Im Moment der Geburt eines Kindes verändert sich das Leben der frischgebackenen Eltern mit einem Schlag in unzähligen Bereichen. Und das ziemlich dauerhaft, manchmal etwas erschreckend, aber vor allem natürlich zum Besseren. Denn das Baby bringt „Geschenke“ mit: Liebe in einer Größenordnung, die man sich vorher nicht mal im Traum hat vorstellen können (und das ist echt keine bloße Floskel), einen ungeahnt starken Beschützerinstinkt (klingt pathetisch, aber so ziemlich alle Väter und Mütter würden tatsächlich ihr Leben für den Nachwuchs opfern, wenn das nötig wäre) und ein Verantwortungsgefühl, dass zwar mächtig schwer auf den Schultern lasten kann, parallel aber ebenso stolz macht. Dazu kommen noch viele andere, liebenswerte „Kleinigkeiten“ wie die geerbten Gesichtszüge von Papa, die Zehennägelchen von Mama oder die (fehlende) Frisur von Opa ;)
Doch das Baby nimmt sich dafür auch direkt so einiges. Und zwar die alleinige Macht, die Herrschaft über seine neue Familie und die Kontrolle über den Tag und die Nacht. Denn entgegen der immer noch langläufig verbreiteten Meinung unter kinderlosen Leutchen, kommen die Kleinen weder als leere Vase, noch als unbeschriebenes Blatt zur Welt. Sie sind von Anfang an – zwar winzige, aber trotzdem – vollkommene Menschen mit Charakter und eigener Meinung. So vielfältig und unterschiedlich stark ausgeprägt, wie wir es auch von uns Erwachsenen kennen. Mit dem Unterschied, dass sie IMMER im Recht und immun gegen Argumente sind, keine Gnade kennen und sich nie auf eine Diskussion einlassen (zumindest nicht die ersten JAHRE). Klingt total übertrieben? Hätte ich vor zwei Jahren auch noch gesagt. Dann kam Ella. Und nun denke ich, dass wir Eltern uns glücklich schätzen dürfen, wenn uns vom Nachwuchs ERLAUBT wird, ihnen „Vorschläge“ für ihre Entwicklung zu unterbreiten und ihnen zu helfen, dass Vorhandene zu entfalten, eventuell sogar ein bisschen zu schleifen. Vorausgesetzt, wir führen uns gut als Eltern. Von nichts kommt schließlich nichts. Ist ja klar.
Manche Menschen ahnen das schon bevor sie Kinder bekommen und sind dann weniger überrascht als jene, die in der Schwangerschaft clevere Dinge sagen wie: „Unser Baby wird sich in UNSER Leben integrieren, nicht wir uns ins seins!“ HAHAHAHA, einer der absoluten Klassiker unter den naiven Traumvorstellungen. Haben mein Mann und ich jedem an den Kopf geknallt, der gefragt hat, wie wir uns die Zukunft vorstellen, als die Mausemaus unterwegs war. Und wenn gestandene Eltern dann vorsichtig angedeutet haben, dass das eventuell nicht zu 100 % funktionieren wird, haben wir sie heimlich für völlig unfähig und selber schuld erklärt. (Sorry, wir wussten es nicht besser!) Tatsächlich kenne ich nur eine Frau, bei der das geklappt hat. EINE EINZIGE! Echt erschreckend!
Im Nachhinein auch ein fetter Lacher, sind meine Vorstellungen zum Thema Babyschlaf, die Ella so schnell und gründlich in die Tonne gekloppt hat, dass ich mich nicht mal richtig verabschieden konnte. Natürlich war ich mir darüber bewusst, dass die Nächte (am Anfang – nicht EWIG) unangenehm ausfallen könnten, weil die Zwerge ja den Unterschied zwischen Tag und Nacht erst lernen müssen. Völlig unvorbereitet bin ich schließlich auch nicht in die Mutterschaft gewatschelt. Allerdings dachte ich, dass Babyschlaf z.B. nicht Ortsabhängig ist. Soll heißen, ich war wirklich davon überzeugt, dass unsere kleine Maus bei überwältigender Müdigkeit einfach in ihrem Kinderwagen schlafen würde, während wir zum Beispiel Freunde besuchen oder in einem Restaurant am Fortbestand der Schwangerschaftskilos arbeiten würden. Oder das ich sie in ihre zauberhafte, sanft schaukelnde „Leanderwiege“ legen könnte, um dann mit Elan an die Hausarbeit (oder vor die Glotze) zu gehen. Und mit absoluter Sicherheit würde sie ihr Babybay (für Unwissende: DAS Beistellbett, welches heutzutage bei modernen Eltern das Schlafzimmer schmückt) lieben – denn das gewährleistete ihr schließlich, dass sie wirklich ganz nah bei Mama schlafen würde.
Aber GANZ NAH reichte meinem Kind nie. Schon wenige Stunden nachdem sie „geschlüpft“ war, erkannte ich einen Unterschied zwischen ihr und dem Baby meiner Zimmernachbarin im Krankenhaus. Denn das schlief seelig im Beistellbett, während ihre Mutter die Strapazen der Geburt verarbeitete. Ella hingegen brüllte aus Leibeskräften, sobald sie nicht wie eine kleine Zecke an mir klebte. Wollte ich sie woanders als auf meinem Körper ablegen, musste sich diese Fläche zumindest bewegen. Ergo schob mein Mann (der semi-professionelle Rennradfahrer ;)) das Bettchen den Krankenhausflur endlos rauf und runter, damit ich wenigstens mal duschen oder sogar ein paar Minuten dösen durfte.
