Zurückstellung
Rabenmutter 2.0 Tipps & Tricks

Einschulung: Wie ich das Thema „Zurückstellung“ erlebt habe.

Wir haben für unser Söhnchen dieses Jahr eine „Zurückstellung“ erwirkt. D.h. er sollte eigentlich diesen Sommer mit (noch) fünf eingeschult werden, aber aus verschiedenen Gründen wollten wir ihm gerne noch ein weiteres Jahr Kita gönnen. Um das zu ermöglichen, bedurfte es einiger Vorarbeit und viel Glück, denn wenn ein Kind kein sogenanntes „Kann-Kind“ ist – also nicht in diesen von den Bundesländern recht individuell gesetzten Slots geboren wurde, in denen die Eltern entscheiden können, ob das Kind schon eingeschult wird oder lieber noch etwas länger in der Kita bleibt – ist das gar nicht so einfach. Unsere Große war ein Kann-Kind; bei ihr trafen wir die Entscheidung, sie erst mit fast 7 Jahren einzuschulen schon recht früh, weil sie gerne in die Kita ging und wir wussten, dass sie nichts vermissen würde. Beim Krümelchen waren wir lange unsicher, da er kognitiv immer recht fit für sein Alter war und ist, ob es nicht vielleicht ok wäre, ihn tatsächlich schon mit 5 Jahren einzuschulen. In NRW ist der Stichtag immer noch so weit hinten im Jahr, nämlich erst am 30.09., dass hier viele 5-jährige im Klassenzimmer landen. Das ist natürlich nicht per-se schlecht, ABER wenn ich jetzt mal so ganz subjektiv meinen Eindruck wiedergebe – der daraus resultiert, dass mir glücklicherweise auf meinen Social Media Kanälen krass viele Pädagogen aus Schulen und Kitas in ganz Deutschland folgen, die sogar Bock haben, sich mit mir auszutauschen ;) – muss ich sagen: Offenbar finden die meisten Lehrer*innen und Erzieher*innen das gar nicht mal so gut und haben dafür auch viele fachliche, absolut plausibel klingende Argumente! Was natürlich die Frage aufwirft, warum das immer noch gemacht wird in NRW (und ein paar anderen Bundesländern) und warum es so schwer ist, ein Kind eben NICHT so früh auf eine Schulbank zu setzen … warum dieser späte Stichtag Eltern in die unangenehme Lage katapultiert, NACHWEISEN zu müssen, dass das eigene Kind irgendwelche Defizite hat … obwohl es mit 5 halt meist schlicht noch (und das völlig zu Recht) zu KINDLICH ist, zu verspielt, eben NICHT schulreif. Das allein reicht aber oft gar nicht; es müssen ECHTE Defizite her.

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Außerdem ist noch folgendes spannend und vielen – mich eingeschlossen – zu Anfang gar nicht klar: Nach geltender Rechtslage können schulpflichtige Kinder nur aus erheblichen gesundheitlichen Gründen für ein Jahr zurückgestellt werden. Die Entscheidung trifft die Schulleitung auf der Grundlage des schulärztlichen Gutachtens. Die Eltern sind anzuhören! DAS steht auf der Seite des Schulministeriums NRW. BÄM. Und hey, tatsächlich ist es schon eine Verbesserung, dass Eltern dazu zumindest „angehört“ werden müssen, denn das war nicht immer so.

Zurückstellung der Einschulung – ein schwieriges Thema

Also: Ob ein Kind (früh, trotz Bedenken oder mit Problemen jeglicher Art) dennoch eingeschult wird, entscheidet jemand, der das Kind maximal einmal gesehen und gesprochen hat, hauptsächlich aufgrund der Aussagen anderer, die das Kind maximal einmal gesehen haben. Wenn man DAS nicht so gerne möchte, muss man frühzeitig selbst recht aktiv werden … und sich selbst ganz doll Glück wünschen. Denn was ich dazu in den letzten Monaten alles an Geschichten und Erfahrungsberichten zugetragen bekommen habe, zeigt leider folgendes: Ob man eine gewünschte Zurückstellung hinbekommt, ist eine wahnsinnig individuelle Nummer, da es krass wenig allgemein gültige Regeln dafür gibt. Im Grunde ja gut, denn kleine Kinder so früh in Raster zu pressen (was aber ja leider immer noch die Basis unseres doch sehr in die Jahre gekommenes, Schulsystems ist), ist eigentlich immer kacke – birgt aber in diesem Fall natürlich auch viele Möglichkeiten für nicht nachvollziehbare Entscheidungen.

