Ich möchte ganz ehrlich sein: Bis zu dem Moment, als Silke mir via Instagram eine Nachricht geschickt und gefragt hat, ob ihre Erkrankung nicht ein Thema sei, über das wir vielleicht mal gemeinsam schreiben und so ein bisschen aufklären könnten, hatte ich Vulvakrebs einfach mal null auf dem Schirm. Also wirklich so gar nicht; schlicht noch nie gehört! Und da ich ziemlich sofort ahnte, dass ich da wohl nicht die Einzige sein werde, habe ich mich umgehend an die Interviewfragen gesetzt und sie an Silke gemailt, damit sie – ihrer Idee & ihrem Wunsch entsprechend – zumindest von ihren ganz persönlichen Erfahrungen berichten könnte, um Frauen für diese Krankheit zu sensibilisieren bzw. darauf hinzuweisen, dass es diese Krebsform gibt UND das die Symptome gar nicht so easy zuzuordnen sind.
WICHTIG VORAB: Das hier ist KEIN Fachinterview! Silke erzählt als Betroffene ihre ganz individuelle Geschichte. Sie kann und will keine medizinische Auskunft geben. Sie möchte nur darüber aufklären, dass es diese Krankheit überhaupt gibt UND daran erinnern, wie verdammt wichtig es ist, zu allen Vorsorgeuntersuchungen zu gehen und auf das eigene Bauchgefühl zu hören!!!
Interview „Diagnose Vulvakrebs – eine Betroffene erzählt“
Liebe Silke, was denkst du, wie es kommt, dass so viele Frauen von Vulvakrebs wirklich noch nie was gehört haben? Ist es so selten oder wird nur ungern aufgrund von Schamhaftigkeit darüber gesprochen?
Liebe Anke, bis zu meiner Diagnose hatte ich Vulvakrebs auch nicht auf dem Schirm. Mittlerweile weiß ich natürlich viel mehr darüber, musste mir vieles aber auch selbst aneignen. Es ist tatsächlich die 4. häufigste gynäkologische Krebserkrankung. Früher galt es als „Krebs der älteren Frau“, danke auch, ich bin 45. In den letzten Jahren hat sich die Anzahl der Diagnosen jedoch verdoppelt und es sind auch viele junge Frauen betroffen.
Aber du hast auch Recht mit deiner Vermutung, dass eine Vulvakrebs-Erkrankung auch schambehaftet ist und tabuisiert wird.
Ok, jetzt aber zu dir und deiner ganz individuellen Geschichte. Wann und wie wurde die Krankheit bei dir diagnostiziert?
Im Juli 2022 wurde eine Biopsie an meiner Vulva entnommen, Ende November wurde mir dann mitgeteilt, dass es sich um eine Krebsvorstufe VIN III handelt. Diese wurde Anfang Dezember gelasert und es wurde eine weitere Biopsie entnommen. Ich bin dann tatsächlich davon ausgegangen, dass es damit erledigt ist. 4 Tage später kam der Anruf, dass es ein Tumor ist.
Gab es vorher Anzeichen, Symptome, die bemerkt hast, aber nicht zuordnen konntest? Und wenn ja, wie lange schon?
Ja, die gab es bereits 2,5 Jahre vorher. Ich weiß aber jetzt erst, dass dies bereits deutliche Symptome waren. Ich hatte einen andauernden starken Juckreiz an einer Stelle und eine Hautveränderung, beides wurde mit unterschiedlichen Salben behandelt, die aber nicht geholfen haben. Im Mai 2022 wurde ich dann zur Dysplasiesprechstunde (Sprechstunde für Frauen mit Haut und Schleimhautveränderungen) überwiesen. Durch den Austausch mit anderen Vulvakrebspatientinnen weiß ich, dass es leider bei vielen lange „falsch“ behandelt wird.
Gehst du grundsätzlich regelmäßig zur Vorsorge?
Ja, ich habe auch vor der Diagnose regelmäßig alle Vorsorgetermine wahrgenommen.
Als es feststand, dass du Krebs an deiner Vulva hast … was ging da in dir vor?
An dem Tag als ich die Diagnose bekommen habe hat es mir gefühlt den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich habe in den ersten Tagen sehr viel geweint. Wie oben schon geschrieben, bin ich optimistisch davon ausgegangen, dass mit dem Lasern der Krebsvorstufe alles erledigt ist. Daher war ich völlig schockiert, dass es doch ein Tumor ist. Da die Krebsvorstufe sehr nah an der Klitoris lag war dann auch klar, dass neben den kleinen Schamlippen auch die Klitoris entfernt werden muss, das war schlimm für mich.
Es ist ja schon eine sehr intime Stelle – mit wem hast du darüber gesprochen?
Zuerst habe ich mit meinem Mann und meinen Kindern (da 13 und 10 Jahre alt) darüber gesprochen, mit meinen Kindern altersentsprechend nicht so detailliert. Dann mit meiner Mutter und meiner Schwester und mit meinen Freundinnen. Meiner Chefin und meiner direkten Kollegin habe ich es auch gesagt, ansonsten meinem Team „nur“, dass ich an Krebs erkrankt bin. Grundsätzlich gehe ich offen mit der Krebsdiagnose um und sage auf Nachfrage auch, wo der Tumor war. Es ist aber auch bei mir so, dass ich Frauen gegenüber offener darüber rede.
