Vor einem halben Jahr lernte ich Stephi kennen und führte ein sehr emotionales Interview mit ihr. Denn: Zu diesem Zeitpunkt litt die junge Mutter einer kleinen Tochter von 2 Jahren akut unter einer Depression mit Burnout. Sie stand ganz am Anfang ihrer Behandlung, wusste eigentlich gar nicht so recht, wo ihr der Kopf steht, wollte aber dennoch gerne und maßgeblich zu dieser Veröffentlichung beitragen, da sie – wie ich – der Meinung war, dass das Thema unbedingt mehr Gehör finden sollte. Mütter haben nun mal Grenzen! Mütter brechen zusammen! Mütter benötigen Hilfe! Und zwar manchmal mehr als nur ein bisschen im Haushalt. Das macht uns nicht weniger zu den Superhelden, die wir für unsere Kinder sind – das macht uns ausschließlich normal. So normal wie es sein sollte, über Depressionen und/oder Burnout zu sprechen.
Um das Thema noch einmal aufzugreifen und weil viele Leser/innen danach gefragt haben, gibt es nun ein Update von Stephi: Sie hat alle Fragen noch einmal beantwortet – aus ihrer heutigen Perspektive:
Anke: Liebe Stephi, als erstes möchte ich mich bei dir dafür bedanken, dass du dir die Zeit nimmst, meine Fragen zu diesem sehr persönlichen Thema zu beantworten. Leider ist folgende Frage in unserer Gesellschaft längst zu einer Floskel zusammengeschrumpft, auf die nur die wenigsten tatsächliche eine ehrliche Antwort erwarten, aber ich möchte dennoch genau damit einsteigen: Wie geht es dir?
Stephi: Hallo und wieder meine liebste Frage :D Aber hey, das habe ich auch in meiner Therapie gelernt (näheres gleich): Wer fragt, muss auch mit einer ehrlichen und vielleicht unbequemen Antwort rechnen: Mal so, mal so. Aber besser als beim 1. Interview.
Anke: Wie reagieren die Menschen, wenn du so ehrlich antwortest?
Stephi: Na ja, nach wie vor sind viele irritiert. Man rechnet nun mal mit dem gängigem „Gut“. Und auch das habe ich gelernt: Die Reaktion einfach mal wirken lassen. Ich muss nicht das betretene Schweigen abtun und meine Aussage dadurch abmildern oder abschwächen. Ich DARF das nämlich sagen – ich wurde schließlich gefragt.
Zurück zur Reaktion. Das Abwarten und Schweigen irritiert dann noch mehr. Je nachdem wer mir gegenüber steht, helfe ich dann weiter. Oder gehe. Denn im Gegensatz zu allen anderen, interessiert es mich tatsächlich nicht immer, wie es dem Gegenüber geht.
Anke: Was lösen diese Reaktionen in dir aus … wenn deine Probleme nicht ernstgenommen werden, obwohl du versuchst, dich zu öffnen?
Stephi: Das Schöne an meiner Therapie ist einfach, dass ich eine Menge gelernt habe. Nicht nur durch die Therapeuten, sondern ganz viel mit und von den anderen Patienten. In der Gruppensitzung sagte ein Psychologe immer: „Denken Sie daran, Sie haben wahrscheinlich nie wieder so viel Lebenserfahrung in einer Runde wie hier.“
Ich habe erfahren, wie es ist, Verständnis zu bekommen. Ich habe erfahren, klare Worte zu bekommen und vielleicht auch mal eine Ansage auszuhalten. Manchmal ist das nämlich durchaus notwendig. Und wenn jetzt mit Unverständnis reagiert wird (von meinem Mann oder Familie), gehe ich offensiver damit um.
Ich kann jetzt mich, meine Krankheiten, anders und besser verstehen, aber auch die Menschen, die solche Gefühle und Gedanken nicht kennen. Sage aber auch klar, dass ich nicht unbedingt Verständnis brauche oder will, aber mich zumindest erklären möchte. Notfalls mit etwas Nachdruck.
Meine Mutter z.B. findet es unglaublich schrecklich, dass ich wieder depressiv bin, erneut in einer Klinik war und für sie ist es völlig unverständlich, wenn jemand nicht aufstehen KANN, es nicht schafft, sich um das Nötigste zu kümmern, oder wenn man den Haushalt liegen lässt. Genau so wurde ich erzogen und genau das will ich nicht. Ich habe in der Therapie gelernt, dass es okay ist zu weinen. Auch mal vor dem Kind. In einer Gruppe wurde mir vom Psychologen dazu folgendes gesagt: „Wissen Sie was sie ihrer Tochter damit antun, wenn sie vor ihr weinen?“ Ich hatte schon Panik, aber…: „Sie bewahren sie davor, selbst eine Depression zu bekommen! Indem Sie zeigen, dass weinen okay ist und das Leben dann aber weiter geht!“ Dieser Satz ist mir sehr gut in Erinnerung geblieben und ich würde ihn am liebsten JEDER Mutter sagen. Wir sind Menschen und die haben nun mal viele Facetten an Emotionen. DAS aber erst mal zu erkennen und zuzulassen, war für mich unglaublich schwer. Da spielte eben meine Erziehung eine Rolle.
Und ja, ich distanziere mich jetzt von so was. Wenn erklären dann auch nicht hilft, dann kann ich es nicht ändern. Ich kann aber entscheiden, es nicht mehr an mich ranzulassen. Und wenn es Freunde sind, die sich so verhalten, dann sind es in meinen Augen keine Freunde.
