Am 21.02.2019 soll der kleine Bruder meines Filious auf die Welt kommen.
Am 21.02.2016 kam der Filou auf die Welt. Und in diesen bald drei Jahren wollte ich wirklich gern einen Geburtsbericht schreiben – so richtig wollten mir die Zeilen aber nicht von den Fingern gehen.
Denn, obwohl der kleine Mann spontan auf die Welt kam, konnte diese Geburt nicht so richtig mit der schönen Story mithalten, die ich mir vorher gewünscht hatte.
Mittlerweile weiß ich, dass es traumatisierend für mich war, weil ich nicht ernstgenommen und zwischendurch immer wieder sehr einsam war. Vor Allem hatte der Filou Start
Schwierigkeiten – er steckte zu lang im Geburtskanal. das lag nicht an mir – sondern an der Hebamme.Sie war unaufmerksam. So hatten der Filou und ich in der ersten Woche keine Kuschelzeit und die Aussöhnung mit der Geburt blieb aus. Ich fühlte mich quasi nach dem wunderschönen Geburtsmoment Hormonunterbesetzt. es entwickelte sich eine Depression daraus. Deshalb fehlen mir auch die Details, die ich so gern dazu schreiben würde. Trotzdem möchte ich nun gerne mal aufschreiben, wie das so war – für Andere, aber vor Allem für mich, da Schreiben und teilen für mich eigentlich schon immer der Weg war, Dinge zu verarbeiten. Wichtig zu sagen ist mir aber: Heute ist der Filou gesund. Und wir eine glückliche Familie.
Als der Filou geboren wurde, war ich 21 Jahre alt und hatte eine aufregende und anstrengende Schwangerschaft hinter mir. Der Papa und ich kannten uns noch nicht lang und unser Lebensplan sah weder eine Beziehung noch ein gemeinsames Leben vor – und meiner kein Kind. Der Filou kam trotzdem und ich nutzte die ersten zwölf Wochen für Beratungsgespräche und Gefühlsduselei, bis ich mich auf die Vorfreude einlassen konnte.
Nach diesen (unauffälligen) zwölf Wochen begann ich mein faszinierendes Großstadt-Jugebdleben, meine Liebe zu Abenteuern auf Festivals und dem Kiez, nach und nach gegen die Elternfilterbubble umzutauschen. Ich las von Geburten, Hypnobirthing und Hebammenmangel, Spucktüchern und Liebe auf den ersten Blick.
Außerhalb der socialmedia kämpfte ich mit Verlustangst und dem geplanten Umzug in die Kleinstadt, in die Nähe der Familie, zusammen mit dem Filoupapa.
Wir scherzten. Der Filou sollte an meinem Geburtstag kommen. In einem Schaltjahr rechneten wir mit dem 29. Februar, aber ich dachte so früh würde das nicht losgehen.
Ich musste Insulin spritzen, hätte sehr viel zugenommen, fiese Rückenschmerzen und ab der 30. Woche immer mal wieder wirksame Wehen. Also engmaschige Untersuchung.
Immer mal wieder ein paar Tage Krankenhaus, 30km entfernt weil die Entbindungsstation in meiner kleinen Stadt keine Mütter mit Diabetis aufnahm.
Am 17. Februar begann der letzte Aufenthalt. Die vier Tage vor der Geburt zogen sich hin. Ich ahnte, dass ich dieses Mal nicht ohne den Filou auf meinem Arm nach Hause kommen würde.
Am Tag bevor es wirklich losging, kam mein Papa zu Besuch. Zusammen mit seiner Freundin und meiner Oma, der Filoupapa musste arbeiten. Die Ärztin hatte mich vorher untersucht – ohne viele Worte und es hatte sich angefühlt, als hätte sie meinen Muttermund mit zwei Fingern extra aufgerissen. Das waren Schmerzen!
Ich war sehr überrascht, als ich beim Kaffee mit meiner Familie bemerkte, dass ich blutete. Und wie ich nun mal war, lachte ich. “Geht wohl dich schon los,” scherzten wir, uns verabschiedend. Ich kehrte zurück auf Station. “Das ist normal nach der Untersuchung” sagte man mir.
