Jedes Mal, wenn ich in irgendeinem Bereich zur Krebsvorsorge gehe, thematisiere ich es zumindest in meiner Instagram-Story, weil ich weiß, dass viele hin und wieder einen kleinen Reminder brauchen, um sich in den durchaus heutzutage harten Kampf um einen Termin bei einem Facharzt zu stürzen. Oft sind Vorsorge-Untersuchungen auch gar nicht kostenlos … noch ein Grund, warum viele nur das machen, was von den Kassen übernommen wird und dabei die vielleicht (individuell oder schlicht medizinisch) besseren Möglichkeiten auslassen. Und on top kommt bei einigen auch noch Angst als Hürde, die schwer genommen wird. Angst, vor einem negativen Ergebnis. Klar wissen wir alle, das sich hier die Katze in den Schwanz beißt … aber machen wir uns nichts vor: Angst ist ein starkes Gefühl und niemand sollte sich deswegen rechtfertigen müssen.
Nichtsdestotrotz ist Krebsvorsorge super wichtig. Sehr sogar. Nochmal mehr für Mütter, findet eine Leserin aus unserer Community, die erst nur an mich einen Brief schrieb. Einen sehr emotionalen und bestimmt aufwühlenden, deshalb setzte ich hier eine
TRIGGERWARNUNG!
In diesem offenen Brief an euch alle wird eine sehr persönliche Geschichte erzählt, in der es um den Krebs-Tod einer Mama geht und welchen Einfluss der große Verlust auf ihre Kinder hatte. Es tut weh, diesen Brief zu lesen; dennoch bin ich dankbar, dass ich ihn veröffentlichen darf. Denn: Wir Mütter leben nicht nur für uns selbst. Unsere Kinder brauchen uns viel länger und intesiver, als wir manchmal denken.
Passt auf euch auf. Und geht zur Krebs-Vorsorge. :-*
Krebsvorsorge: Offner Brief einer Tochter
Hallo an alle lieben Eltern da draußen,
ich würde euch gerne einmal in ein paar ruhigen Minuten dazu einladen, einen kleinen Perspektivwechsel beim Thema Krebsvorsorge mit mir zu machen.
Wir wissen alle, dass Krebsvorsorge super wichtig ist, und dennoch gehen viele nicht hin. Das kann sehr vielfältige Gründe haben, wie keine freien Termine oder man muss es selbst zahlen oder es ist einfach der Alltag der einem dazwischenkommt. (Das Gesundheitssystem möchte ich an dieser Stelle bitte nicht diskutieren. Das ist nochmal ein anderes Thema.) Dennoch möchte ich euch dazu aufrufen, diese Vorsorgetermine wahrzunehmen und ernst zu nehmen. Denn drehen wir die Perspektive doch einmal um und schauen uns das ganze aus den Kinderaugen an.
Als ich 12, fast 13 Jahre alt war, ist meine Mutter nach 2-3 Jahren Krankheitsgeschichte an Brustkrebs gestorben. Warum? Weil es zu spät erkannt wurde. Leider wurde die Krebsdiagnose erst gestellt, als der Krebs bereist gestreut hatte und auch die Knochen befallen hat. Was hat das für mich und meine Schwester bedeutet? Wir haben unsere Mama verloren, als wir im Prinzip noch Kinder waren, und es wird für den Rest unseres Lebens Auswirkungen auf uns haben. Meine Konfirmation hat Mama nicht mehr erlebt. Mein Abitur ebenfalls nicht. Bei meinem Auszug hatte ich keine Mama, die mir geholfen hat. Den Beginn meines Studiums hat sie nicht mitbekommen. Als ich mein Bachelor-Zeugnis in der Hand gehalten habe, war sie nicht mit dabei. Dass ich jetzt mein Masterstudium mache mit dem Ziel in die Krebsforschung zu gehen, kann sie nicht miterleben. Versteht mich nicht falsch, mein Vater ist der beste Mensch auf diesem Planeten und hat alles getan, damit meine Schwester und ich bestmöglich aufwachsen. Aber der fehlende Platz ist immer da.
Denn im Laufe des Erwachsenwerdens und auch als junger Erwachsener kommt immer wieder die Frage nach den Eltern auf; nicht nur beim Kennenlernen von neuen Leuten, sondern auch in Situation, bei denen man das vielleicht nicht bedenkt. So wird man gefragt: „Kommen deine Eltern zum Konzert/ zum Auftritt/ zum Spiel (welches Hobby auch immer man so macht)?“ Wenn ich dann sage, dass es mein Vater leider nicht schaffen wird, kommt die nächste Frage: „Aber deine Mutter kann doch kommen“. Und dann stehst du da und überlegst dir, was sage ich jetzt, ohne die Situation unangenehm zu machen. Oder eine andere Situation: Meine WG im Studentenwohnheim hat einen neuen Mitbewohner. Er hat gefragt, ob wir ihm zeigen können, wie man wäscht und ob wir das von unseren Eltern gelernt haben. Tja, in meinem Fall hat es mir nicht meine Mama gezeigt. Ich musste nur schon mit 11/12 Jahren im Haushalt mithelfen, weil mein Vater es alleine nicht geschafft hätte, als meine Mutter zwischendrin im Krankenhaus war bzw. als sie dann nicht mehr bei uns war. Meine Mama war immer für die Wäsche zuständig, Papa hat dagegen lieber gekocht. Nun mussten wir die Wäsche alleine, ohne sie, machen. Das hat dann auch schonmal zu plötzlich pinken oder gräulicheren Klamotten geführt. Mir hat das Wäschewaschen also niemand gezeigt, sondern ich habe es einfach von heute auf morgen machen müssen und dann aus den Fehlern gelernt.
