Rabenmutter 2.0

Wir waren mal cool

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich mit den Augen gerollt und meinen damals noch zukünftigen Mann mit diesem wir-sind-garantiert-anders-Blick angesehen habe, wenn uns die wenigen, als Anschauungs-Objekte zur Verfügung stehenden, Eltern im Freundeskreis seufzend und sehr müde erklärten: „Wir haben’s ja auch nicht geglaubt, aber es ist wirklich so: Ein Kind verändert alles!“ Quatsch, dachte ich arrogant und naiv, wie Nicht-Eltern nun mal (häufig) sind, nur wenn man es ZULÄSST!
Heute bin ich diejenige, wegen der andere die Augen verdrehen – wegen allem möglichen allerdings ;) Aber manchmal eben auch, weil ich eben diesen so ABGEDROSCHEN klingenden Satz zum Besten gebe: Kinder verändern alles! (Was soll ich machen??? Es stimmt halt einfach! VERDAMMT!)

Was waren wir mal cool, mein Göttergatte und ich. Damals, in dieser „dunklen“ Zeit bevor wir Eltern waren und dieser kleine, in rosa gekleidete Teufel unser Leben verwüstete … ich meine: erhellte. Natürlich denke ich nur sehr selten daran zurück, schließlich ist unser Kind die Erfüllung all unserer Träume und unser größtes Glück – naja, und wir haben nur echt selten die Muße, in Erinnerungen zu schwelgen. Denn haben wir Zeit, schlafen wir. Man setzt die Prioritäten irgendwie anders, wenn man ein Baby bzw. Kleinkind hat. (Auch das habe ich früher selbstverständlich für nichts weiter als eine öde, verstaubte Floskel gehalten :D )

Aber was soll’s! Heute sag ich mal: Scheiß drauf! Ich NEHM mir jetzt einfach die Zeit, ein bisschen rumzuschwelgen (und eventuell zu jammern), in die Vergangenheit abzudriften und unser „altes“ Selbst mit dem neuen zu vergleichen. Wer braucht schon Schlaf?! ICH NICHT! *gähn*

2012:
Wenn wir nicht gerade unseren IRRE COOLEN Jobs (ich glorifiziere eventuell etwas, weil ich mich kaum noch daran erinnern kann, wie es ist, etwas anderes zu machen, als Windeln wechseln, Sabber wischen und Brei anrühren) in zwei verschiedenen Werbeagenturen nachgingen, besuchten wir Rock- und Punk-Konzerte, tranken Bier und rauchten eine Packung Zigaretten nach der anderen (PFUI! ;) ). Die Wochenenden waren oftmals anstrengender als die Arbeitstage – außer, wir nahmen uns mal eine „Auszeit“ vom Party-Stress, die wir komplett und professionell FAUL im Bett verbrachten. An solchen Tagen ließen wir uns sogar die Curry-Wurst nach Hause liefern, weil wir zu träge waren, die 100 Meter bis zur Imbiss-Bude zu laufen.

Ausschlafen bedeutete für mich 11 Uhr, für meinen Mann 14 Uhr. Dafür waren unsere Abende aber natürlich auch lang: Während ich meist so gegen 6 Uhr morgens „aufgab“, wankte der Herr gern so bis mittags durch die Bars. Tja, wir waren jung (na gut, nicht jung, aber jünger als jetzt) und vor allem waren wir … kinderlos. Genauso wie die meisten unserer Freunde. Ständig fanden irgendwo irgendwelche Partys oder Konzerte statt, und wir wurden tatsächlich dazu eingeladen bzw. gebeten, dabei zu sein. Ich möchte nicht sagen, wir waren beliebt … aber man rief uns eben an, wenn etwas spaßiges anstand. Ach ja, es war halt echt ne coole Zeit :D