Tatsächlich haben mir echt viele besorgte Eltern geschrieben, dass ihre Kinder zwar z.B. diagnostizierte Entwicklungsverzögerungen haben, aber DENNOCH früh eingeschult werden, weil das nun mal eben so entschieden wurde. Dass Schulleitungen alle Empfehlungen von Fachleuten, Ärzten und Therapeuten ignoriert hätten, und an der Einschulung festhielten. Und dann als Lösung die Idee zückten, man könne das Kind ja irgendwann eine Klasse wiederholen lassen, falls es dem echt nicht gewachsen wäre. Dass dem dann meist Jahre an Stress und Frustration vorweg gehen UND man dann ein eh angeschlagenes Kind auch noch aus seinem sozialen Umfeld reißt, scheint leider kein relevantes Argument zu sein … sollte es aber! Auch hier sind sich die meisten Pädagog*innen übrigens wieder einig – auch sie finden den Gedanken absolut nicht mehr zeitgemäß. Und so bleiben Eltern (und Lehrer*innen) mit der Frage zurück, warum an diesem komischen, kinderUNfreundlichen Konzept so sehr festgehalten wird, wenn es doch eigentlich alle, die im Endeffekt die ganze Sache wuppen müssen, für Mist halten.

Wir hatten Glück bei der Zurückstellung!

Ich möchte an dieser Stelle nochmal betonen, dass wir echt Glück hatten und unsere Erfahrungen in Sachen Zurückstellung daher leider keinen Leitfaden darstellen können. Zum einen, weil es offenbar in jedem Bundesland anders gehandhabt wird – das schließe ich vor allem aus den vielen Zuschriften aus meiner Community – zum anderen, weil es viel mit ganz subjektiven Entscheidungen zu tun hat. Das KANN gut sein, wie in unserem Fall, muss es aber nicht. Ich versuche dennoch mal ein paar Tipps zusammenzufassen, mit denen alle etwas anfangen können, die das Projekt „Zurückstellung“ eines schulpflichtigen Kindes angehen möchten oder müssen.

1. Früh anfangen

Hiermit gebe ich den Tipp weiter, den ich als erstes und am häufigsten bekommen habe. Nicht warten, sondern starten, wenn man als Eltern das Gefühl hat, dass das eigene Kind noch dringend ein Jahr braucht. Z.B. schon mal im Schulamt anrufen und fragen, wie und was man da machen muss. Den Kinderarzt ansprechen und um Unterstützung bitten, genauso die Kita-Leitung. Außerdem überlegen, ob man mehr „auffahren“ möchte … Einschätzungen von Ergo-Therapeuten oder Logopäden, von Psychologen oder Fachärzten. Denn: Auf die Termine muss man eventuell warten. Und: Was man hat, das hat man! Wir haben im Prinzip mit dem Einschulungsbescheid begonnen, die Zurückstellung in die Wege zu leiten.

2. Dranbleiben

Immer wieder habe ich gehört, dass ich mich nicht so stressen soll, dass die Unterlagen schon noch kommen, dass die Termine noch nicht stehen, dass man sich melden wird. Natürlich hätte ich immer warten können, aber ich war lieber proaktiv und habe mich an allen Stellen immer wieder gemeldet, höflich nachfragt, geplaudert, meine Sorge bekundet. Ich wollte sicherstellen, dass alle wussten: es ist mir wichtig!

3. Ehrlich sein, aber im besten Fall nicht übertreiben

Um ein Kind zurückstellen zu lassen, muss man leider nachweisen, dass es „Probleme“ hat. Dass schmerzt uns Eltern grundsätzlich und ist schlicht doof gemacht, ABER aktuell ist es so. Wichtig ist, dass man dennoch ehrlich ist und nicht zu sehr übertreibt, denn niemand möchte, dass das eigene Kind möglicherweise schon vor der Einschulung einen Stempel erhält, der ihm oder ihr irgendwann schadet. Ich empfehle: Umhören bei anderen Eltern aus demselben Landkreis, nachfragen, wie sie es vielleicht geschafft haben und auch in Ruhe mit dem Kinderarzt oder der Kinderärztin reden. Ihre Stimme ist wichtig!

