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Interviews

Eltern-Interviews aus aller Welt: Alena erzählt von ihrem Leben in Ägypten

Uhhhh, auf das Interview von Alena habe ich mich persönlich auch mal wieder ganz doll gefreut, denn Ägypten war in verschiedenen Bereichen meiner Kindheit und Jugend ein Thema für mich. Und UPS, jetzt habe ich schon verraten, in welches Land unsere Interview-Reise diesmal geht, aber dann ist das halt so! :D Also: Alena, ihr Mann und ihre beiden Kinder (5 und 2 Jahre alt) haben ihr Leben in Deutschland vor noch gar nicht so langer Zeit gegen ein Leben in der Ferne (von uns aus betrachtet ;)) eingetauscht und sind mit dieser Entscheidung ziemlich glücklich, lese ich so zwischen den Zeilen heraus! :D Ich wünsche es den Vieren auf jeden Fall!!! Und jetzt … viel Spaß beim Lesen!

Eltern-Interviews aus aller Welt: Alena erzählt von ihrem Leben in Ägypten

1. In welchem Land lebst du mit deiner Familie und seit wann?

Wir leben seit November 2022 in Ägypten, genauer gesagt in Giza (Kairo).

2. Wie ist das mit der Kinderbetreuung bei euch? Gibt es ein ähnliches oder gar dasselbe Konzept wie hier?

Bei der Kinderbetreuung gibt es große Unterschiede. Außerhalb von Kairo leben die meisten Menschen eher „traditionell“. Die Familien sind groß und man lebt nah beieinander. Daher gibt es keine oder nur sehr vereinzelt Kindergärten. Die Frauen teilen sich die Kindererziehung und den Haushalt. Verbreitet sind Koranschulen, die die Kinder 1-2 mal pro Woche (oder häufiger) besuchen.
In Kairo sieht es hingegen anders aus. Hier gibt es Krippen, die die Kinder schon ab 12 Wochen aufnehmen und Kindergärten mit angeschlossener Preschool. Es gibt einige „staatliche“ Kindergärten, die allerdings nicht wirklich an den europäischen Standard heranreichen.
Daher versuchen die meisten, ihre Kinder in internationalen Kitas unterzubringen, wodurch die Kinder auch direkt den Vorteil haben, mehrsprachig aufzuwachsen und später an ausländischen Unis studieren zu können.
Außerdem gibt es eine Reihe „after school activities“, die die Kinder im Anschluss an die Schule besuchen können. Sie sind ähnlich wie ein Hort, sind aber nicht an Schulen gekoppelt, sondern können von den Eltern frei gewählt (und bezahlt) werden.
Fast alle (Indoor-)Spielplätze, Sportangebote, Bastelkurse und Co. haben zusätzlich ein „Drop off“ Angebot, d.h. du kannst deine Kinder dort spielen, basteln oder turnen lassen, während du selbst arbeitest oder einfach mit einer Freundin Kaffee trinkst.

3. Wie alt sind die Kinder bei euch, wenn sie eingeschult werden und was ist an eurem Schulsystem vielleicht anders als an unserem in Deutschland?

Auch hier wieder hängt es stark von der Schicht ab.
In den ländlicheren Gebieten kommen die Kinder mit 6 Jahren in die Schule. Sind die Klassen aber voll, kann es auch schon mal sein, dass ein Kind erst mit 7 oder später in die Schule geht. Es gibt keine Instanz, die das wirklich überwacht oder gar „Einladungen“ verschickt. Die Lehrer geben sich oft wenig Mühe, den Kindern vormittags etwas beizubringen, denn sie bieten nachmittags „Nachhilfe“ an. Dort kommen die Kinder dann nochmal in die Schule oder zum Lehrer nach Hause und werden dann, natürlich gegen Geld, nochmal „richtig“ unterrichtet. Grund dafür ist, dass Lehrer hier kein wirklich angesehener Beruf ist und sie oft sehr wenig verdienen, sodass sie auf das Zubrot der „Nachhilfe“ angewiesen sind. Wer allerdings selbst arm ist, kann seine Kinder dort natürlich nicht hinschicken.