Die Krämpfe die ich fühlte, waren auf dem CTG nicht sichtbar. “So wie sie lächeln, bekommen Sie heute kein Kind,” sagte man mir.
Die Schmerzen aber blieben. Dass es Sehen Waren, konnte ich selbst schon nicht mehr glauben, das CTG zeigte sie schliesslich nicht an. Dass es auch für das CTG unsichtbare, wirksame Wehen gab, wusste ich da noch nicht.
Ab 17.oo lag ich auf meinem Zimmer. Nach dem Abendbrot fragte ich nochmal, ob ich vielleicht untersucht werden könne. Stattdessen bekam ich Schmerz- und Beruhigubgsmittel.
Sie wirkten nicht. Ich war hellwach. Alle paar Minuten hatte ich Schmerzen. Ich telefonierte mit meiner Mama und mit einer Freundin. Um elf fuhr meine Mutter mich durchs Telefon an, ich solle mich noch einmal an die Schwestern wenden, das wäre doch definitiv die Geburt!
Bestärkt ging ich zum Dienstzimmer und klopfte zaghaft an.
“Ich wollte nur fragen… müssten die Mittel nicht langsam wirken?”
Die Schwester blickte in die Akte, sah mich an und grinste. “Na ich wäre drei Tage lahm. Ich denke Sie können in den Kreissaal”.
Von da an nahm ich alles ein Wenig wie im Nebel
Wahr. Ich würde nochmal ans CTG angeschlossen und hinterließ ratlose Gesichter. Da waren Wehen zu sehen – aber sie passten nicht zu meinen Beschreibungen. Eine andere junge Frau tigerte wie ich durch die Flure. Ihr Freund kam an und unterstützte sie. Ich veratmete die Wehen allein und versuchte es so zu machen, wie im Geburtsvorbdreitungskurs beschrieben.
Ich hatte noch niemanden informiert – noch nicht realisiert dass es wirklich losgehen sollte.
Die vier Kreissäle waren belegt. Und ich und die andere Frau warteten.
Irgendwann, ich kniete gerade auf dem Boden, kam eine Hebamme. “Oh haben sie ihren Freund schon angerufen? Oder ihre Eltern? Die kommen doch von weiter weg, hoffentlich schaffen die es rechtzeitig!”
Mehrere Gefühle in schneller Abfolge überschwemmten mich. Glückseeligkeit: Das hier waren nicht irgendwelche Schmerzen, es waren Wehen. Mein Sohn würde auf die Welt kommen! Panik: Es wäre niemand meiner Vertrauten hier, wenn es soweit wäre. Trauer: So hatte ich mir das sicher nicht vorgestellt.
“Ein Kreissaal ist jetzt frei und sauber!” Rief eine Schwester. Schnell wurde die andere Frau hinein begleitet und ich fluchte. Sie hatte erst viel kürzer Wehen als Ich! Wie unfair!
Ich fühlte mich, als würde ich an der falschen Schlange im Supermarkt stehen. Und ich hätte schwören können so war mein ganzes Leben.
Ja wirklich, diesen Gedankengang hatte ich, als ich da vor der gläsernen Tür stand!
Ich wählte mit dem Handy die Nummern durch, erreichte aber Niemanden. Irgendwann rief ich vor lauter Verzweiflung einen Bekannten an, der in der Nähe meiner Eltern wohnte. Inzwischen wurde der Vorraum vom Kreissaal frei und ich durfte hinein. Die Hebamme wollte mich untersuchen.
“JETZT NICHT!” schimpfte ich und erklärte dem Bekannten die Lage. Halb verschlafen fluchend versprach er mir, “sie alle zu wecken und ihnen die Hölle heiß zu machen!”
“Ich bin Marie und ich werde Sie heute Abend begleiten”, sagte eine Frau vor mir kniend. “Ich hab den Namen gleich vergessen aber danke”, lächelte ich höflich.
Empört blickte die Frau mich an. “Ich bin Ihre Hebamme!”