Wie sahen die medizinische Prognose und die Behandlung aus?
Nachdem die Biopsie einen Krebsbefund ergeben hat, war ich erneut zum Vorgespräch im Krankenhaus. Dort wurde mir detailliert erklärt, wie die Operation abläuft und was entfernt werden muss. Während der Operation wurden der Tumor sowie die Hälfte der kleinen Schamlippen und die Klitoris entfernt. Außerdem wurden während der OP 7 Lymphknoten in beiden Leisten entfernt und per Schnellschnitt noch während der OP untersucht. Da die Lymphknoten im Schnellschnitt nicht befallen waren blieb es bei den 7 Lymphknoten. Dieser Befund hat sich glücklicherweise auch anschließend in der Pathologie bestätigt, der Tumor hatte nicht gestreut und konnte mit ausreichen Rand komplett entfernt werden. Der Tumor war relativ klein und nicht aggressiv, sodass die Prognose gut ist. Ich muss nun für mindestens 3 Jahre alle 3 Monate zur Kontrolle und gehe abwechselnd zur Gynäkologin und in die Dysplasiesprechstunde.
Wie geht es dir aktuell?
Mittlerweile geht es mir körperlich wieder relativ gut. Ich habe im März eine Reha in einer Klinik gemacht, die unter anderem auf Vulvakrebs spezialisiert ist ( Klinik Bad Oexen), das hat mir körperlich, aber auch bei der Verarbeitung sehr geholfen. Für die seelische Verarbeitung habe ich mir psychoonkologische Unterstützung geholt, auch das hilft mir. Nichtsdestotrotz belastet mich die Krebserkrankung noch sehr. Es ist nichts mehr wie vor der Diagnose. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, ich kann zum Beispiel noch nicht wieder Fahrrad fahren, weil ich nicht auf einem normalen Sattel sitzen kann. Kurz vor den Kontrollterminen kommt auch die Angst wieder. Und sobald irgendwo das Thema Krebs aufkommt sind alle Gefühle (Trauer, Wut, Angst…) sofort wieder da, oft muss ich dann auch weinen.
Hat der Vulvakrebs deine Beziehung zu deinem eigenen Körper verändert? Wenn ja, wie?
Ja, auf jeden Fall. Da ich nach der ersten OP auch noch eine Wundheilungsstörung hatte, musste ich nochmal operiert werden. Dabei stand dann „nur noch“ eine optimale Wundheilung im Vordergrund, nicht die Ästhetik. Dadurch sieht die Vulva sehr verändert aus und für mich nicht mehr „schön“. Auch darüber hinaus hat die Krebserkrankung mein Körperempfinden verändert und das Vertrauen in meinen Körper geschwächt.
Gibt es etwas, das du anderen Frauen gerne mit auf den Weg geben würdest?
Ja. Krebs ist ein Arschloch. Krebs kann jede(n) treffen.
Geht regelmäßig zur Vorsorge. Hört auf eure Körper und besteht auf eine gründliche Untersuchung, wenn die Symptome nicht eindeutig sind oder nicht verschwinden. Schaut euch eure Vulva mit einem Spiegel an und achtet auf Hautveränderungen. „Mein Krebs“ ist durch Humane Papillom Viren (HPV) ausgelöst worden. Falls ihr Kinder habt, lasst sie gegen HPV impfen, wenn sie im entsprechenden Alter sind, egal ob Mädchen oder Junge.
Vielen Dank, liebe Silke, für dieses sehr offene Interview! Ich wünsche dir von Herzen für deine Zukunft nur das Beste! :-*
Hallo,mir erging es fast so wie Silke. Bei mir ist. Mit 46 vulvakrebs festgestellt worden. Im Endstadium. Ich finde das viel mehr darüber aufgeklärt werden muss. Man fühlt sich so hilflos und allein, weil irgendwie kein Arzt so richtig Ahnung von der Krankheit hat. Ich bin jetzt 3 mal Opperiert worden der Krebs ist weg. Aber es sieht nicht mehr schön aus. An Geschlechtsverkehr mit meinem Freund ist gar nicht zu denken. Ich habe jetzt einen Termin in Düsseldorf beim Plastischen Chirurg und hoffe das es jetzt besser wird. Die OP ist schon 1Jahr her
Danke für dieses ehrliche Interview! Ich bin 36, Mutter von 2 Kleinkindern und bekam diese Woche meine Diagnose. Auch mir war der Vulvakrebs bis dahin unbekannt, und ich bin immer noch dabei all die Informationen zu ordnen, die ich mir jetzt zusammensammle. Erst dachte ich, ich warte einfach auf die Dysplasie Sprechstunde, aber ich stelle immer mehr fest, dass man sich im Vorfeld schon viel mehr informieren muss. So war ich froh, hier ein Interview mit einer Betroffenen gefunden zu haben und dann (witzigerweise) auch noch geführt von meiner liebsten Insta Mutti 😂
Also Danke für die Aufklärung, das Thema bräuchte einfach noch mehr Reichweite, vor allem bei jungen Frauen ♥️