2013:
Das Leben meines dann irgendwann Angetrauten änderte sich in diesem Jahr vorerst nur marginal: Er verbrachte wie gewohnt viel Zeit am Schreibtisch und auch die Party-Nächte waren noch Teil seines Lebens. Aber schon anders als gewohnt. Denn erstens entdeckte er sein Faible für Radsport (Sehr geehrtes Publikum, lesen Sie dazu bitte alle Texte der Rubrik „Die Frau des Radfahrers“ – Beileidbekundungen werden auf allen zur Verfügung stehenden Kommunikationswegen dankend entgegen genommen ;) ) und ersetzte seine nächtlichen Sessions an Theken durch frühmorgendliche auf einem Fahrradsattel, seine sexy Lederjacke durch hautenge Lycra-Höschen (mit ultra sexy Windeleinsatz ;) ) und den Lieblings-Burger durch selbstgebackene Energieriegel (KEIN SCHERZ!). Und zweitens war ich den Großteil diesen Jahres schwanger und konnte bzw. wollte mir die Nächte nicht mehr in schummrigen Locations um die Ohren hauen.

Grundsätzlich habe ich die Zeit mit „Kugel“ sehr genossen. Z.B. endlich mal NICHT den Bauch einziehen zu müssen, einfach zu essen, worauf ich Lust hatte (auch nachts) und den Fokus ausnahmsweise so richtig auf mich (und eigentlich auch nur auf mich … äh, und das Baby ;) ) zu legen. Ach ja, das war echt schön. Allerdings war das nicht alles … ich machte nämlich durchaus schon während der Schwangerschaft den ein oder anderen klitzekleinen … na gut, GROSSEN Schritt in Richtung uncool. Und ich meine nicht, dass ich ständig überall weggeknackt bin, geschnauft habe wie ein Walross, fremden Menschen unterwegs auf ihr Essen gierte und im letzten Drittel ständig irgendwas mit Bauch oder Arsch umgeschmissen habe, sondern meine Heulerei. Himmel, hab ich geheult. Immer und überall. Grässlich! Peinlich! Und sooooo uncool! Der absolute Tiefpunkt war wohl mein kleiner Heulkrampf in unsere Lieblings Gyros-Bude. Begründung für diesen besoffener-Teenie-Auftritt meinerseits: Freunde, die wir am Abend besuchen wollten, hatten meinem Mann eine Nachricht geschrieben, dass sie doch lieber zu uns kommen wollten. Ich brach umgehend über meiner Gyros-Pita in Tränen aus: „DARAUF BIN ICH MENTAL NICHT VORBEREITET! UHHHHHÄÄÄÄHHHHH!“ Geht’s irgendwie noch UNCOOLER? Ich denke nicht.

2015:
Unser „Baby“ wird in einigen Wochen zwei Jahre alt und tatsächlich ist mittlerweile so gut wie nichts mehr so, wie es 2012 noch war. Ich hänge nicht mehr in COOLEN Agenturen ab, außer, ich besuche meinen Mann mal im Büro. Ist natürlich nicht schlimm, da es ja nur eine „Phase“ ist und ich mich dazu entschieden habe, aber ab und zu vermisse ich es schon, einer bezahlten Arbeit nachzugehen. Das ist aber bei Weitem nicht die einzige Veränderung:

Wir haben beide den Glimmstängel dauerhaft für unser Kind an den Nagel gehängt, gehen kaum „Aus“ (wenn überhaupt, dann Nachmittags in Restaurants mit Kinderbespaßung), ernähren uns deutliche gesünder (außer Ella schläft) und unternehmen TAGSÜBER Ausflüge zu Bauernhöfen oder besonderen Spielplätzen. Die ursprüngliche Definition von COOL schüttelt sich vor Widerwillen.

Die (sogenannten) Freunde, die uns früher am späten Abend spontan vor die Tür gelockt haben, mit uns in Bars dem Morgengrauen entgegentranken und uns zu wilden Partys einluden sind … weg. Alle. Keiner mehr übrig. Wir werden von ihnen gemieden wie Aussätzige. Einige ignorieren uns sogar komplett, wenn sie uns bei dm mit Windeln unterm Arm begegnen. Möglichweise, weil wir mit einem Kind in der Trotzphase in der Öffentlichkeit nicht unbedingt positiv auffallen. Vielleicht aber auch, weil wir einfach nicht mehr cool sind. Oder flexibel. Oder länger als bis 22 Uhr wach (das schränkt die Ausflugsmöglichkeiten ins Bars natürlich hart ein).