Anke: Wann wusstest du, dass es mehr ist, als „nur“ eine schlechte Phase und das du echte Hilfe benötigst?
Stephi: Ich hatte ja bereits einmal eine Depression und erkannte die Zeichen immer öfter und häufiger und natürlich mein aggressives Verhalten gegenüber meiner Familie, die meine Unzufriedenheit und Überforderung spiegelten. Letztendlich wurde der Druck, der von der Familie und mein eigener, so groß, dass ich beschloss, in die Klinik zu gehen bzw. mir vorerst ambulante Hilfe zu suchen.
Anke: Wie sieht die Hilfe aus, die du dir holst bzw. geholt hast?
Stephi: Ich habe mir einen ambulanten Therapeuten gesucht und er hat mich dann bis zur Aufnahme in der Tagesklinik wöchentlich betreut. Dann war ich 9 Wochen in der Tagesklinik und habe dort viel erreicht und gelernt.
Jetzt bin ich weiterhin in ambulanter Therapie und stehe auf der Warteliste für eine sogenannte „Skills -Gruppe“. Skills helfen, bei bestimmten Krankheitsbildern, aus den alten Mustern auszubrechen oder sich z.B. nicht selbst zu verletzen, sondern eine Alternative zu haben.
Anke: Welche Auswirkungen hat dein Burnout auf deine Familie? Wie geht ihr damit um?
Stephi: Schwierig. Auch bei meinem Mann stoßen wir kräftemäßig im Moment an die Grenzen. Es ist im Moment alles ziemlich zerbrechlich. Meine Phasen schwanken noch sehr und in einer Woche könnte ich die Wohnung hier auseinander nehmen, putzen, aufräumen und habe alles im Griff. In der nächsten Woche fällt es mir wieder schwer aufzustehen, ich bin ständig müde und habe keine positiven Gedanken.
Das macht es für meine Familie schwer, etwas zu planen. Mir fällt es dann schwer, den Alltag zu bestreiten und wir müssen und dahingehend noch finden. Uns Wege erarbeiten, wie wir damit umgehen und das ist leider auch nicht innerhalb der 9 Wochen Therapie möglich.
Ein Paargespräch hat uns geholfen und eine Richtung gegeben und trotzdem ist es jeden Tag noch ein „Kampf“ und wir müssen viel reden, ausprobieren und all die Werkzeuge, die uns/mir an die Hand gegeben wurden, in den Alltag einbauen lernen.
Anke: Wie lange wird es dauern, bis es dir besser geht mit der richtigen Therapie und Betreuung?
Stephi: Also die 9 Wochen Tagesklinik waren intensiv, aber hilfreich. Natürlich hat es mir geholfen, dass ich bereit und offen für die Therapie war. Da ich noch eine neue Diagnose bekommen habe und auch damit erst umgehen lernen muss, wird es noch Zeit in Anspruch nehmen.
Aber ich habe trotzdem viel gelernt – und tue es noch – und das macht mich stabiler. Ich weiß aber auch, dass es immer wieder Phasen gibt, in denen es mir weniger gut geht. Mir ist wichtig zu lernen, diesen Phasen durch Achtsamkeit vorzubeugen oder sie zumindest zu kürzen und das die Abstände größer werden.
Anke: Was würdest du dir zukünftig von der Gesellschaft wünschen im Hinblick auf Burnout bei Müttern?
Stephi: Nach wie vor mehr Aufklärung und vor allem Prävention. Von Ärzten, Kindergärten und Schulen. Gegenseitige Achtsamkeit unter Eltern und zwischen Betreuern und Eltern. Und überhaupt mehr Aufgeschlossenheit gegenüber psychischen Erkrankungen. Ich finde diesen „Stempel“ ungerecht und nicht zeitgemäß.
Fakt ist: Niemand muss sich für eine Krankheit (oder Erziehungsstil, oder überhaupt?!) rechtfertigen. Ich würde mich auch wünschen, dass mehr erkrankte sich trauen zu sprechen. Offen und vor allem öffentlich. Und das es mehr Raum (in Kindergärten, Schulen, Selbsthilfegruppen) für Eltern mit solchen Erkrankungen gibt. Für den Austausch, untereinander aber auch gern mit anderen. Vielleicht kann man von einigen Tipps profitieren oder es wird vorgebeugt.
Das ist der Stand der Dinge: Aktuell bin ich noch krankgeschrieben, habe aber Pläne für meinen beruflichen Weitergang. Ich hoffe, ich kann alles so umsetzen – und das die Trotzphase weniger anstrengend wird :D
Ihr redet von Ehrlichkeit…. Aber selbst scheint sie nicht ehrlich zu sein. Sie leidet anscheinend unter Borderline… Da werden Skills und Co angewandt. Bei anderen Krankheitsbildern nicht. Nix Burnout.
Unehrlich ist sie oder sind wir sicher nicht. Und ich bin ziemlich sicher, dass ihre Ärzte sie schon richtig diagnostiziert haben :-*
Danke Stephi dass du deine Geschichte und Erfahrungen mit uns teilst.
Ich wünsche dir alles Gute für DEINEN weiteren Weg.
Ich finde das Interview toll. Sehr emotional auf der einen Seite und so positiv auf der anderen Seite. Ich finde es toll, dass du den Weg gehst, liebe Stephi und deinen Weg zurück findest. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute hierfür. Du wirst deinen Weg sicher machen!
Kurze Frage: ich habe vor drei Tagen einen Artikel zum Thema Burnout bei Eltern geschrieben; darf ich deinen Artikel verlinken, liebe Anke?
Hier zum Nachlesen: https://fulltime-magazin.de/eltern-burnout/