4. Nicht in Panik geraten, nett bleiben

Ich gestehe, es war mir schon sehr wichtig, dass es klappt. Beim Krümel geht es eher um die sozialen Kompetenzen und „Individualitäten“, die für mich eine Einschulung mit 5 wirklich nur schwer nachvollziehbar gemacht hätten. Er braucht das Jahr jetzt noch, auch, weil er dank Pandemie bisher kaum Kita-Erfahrung sammeln konnte. Oft hatte ich in diesem Prozess das Gefühl, dass die Löwen-Mutti in mir bald ausrastet, aber das wäre echt kontraproduktiv gewesen. Ich habe mich daher selber immer wieder „zurückgeholt“ und tatsächlich öfter das Gespräch mit der Schulleitung gesucht. Auch hier haben wir Glück; ich habe mich immer sehr gehört gefühlt. Ich weiß aber, dass es nicht bei allen so „passt“. Da ist es um so wichtiger, mit seinen Sorgen als Eltern präsent zu sein, aber auch nicht zu … äh, dominant. ;)

5. Alle Unterlagen sammeln und sichern!!!

Wir hatten am Ende gar nicht so viel:

  • Ein Attest vom Kinderarzt, in dem sich unsere Ärztin für die Rückstellung aussprach.
  • Einen Brief von der Kita, in dem genau das auch stand mit dem Angebot eines Telefonates mit der Schulleitung.
  • Die Einschätzung von der Schulärztin aus dem Gesundheitsamt.
  • Und außerdem einen persönlichen Brief von mir an die Schulleiterin, in dem ich gemeinsam mit einer Logopädin darlegte, warum das Krümelchen noch kein Schulkind werden sollte.

 

Die Originale – die Einschätzung der Schulärztin ausgenommen, denn die kam als letztes dazu – bekam in unserem Fall (keine Ahnung, wie es sonst läuft) die Schule und von dort aus wurden sie an das Schulamt bzw. Gesundheitsamt weitergeleitet … und verschwanden. Uhhhhh, das wäre ärgerlich und schlecht gewesen. Gottseidank hatte ich alles abfotografiert und auf dem Rechner gespeichert, sonst hätte mir nachher vielleicht genau ein Dokument für den Erfolg gefehlt. Daher der Tipp: Sichern, sichern, sichern. Schadet nie. Vergisst man aber immer mal.

Fazit zum Thema Zurückstellung:

Wir haben es geschafft und es war bei uns nicht so schwierig, wie bei vielen anderen. Und dafür bin ich krass dankbar. Denn für unseren kleinen Floh ist es so – dank der Zurückstellung – jetzt genau richtig. Wir werden das gewonnene Kita-Jahr intensiv nutzen, um kleinere Baustellen anzugehen und einfach Kind sein zu genießen. Und dann wird’s mit der Einschulung im nächsten Jahr sicher hervorragend klappen! <3

PS: Natürlich gibt es Kinder, die prima mit 5 Jahren in die Schule gehen können, die dort aufblühen oder zumindest keine Probleme haben. Ich kenne auch viele Eltern, die bei einem Kann-Kind genau in diese Richtung entschieden haben; eher früher als später, weil das Flöhchen schlicht soweit war. Dass ist super und freut mich für jede Familie ungemein. Ich finde es nur schade, dass es Eltern und Kindern, die eben nicht so früh so weit sind, so wahnsinnig schwer gemacht wird, ein pupsiges Jahr mehr reine Kindheit für ihren Nachwuchs rauszuhauen; oder eben Zeit, die Kompetenzen zu entwickeln, die kleine Menschen brauchen, um in unserem maroden Schulsystem bestehen zu können.

PPS: Sorry dafür, dass ich es einfach nicht verhindern konnte, meine ganz subjektive, eher schlechte Meinung über unser Schulsystem in diesem Text (zeitweise dröhnend) mitschwingen zu lassen. Ich meine damit übrigens NULL all die vielen wunderbaren Lehrer und Lehrerinnen, die jeden Tag ihr allerbestes geben, um unseren Kindern die Liebe zum Lernen zu vermitteln, obwohl sie selbst auch nicht glücklich sind mit dem „Konzept“, das ihre staatlichen Arbeitgeber seit Jahrzehnten ohne nennenswerte Aktualisierung – nicht einmal während einer jahrelangen Pandemie – durchziehen. Im Namen aller Eltern ein fettes DANKESCHÖN an euch!!! <3

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2 Kommentare für “Einschulung: Wie ich das Thema „Zurückstellung“ erlebt habe.

  1. Du hast in allem völlig recht und ich stimme dir voll zu. Nur eine Anmerkung, warum es evtl. nicht so leicht gemacht wird. Es gibt leider auch immer wieder Eltern, deren einzige Begründung zur Zurückstellung die persönliche Freiheit ist. Zum Beispiel morgens einfach mal keinen Bock haben, oder spontan in den Urlaub fahren etc. Und ja, das hört man leider öfter als man denkt! So betrachtet verstehe ich, dass man es Eltern nicht ganz so leicht machen kann. Denn in solchen Fällen geht es halt leider nicht um das Wohl des Kindes.