Auf den internationalen Schulen ist das anders. Dort steht Wissensvermittlung an erster Stelle und den Kindern wird schon sehr früh, in meinen Augen viel zu viel, abverlangt. Die Entfaltung des Kindes, das „Lernen lernen“ und das kritische Nachdenken werden hier eher weniger gefördert. Die Eltern wollen, dass die Kinder gute Noten schreiben, einen guten Abschluss machen und auf eine gute Uni gehen. Die Schulen liefern das, allerdings oft zum Nachteil der Kinder.

4. Fühlt ihr euch in Sachen medizinische Betreuung mit eurem Nachwuchs gut, schlechter oder vielleicht sogar besser als bei uns aufgehoben?

Mit der medizinischen Versorgung sind wir hier sehr zufrieden! Die meisten Medikamente sind frei verkäuflich in der Apotheke zu bekommen. Die Apotheken liefern fast rund um die Uhr alles nach Hause.
Ärzte gibt es hier ebenfalls wie Sand am Meer und die meisten bieten Hausbesuche an, sodass man mit den kranken Kindern nicht erst stundenlang im Wartezimmer sitzen muss.
Die Ärzte sind, so wie fast alle Menschen hier, sehr kinderlieb, nehmen sich Zeit und versuchen das Vertrauen der Kinder zu gewinnen.

Wenn ich da an meinen Kinderarzt in Deutschland denke, bin ich der Meinung, wir haben uns in dieser Hinsicht verbessert! :D
Allerding muss man auch anmerken, dass es keine Krankenversicherungen gibt und alle Arzt- und Medikamentenkosten selbst getragen werden müssen. Für mittellose Menschen bieten einige Kliniken kostenlos oder günstigere Operationen an, deren Kosten dann aus Spenden beglichen werden oder die Menschen wenden sich direkt an die Moschee, die dann Spenden sammelt.

5. Vermisst du etwas, das es in Deutschland gibt, aber bei euch zuhause nicht?

Es gibt eigentlich nur drei Dinge, die ich vermisse: kostenlose Spielplätze mit Sand, Wälder und Backwaren wie Franzbrötchen und Laugenbrezel.

6. Was ist bei euch – deiner Meinung nach – viel besser als bei uns in „Good old Germany“? ;)

Neben vielen, vielen Kleinigkeiten ist es vor allem die Einstellung zum Leben und zu den Mitmenschen! Natürlich läuft man auch hier mal einem „Grummelbären“ über den Weg, aber die meisten Menschen sind wirklich entspannt. Der Gedanke, dass Allah die Dinge verteilt, niemand mehr bekommt, als er bekommen soll und wir am Ende für alles Leid, was wir hier auf der Erde ertragen müssen, im Jenseits belohnt werden, hilft den Menschen, ihr Schicksal zu tragen und macht sie weich im Umgang miteinander. Gleichzeitig haben Kinder hier einen hohen Stellenwert und fast schon Narrenfreiheit, solange sie klein sind. Ein Kind, das im Supermarkt schreit, laut singt oder herumrennt? Niemand stört sich (offenkundig) daran. Die Leute strubbeln den Kindern durchs Haar, lachen mit oder versuchen das weinende Kind aufzumuntern oder der Mutter zumindest aufbauende Blicke und ein Lächeln zuzuwerfen. Auch da musste ich in Deutschland oft andere Erfahrungen machen.

7. Möchtest du gerne noch etwas anderes erzählen??? Dann ist dafür hier natürlich auch noch Platz! <3

Ich möchte eigentlich nur jedem Menschen da draußen mit auf den Weg geben, dass es sich immer lohnt, mutig zu sein. Wenn du den Traum hast, in Land X zu leben – go for it. Mach dir einen Plan, pack deine Sachen und zieh los. Das Leben ist zu kurz, um es mit „hätte“, „sollte“, „müsste“ und „irgendwann mal“ zu verschwenden. Die Welt ist riesig und ich glaube, wenn mal alt ist, bereut man vor allem all die Situationen, in denen man zwar wollte, aber den Mut nicht hatte, es auch wirklich zu tun.

Liebe Alena, vielen Dank für diesen Einblick in dein bzw. das (Familien-)Leben in Ägypten!!! 

Foto-Credit: Alena privat

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