Mein Kleiderschrank hat eine auffällige Wandlung erfahren. Nicht nur, dass ich ein Drittel des vorhandenen Platzes an meine Tochter abtreten musste (unfassbar, wie viele Klamotten man für so einen Zwerg braucht), sondern auch der Inhalt auf meiner Seite hat sich dem neuen Leben „unterworfen“. Um das Überleben in, an und um Sandkästen herum bei jeglichem Wetter zu gewährleisten zog … mich gruselt es selbst … FUNKTIONSKLEIDUNG ein. Süße Röckchen wurden durch praktische Shorts ersetzt und alle Shirts, deren Wert 10 Euro übersteigt, nach hinten verbannt.

Wenn unser Kind am Wochenende mal bis 8:30 Uhr pennt, überlegen wir, ob das für Frühstück nicht schon etwas spät ist … schon fast Mittag, ne!? Und Sätze wie: „Hey, erst 23 Uhr … lass uns doch vor der Party noch ins XY gehen!“ wurden ersetzt durch: „Uhhh, schon so spät (21:30Uhr)! Da lohnt es sich ja gar nicht mehr, einen Film anzumachen. Ich geh einfach ins Bett!“

Tja, COOL ist eben anders. Oder ist ANDERS jetzt cool? Schlechter ist unser Leben – mit Kind – schließlich auf keinen Fall! Glücklicher als vor der Geburt der kleinen Madam sind wir auch! Und Spaß haben wir zusammen immer … sogar bei so ganz normalen, schnöden Familien-Ausflügen! (Wir sind übrigens die Eltern, die sich im Babybecken des Hallenbades eine wilde Wasserschlacht liefern :D )

Ach, vielleicht ist es gar nicht schlimm, nicht mehr klassisch COOL zu sein. Dafür sind wir jetzt Eltern … und wenn das nicht MEGA ist, weiß ich es auch nicht!!!

Der LÄCHELN UND WINKEN Newsletter

Freu dich jeden Samstag über eine Mail von mir, mit allen Links zu den Neuerscheinungen der Woche und verpasse damit keinen Beitrag mehr - ganz egal, welcher Social Media Algorithmus gerade einen Pups quer hängen hat. ;)

Ich verschicke natürlich keinen Spam! Erfahre mehr in meiner Datenschutzerklärung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

4 Kommentare für “Wir waren mal cool

  1. Ernst gemeinte Frage: Was würdet ihr Eltern euch denn eigentlich von den kinderlosen Freunden erwarten? Weil spontan vor die Tür in eine Bar locken ist ja nicht mehr drin. Aber dass kinderlose Paare oder gar Singles ihre Wochenenden nicht auf dem Spielplatz verbringen wird dir auch klar sein. Ihr seid diejenigen für die sich das ganze Leben geändert hat und beschwert euch jetzt darüber, dass die anderen so geblieben sind wie sie waren?

    1. Ja, interessante Frage. Und die Antwort ist ganz einfach: Ich würde mir wünschen, dass unsere kinderlosen Freunden sich einfach mal nachmittags mit uns treffen würden…zum Quatschen und Essen, zum Bummeln gehen oder für Zoobesuche. Eben genau das, was ich für meine Freunde mit Kindern gemacht habe, als ich noch keine hatte. Feiern gehen konnte ich prima danach noch ;) Aber es ist halt so: JEDE Veränderung trennt Beziehungen zu Menschen/Bekannten – egal ob Kinder, ein neuer Job, ein neuer Partner oder anderer Wohnort. Nur die ECHTEN Freunde bleiben. Und das sind in den meisten Fällen eben nur wenige. Alle anderen sind nur Wegbegleiter für kurze Distanzen ;)