Seit ich Kinder habe, die gefühlt in einer Tour quasseln und eigentlich nie und nichts für sich behalten können, fällt es mir immer deutlicher auf: Wir „Großen“ sagen sehr viel NICHT – vor allem zu anderen Erwachsenen. Ganz besonders häufig schweigen wir sogar, wenn es eigentlich etwas Nettes zu sagen gäbe; wenn wir EIGENTLICH ein Kompliment machen könnten. Davon ausgenommen sind unsere Kinder. Denen sagen wir ständig und vorn Herzen gern nette Sachen, loben sie und geben ihnen immer wieder auch verbal das Gefühl, dass sie grundsätzlich großartig sind und irgendetwas toll gemacht haben. Anderen Erwachsenen hingegen ein Kompliment zu machen, fällt uns – warum auch immer – deutlich schwerer und wird dadurch oft zu einer Hürde, die wir gar nicht erst nehmen.
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Irgendwie macht man gar nicht so oft Komplimente
Klar, z.B. dem Partner sagen, dass man ihn liebt … das machen die meisten. Aber loben und Komplimente mache ich persönlich meinem Mann ziemlich selten. Vor allem nicht für „Alltägliches“. Ich sage viel zu selten: „Ey, du bist echt ein toller Mann!“ weil ich entweder denke, dass er das wohl selber weiß, oder das ich es in den letzten 10 Jahren sicher schon oft genug gesagt habe ODER weil er mich mit irgendwas genervt hat und ich deshalb keinen Bock habe, etwas Nettes zu sagen. ;) Und so oder so ähnlich geht’s mir eben auch mit anderen Erwachsenen; mit Freunden, Verwandten und noch mehr mit „Fremden“, die mir in einer Situation begegnen. Es gibt schon oft Nettes zu sagen … aber fast genauso oft denke ich es nur.
Es scheint sowas wie eine Komplimente-Hürde zu geben, über die Kinder noch ganz lässig hinweg-hoppeln – wenn sie z.B. einfach zu jemandem sagen: „Wow, du bist aber schön!“ oder „Deine Stimme klingt so toll!“ oder „Du hast ja Prinzessinnen-Haare!“ oder „Ich liebe deinen wunderbar weichen, großen Bauch!“ Ok, letzteres fühlt sich für Mutti nicht direkt wie ein Kompliment an, ABER es ist ja so gemeint, deshalb sollte man sich vielleicht trotzdem ein bisschen darüber freuen. ;)
Dass mehr Komplimente im Alltag eigentlich ganz schön wären, fiel mir besonders auf in …
3 Situationen mit eigentlich völlig fremden Menschen:
1.: Ich rief bei einer Hotline an. Wie zu erwarten dauerte es. ABER die sich wiederholende Ansage war nett. Das fiel mir explizit auf. Als dann endlich irgendwann eine Frau ans Telefon ging, habe ich ihr daher als Erstes gesagt: „Eure Ansage ist super, wirklich richtig nett!“ Normalerweise hätte ich gar nichts gesagt, denn ich musste warten und das hat mich natürlich durchaus genervt. AUßERDEM sollte eine einigermaßen erträgliche Ansage halt einfach sein; DAS muss man doch dann nicht extra noch loben. Oder? Dennoch habe ich mir diesmal ein Herz genommen und der Frau ein Kompliment genau dafür gemacht. Sie war perplex. Also so richtig! Sie dachte sogar, ich wollte sie verarschen und reagierte entsprechend schnippisch. Erst, als ich nochmals betonte, dass ich das ernst meine, glaubte sie mir … und hat sich richtig krass darüber gefreut! Es war ein mega nettes Gespräch und ich hörte an ihrer Stimme, dass ich ihren Tag ein bisschen besser gemacht hatte mit diesem klitzekleinen Kompliment. Es war so, so schön!
2.: Ich stand an der Kasse, alle trugen natürlich Masken, es ging langsam vorwärts. Vor mir stand – mit entsprechendem Abstand – eine Frau in einem Kleid. Das Kleid war bunt und ich konnte sehen, dass es selbst genäht war. Sie sah, dass ich sie ansah und sofort verengten sich ihre Augen, weil sie erwartete, dass ich etwas Negatives sagen oder tun oder auch nur denken würde. Also holte ich schnell Luft und machte ihr ein Kompliment für das Kleid: “Sie können wegen der Maske nicht so gut sehen, dass ich lächle, aber tatsächlich bewundere ich schon seit Minuten ihr Kleid. Es hat tolle Farben und es steht Ihnen super!”