Aber es ist ja nicht nur die Zeit nach ihrem Tod, der einen Einfluss auf unser Leben hat. Wir haben auch 2-3 Jahre als Kinder mit ansehen müssen, wie unsere Mama immer weniger unsere Mama war. Damit meine ich nicht den Charakter, aber das Bild nach außen hat sich verändert. Wir haben gesehen, wie unsere unfassbar starke und aktive Mama, auf der wir rumklettern durften und die Arbeit, Ehrenamt, Hobby und Kinder aus unserer Sicht mit links hinbekommen hat, sich nicht mehr die Schuhe alleine anziehen konnte und wie sie an einem Rollator gehen musste. Irgendwann brauchte sie dauerhaft Sauerstoff. Das Gerät dazu hat man durch das ganze Haus gehört und dazu gab es einen super langen Schlauch, damit sie durch das ganze Haus laufen konnte, ohne das Gerät mitzunehmen. Bzw. genau genommen war es nicht das ganze Haus, sondern nur das Erdgeschoss, denn die Treppe ist sie nicht mehr hochgekommen. Am Anfang habe ich mich darüber ja noch gefreut, dass sie nicht mehr in mein Zimmer hochgekommen ist. So konnte sie mir nicht sagen, dass ich aufräumen sollte. Aber irgendwann kam ich an einen Punkt, wo ich mich selbst darüber gefreut hätte.
Was ich euch mit all dem sagen möchte: Natürlich solltet ihr in erster Linie für euch selbst zur Krebsvorsorge gehen. Aber diese Vorsorge-Termine sind nicht nur für euch selbst wichtig, sondern auch für eure lieben Menschen um euch herum, insbesondere für eure Kinder. Denn sie sind am Ende diejenigen, die lernen müssen, ohne euch zu leben, und für immer damit zurechtkommen müssen, dass die große Lücke niemals ganz geschlossen werden kann.
Und sollte bei der Untersuchung doch was negatives bei rauskommen, was wir alle nicht hoffen: Redet mit euren Kindern da offen drüber (natürlich immer kindgerecht). Kinder bekommen mehr mit, als ihr denkt. Meiner Schwester und mir wurde es nicht erzählt, obwohl von Anfang an feststand, dass Mama sterben wird. Wir haben nur 2-3 Jahre gesehen, wie es ihr immer schlechter geht, ohne zu wissen warum, und haben viel Zeit im Krankenhaus verbracht. Mama wollte uns nur schützen. Papa hat das respektiert und uns ebenfalls nichts erzählt. Mama wollte nicht, dass wir uns ihr gegenüber anders verhalten. Sie wollte, dass wir einfach ganz normale Kinder sein können. Und trotzdem: ungefähr 1 Jahr bevor sie gestorben ist, hatte ich auf einer Klassenfahrt Angst, dass sie nicht mehr lebt, wenn ich wiederkomme. Mit anderen Worten: uns wurde nichts von ihrer Krankheit erzählt, aber ich habe als Kind bereits gespürt, dass sie gehen wird. Dennoch war immer die Hoffnung da, dass es nie dazu kommt, denn bis jetzt hatte es ja noch niemand angesprochen. So haben wir am Abend vor ihrem Tod erst erfahren, dass sie es nicht schaffen wird. Das war dann ein Schock und kein langsamer Abschied. Denn leider konnten wir uns vor ihrem Tod nicht mehr von ihr verabschieden, weil sie nur noch einmal ganz kurz aufgewacht ist, um uns zu fragen, ob wir einen schönen Tag hatten. Danach ist sie wieder eingeschlafen und wir hatten keinen Abschied. Also überlegt euch in so einem Fall bitte lieber, wie ihr es euren Kindern passend erklären könnt, als sie am Ende unvorbereitet in so ein schlimmes Erlebnis reinlaufen zu lassen.
Ich weiß, dass Krebsvorsorge echt kein einfaches Thema ist. Der Alltag kann einem dazwischen rutschen und die Arztsuche kann wirklich die Hölle sein, weil man die Untersuchung selbst zahlen muss oder man keinen Termin bekommt oder aus welchen Gründen auch immer. Jede Person von euch, die nicht hingeht, wird ihre individuellen Gründe haben. Deswegen möchte ich euch einmal ausdrücklich sagen, ich verurteile niemanden dafür, nicht hinzugehen. Mir liegt das Thema einfach nur sehr am Herzen. Denn es ist einfach unfassbar wichtig, für euch selber und die lieben Menschen um euch herum.
Und an alle, die Angst vor der Untersuchung haben oder denen ich jetzt vielleicht erst Angst gemacht habe: Die Vorsorge ist dazu da, dass Krebs früh erkannt wird. Denn wenn man ihn früh erkennt, stehen die Heilungschancen mittlerweile ganz gut. Also habt keine Angst vor dem Ergebnis und lasst euch davon nicht lähmen. Eure Kinder werden euch sehr dankbar sein.
Ich vermute, euch ist als Eltern durchaus bewusst, dass ihr gebraucht werdet. Aber vielleicht gibt euch dieser Perspektivwechsel noch einmal einen kleinen Schubser in die richtige Richtung, zum Arzt zu gehen, auch wenn es nervt. Denn wir Kinder lieben doch unsere Eltern und wollen sie in unserem Leben haben, auch wenn wir euch manchmal in den Wahnsinn treiben können.
Ganz liebe Grüße und ganz viel Gesundheit wünscht euch eine erwachsene Tochter, die ihre Mama für immer in ihrem Herzen behalten wird.