsteigen) und einen Sonderplatz für Menschen mit KiWa, großem Gepäck, Rad, Rollator oder Rollstuhl. Prima so weit. ABER in den meisten Fällen ist dieser Platz besetzt von Omas mit 2 Tütchen (1 Platz für die Oma, 1 für ihre Tütchen) oder von Studenten/Schülern, die zu faul sind, einen! Platz weiter hinten zu sitzen. Oder von Menschen mit T.Steinar-T-Shirts. Und diese Personengruppen raffen das einfach nicht, sogar wenn man ihnen die Karre direkt vor die Füße stellt und böse guckt.
    Ich fahr gerne Bahn bei uns, wenn es leer ist.