Wir lernten die neuen Regeln schnell: Babyschlaf ist heilig und unantastbar. Wie der Babyschlaf von statten geht, entscheidet das Baby. Schläft das Baby, tust du alles, damit es so bleibt. Das Baby schläft am besten im sich bewegenden Kinderwagen? Gut, dann schiebst du – kilometerweit und stundenlang. Du hast Hunger? Die Füße schmerzen? Du bist erschöpft? Du musst aufs Klo? EGAL! Das Baby schläft, also läufst du weiter!
Das Baby wird wach und brüllt stundenlang aus Leibeskräften wenn du ein Geschäft – oder Gottbewahre – ein Restaurant betrittst? Dann lässt du es bleiben!
Kinderlose werden jetzt vielleicht sagen: „Was soll der Quatsch! Dann wird das Kind eben wach und weint ein bisschen. Es schläft doch auch wieder ein. Ist doch bloß ein Baby.“ Falsch! Leider sogar total falsch! Ein Baby, das man vor seiner Zeit weckt, wird sich rächen! Den Rest des Tages, aber vor allem die komplette Nacht lang. Und das willst du nicht, wenn dein Schlaf-Akku sowieso bereits im Minus steht und du dich eigentlich eh nur noch aufrecht hälst, weil Mutter Natur dich auf Autopilot gestellt hat.
Wir haben also das einzig mögliche und für unser Überleben richtige gemacht: Wir haben anerkannt, dass das Baby gewinnt! Immer! Wir wechselten von der nervigen „Wir-sind-noch-keine-Eltern-wissen-aber-wie-es-läuft“-Seite rüber zur nicht immer flauschigen, aber dafür ECHTEN Eltern-Seite. Wir nahmen all unsere rosaroten Vorstellungen vom Babyglück in den ersten Monaten (entspannt Freunde und Restaurants besuchen, als Paar gemeinsam kochen und essen, abends auf der Couch vor dem Fernseher gammeln, während das Baby bereits in seinem Bettchen schlummert usw.), verpackten sie in eine dieser nach Puder duftenden Windeltüten und warfen sie auf den Müll. Ab da lebten wir einfach nur noch im JETZT und taten, was unsere neue Herrin von uns verlangte:
Ella wollte auf Teufel-komm-raus nicht in ihrem verfluchten Bettchen schlafen. Also nahm ich sie zu mir und schlief insgesamt 7 Monate mit abgewinkeltem Arm, weil das Köpfchen meiner Tochter eben dort am besten ruhte. Sie schlief natürlich auch da miserabel – wurde lange Zeit fast stündlich wach – aber sie schlief.
Ablegen lassen (wo auch immer) kam für Madam nicht in Frage. Sie wollte STÄNDIGEN Körperkontakt und möglichst viel geschaukelt werden. Also lernte ich, ein Tragetuch zu benutzen und wippte beinahe ununterbrochen hin und her, während aus meiner Hose weißes Rauschen drang (iPhone mit aktiver Rausche-App ;)). Klingt mega bescheuert und fühlt sich auch exakt so an. Aber man gewöhnt sich ja an alles :D
Restaurants waren dem Baby zu stressig. Also sahen wir Steak-Platten in den ersten Monaten nur durchs Fenster im Vorbeigehen. Freunde trafen wir maximal am Telefon und Geschäfte betraten wir nur nach einander, weil einer von uns beiden mit dem Zwerg draußen bleiben musste. Die spannendsten und auch längsten Ausflüge, die wir unternahmen, führten uns zu dm.
Natürlich gibt es viele Mamis, Papis, Omas, Opas, Pädagogen, Ärzte und die ein oder andere Hebamme vielleicht auch, die alles, was wir taten (und tun), falsch nennen würden. Die meinen, man würde sich auf diese Art einen kleinen Diktator heranziehen. Tja, ist mir so Latte wie die Radsport-Geschichten meines Mannes. Denn wenn ich eins endlich kapiert habe, dann das: Es gibt so viele Meinungen, Tipps, Ratschläge, „Wahrheiten“ und Regeln, wie vollgeschissenen Windeln in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes. Aber: Es gibt für keine einzige Schwierigkeit nur den einen, richtigen Weg. Es müssen immer individuelle Lösungen gefunden werden, mit denen die ganze Familie leben kann. Den uralten Erziehungsschinken von Großmutter zu Rate ziehen mag für einige Eltern eine gute Idee sein. Für uns war das nie eine Option. Wir – na gut, in erster Linie ich – haben immer sehr viele Infos bei sämtlichen möglichen Ratgebern off- und online eingeholt und dann unser eigenes Süppchen gekocht. Natürlich haben wir uns oft die Fresse daran verbrannt, aber scheiß drauf! Kein Elternpaar ist sofort perfekt! Alles ist ein einziges rumprobieren und – seien wir mal ehrlich – ständiges versagen. Und spätestens wenn unsere Kinder in die Pubertät kommen, werden sie uns genau das unter die Nase reiben: Wie sehr wir an ihnen versagt haben! Ick freu mir drauf ;)