Übrigens – Sie hieß Marie – Luise. Ich erinnere mich genau an Sie, aber nicht wegen ihrer tollen Arbeit. Sondern weil ich mir schwor, nie wieder mit ihr ein Kind zu bekommen.
Ich wehte eine Stunde lang in diesem Raum vor mich hin. Dann ging es in den Kreissaal. Ich war allein am CTG, ich durfte nicht aufstehen. Ich wünschte mir den Pezziball aus dem Gebzrtsvorbereitungskurs.
Aber es war keine Hebamme da. Ich musste am CTG bleiben (das inzwischen ausschlug) zur Überwachung.
Nach einer Stunde kamen mein Freund und meine Stiefmutter an. Aufgeregt erzählten sie mir von Steinen an Fenstern und stummen Telefonen.
Immer wieder Wehen. Einmal die Stunde Untersuchungen. Alles so, wie es sein soll. Alles gut.
Ich atmete und stöhnte und schimpfte und freute mich. Meine Cousine war extra aus Schwerin losgefahren. Wollte mich begleiten. Für mich da sein.
Na h Stunden bekam ich ein Update. “Sie ist bald da”. Ich schimpfte. “MIR DOCH EGAL!”
Die Beruhigungsmittel wirkten jetzt. Schmerzen, dann Sekundenachlaf.
Wehe, Schlaf. Dumpfer Nebel. Wehe. Ich nahm kaum auf was um mich rum passierte. Bei einer Untersuchung, wir waren bei 8cm, sprang die Fruchtblase. Ich glaube Immernoch, die Hebamme hat sie aufgemacht. Es war ein seltsamer Zufall.
Irgendwann kam meine Cousine.
“Endlich bist du da”, sagte ich leise. “Ja, ich bin jetzt da.”
Und sie übernahm den Job der Hebamme. Fragte mich, wie es mir ging. Leitete mich an. Atmete mit mir. Lobte mich, hielt mein Bein für mich, machte mir Mut. Ich hyperventilierte. Wehenschwäche. Also Wehenmittel. Die Schmerzmittel nach denen ich irgendwann verlangt hatte, bekam ich nicht.
“Sie atmen gut” sagt die Hebamme, mit dem Rücken zu mir. Ich atme nicht gut. Ich hyperventiliere. Immer wieder das Gefühl mich übergeben zu müssen. Wasser trinken. Der Filoupapa reicht mir hilflos Wasser.
Meine Cousine bringt mich zum lachen, erklärt so gut sie kann durch den Nebel und meine Angst was passiert.
“ICH KANN NICHT MEHR!”, rufe ich irgendwann. Lang durfte ich nicht pressen, irgendwann musste ich. Ich durfte dann, obwohl wir von den 8cm nicht wegkamen.
“Doch, Sie können.” Die Hebamme, die ihren Job nun doch macht, zusammen mit einer anderen- es ist jetzt etwa zehn vor sechs- legt meine Hand zwischen meine Beine. Da ist der Kopf des Filous. Und ich kann.
Mit zwei weiteren Wehen ist der Filou draußen.
Der Papa schneidet die Nabelschnur durch. “Sie sind dran”, sagt eine Hebamme und hilft mir, mich hinzusetzen. Ich soll dieses kleine, zarte Wesen anheben, dass da liegt.
“Ich kann nicht. Ich mach es kaputt!” Sage ich. “Ach was!” Ich lege meine Hände unter das Baby. Ich hebe es auf meine Brust und wir legen uns wieder hin.
Der Filou guckt. Er guckt mich an mit einem wackligen Kopf. Er hebt ihn an und sucht, das erste Mal nach meiner Brust.
“Du bist jetzt eine Mama.” Sagt meine Cousine.
Ich denke tatsächlich an nichts. Ich hatte es für Kitsch gehalten “Der Geburtschmerz und alles sind vergessen, wenn du das Kind im Arm hältst”.
Ich sehe das Baby an. “Ja, ich bin eine Mama” sage ich.
Diesen schönen Geburtsbericht hat Kaddi geschrieben :)