Erstmal wäre der Dame beinah alles aus dem Gesicht gefallen, glücklicherweise hielt die Maske ihre Mimik fest. :D Doch dann hat sich so wahnsinnig herzlich über dieses kleine Kompliment gefreut, dass ich mich mitfreuen musste.
3.: Wirklich total im Vorbeigehen entdeckte ich am Hosenbund eines jungen Mädchens einen mega tollen Trick, die Weite in der Taille zu regulieren. Sie hatte einfach ein buntes Band durch die hinteren drei Schlaufen gezogen und kunstvoll verknotet. Ich blieb samt Eis und Kindern neben ihr stehen und sagte: „Wow, was für eine super coole Idee!“ Sie erschrak kurz und dann freute sie sich sichtbar ein Loch in die Kiste. Und ich auch, weil ich mir diese Idee natürlich mopsen würde. :D Nur der Mann fand das bzw. mich etwas peinlich. ;)
Nach diesen Erfahrungen habe ich mir ernsthaft vorgenommen, von nun an öfter über mein Schatten zu springen und mehr Komplimente zu verteilen. Nicht nur, aber besonders, an Menschen, die ich kenne, sondern auch an jene, die mir einfach nur irgendwo, irgendwie begegnen. Weil: Es ist wirklich krass, wie wenig es braucht, jemandem eine Freude zu machen! Es ist nur ein kleiner Moment, in dem wir jemanden kurz so richtig sehen – egal ob bekannt oder unbekannt – und mit nur einem positiven Satz dessen Tag so richtig doll verbessern können. Es stimmt natürlich: Gerade bei Fremden wird sich so ein „Kompliment im Vorbeigehen“ höchstwahrscheinlich oft auf „schnöde“ Äußerlichkeiten beziehen, aber es wird dennoch gut tun, einfach mal zu hören: Mensch, diese Hose steht Ihnen aber krass gut! Oder: Ihr seid ein zauberhaftes Paar; ich wünsche euch viel Glück für die Zukunft! Oder: Mega, du hast gerade echt beeindruckend cool auf dein schreiendes Kleinkind reagiert; ich weiß, wie schwer das ist! Oder: Vielen Dank, dass Sie trotz dieser langen Schlange vor ihrer Kasse immer noch gute Laune haben.
Jupp, es gibt Leute, die finden es übergriffig, Fremde anzusprechen. Aber warum, wenn es doch etwas Nettes ist und beiden dann einen schönen Moment schenkt? Ich werde das wirklich versuchen! :D Und auch meinen Lieben um mich herum, den Großen!, möchte ich zukünftig mehr Nettes sagen. Einfach so; im Vorbeigehen. Denn Fakt ist doch: Auch unser eigener Tag wird sofort heller und schöner, wenn jemand spontan was Nettes zu uns sagt: Wie schön wäre es, wenn wir das alle öfter machen würden … wie unsere Kinder. Mit Ausnahme vielleicht von „Komplimenten“ über unsere großen, weichen Hintern, die sogar mitwackelt, wenn wir lachen. VIELLEICHT! ;)
PS: Wie immer freue ich mich, wenn ihr diesen Beitrag teilt! <3
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Liebe Anke,
Du hast völlig Recht. Wir verteilen und erhalten viel zu wenig Komplimente. Das ist eins der Dinge, die wir von unseren Kindern lernen können. Wie wäre es mit einem Beitrag zum Thema, “Was wir alles von unseren Kindern lernen können?”.
??
Wir haben es uns angewöhnt öfter mal Danke fürs Essen zu sagen… “Danke, dass du für uns gekocht hast”
Und wenn die Kids dann sagen “Dein Essen schmeckt heute super lecker. Danke fürs kochen” dann strahlen nicht nur die Omis, sondern auch ich.
Die meisten Komplimente erntet hier übrigens der Mann… wenn Mama kocht ist das immer so. .. “naja” ?
Ich erinnere mich immer noch an den Kommentar eine Bus Ticket Verkäuferin am Flughafen in Edinburgh: wow, i Love your Hair color. Amazing!
Das ist jetzt über 10 Jahre her aber hat mich so gefreut. Auch weil es unerwartet von einer Fremden ohne besonderen Anlass kam.
Seitdem versuche ich etwas auch öfters.