Rabenmutter 2.0

Die Installation der Mutti-Angst

Manche Menschen sind glücklich und zufrieden mit sich und der Welt. Sie sind stets (oder zumindest überwiegend) gut gelaunt, lächeln dem Leben fröhlich ins Gesicht und gehen einfach so richtig schön positiv an jede neue Situation ran, denn: „Was soll schon Schlimmes passieren?!“ Man nennt diese Leute gemeinhin OPTIMISTEN. Ich bin natürlich keiner von ihnen (wen wundert’s ;) ). Genaugenommen bin ich sogar das absolute Gegenteil: Ein praktizierender Pessimist, der wirklich immer und überall nur das Schlechteste sieht und erwartet. Mag ich diesen Zug an mir? Nein. Habe ich versucht, ihn zu ändern, positiver zu denken und nicht immer gleich schwarz zu sehen? Aber sicher doch! Mehr als einmal sogar. Das Ergebnis war jedes Mal das Selbe: Das Leben/Schicksal/was auch immer hat so einen derben Lachflash bekommen, dass es vor lauter tränenersticktem Gekicher gar nicht mehr aufhören konnte, mich mit Scheiße zu überschütten. Soll heißen: Hat für mich nicht so besonders gut funktioniert und ich bin daher auf direktem Weg zu meiner „das Glas ist nicht nur halb leer, sondern hat sogar Risse“-Taktik zurückgekehrt, habe meinen imaginären Helm aufgesetzt und die Grummel-Miene wieder angeknipst. Macht aber nix. Denn die Vorteile des Pessimums liegen für mich klar auf der Hand – negative Überraschungen gibt es für mich so gut wie nie, dafür aber manchmal postitive (denen ich dann aber natürlich nicht traue … ist klar, ne). Ich bin halt so ein richtiges Sonnenscheinchen ;) .

Blöd ist nur, dass mein Pessimismus im Moment des ersten positiven Schwangerschaftstests vor fast 3 Jahren sein Single-Dasein aufgab, um fortan eine sehr innige Beziehung zu führen  … mit meiner schlagartig neu installierten Mutti-Angst. Die beiden „verschmolzen“ regelrecht miteinander und lebten fortan in einer nahezu verstörenden Harmonie. Voll schön für die zwei. Echt jetzt! Nur eben für mich nicht. Denn ein Pessimist kann mit Angst prima umgehen – solange sie ihn nur selbst betrifft. Die Angst jedoch, die man als Elternteil um sein Kind entwickelt, ist ein ganz anderes Paar Schuhe … und unzählige Nummern größer, als man sich vorher überhaupt hat vorstellen können.

Meine extrem fiese Mutti-Angst manifestierte sich also tatsächlich schon in dem Augenblick, als der erste Schwangerschaftstest eine zweite Linie aufwies. Und nur Minuten nach dem Jubel folgte ihre erste Ansage: „Was, wenn du es direkt wieder verlierst???“ Und mein Pessimismus legte der neugeborenen Mutti-Angst sogleich den Arm um die Schulter und raunte: „Tja, dass ist wohl sehr wahrscheinlich. Warum sollte das jetzt auch einfach klappen?!“ Zack war sie da, meine allererste, selbst eingebildete Panikattacke als Schwangere. Sehr unschönes Gefühl, möchte ich sagen. So unschön sogar, dass ich mich gar nicht dran gewöhnen konnte, obwohl ihr ja unzählige folgten. Was schade ist, denn wäre eine Gewöhnung möglich gewesen, hätte das die ganze Sache mit dem Mama-werden und -sein stark vereinfacht. Aber das wäre ja eigentlich gar nicht mein „Stil“ gewesen ;) .

Ich ZITTERTE mich also regelrecht durch die ersten, besonders gefährlichen 3 Monate meiner absoluten Wunsch-Schwangerschaft und ließ zu, dass Fremde auch noch Öl ins Feuer gossen, indem ich in Foren von Fehlgeburten las und Bekannte unaufgefordert ihr trauriges Halbwissen zu den Risiken einer „Spät-Gebärenden“ (unhöfliche Bezeichnung!) in mein geschundenes Mami-Hirn pflanzten. Vor allem jetzt – rückblickend mit ein paar Jahren Abstand und mehr Erfahrung – wirklich völlig unnötig und ätzend, dass ich mich SOOOO verrückt gemacht habe. Ein Optimist wäre sicher anders rangegangen und hätte möglicherweise folgendes gesagt: „Natürlich sind die ersten Monate heikel. Aber ist es dann nicht umso wichtiger, positiv zu denken, sich zu freuen und das zarte Glück zu genießen (solange es eben währt), anstatt sich diese besondere Zeit schon zu versauen, BEVOR (bzw. wenn überhaupt) etwas negatives passiert?“ Als Pessimist bin ich natürlich kaum dazu in der Lage, so etwas auch nur im Ansatz zu denken, aber ich hätte es dennoch gerne mal gehört. Allerdings ist es in unserer Gesellschaft ja eher normal, die ersten 3 Monate einer Schwangerschaft in Furcht allein zu verbringen und mit niemandem darüber zu reden, um kein „böses Tschutschu“ auszulösen. Und wenn tatsächlich etwas Schlimmes passiert, auch darüber zu schweigen. Außer, eine frisch Schwangere missachtet die „Regel“ und kommuniziert ihre Freude vor der 12 Woche – dann werden all die herzzerreißenden Geschichten von erschütternden Verlusten erzählt und der Teufelskreis ist perfekt. Irgendwie doof. Würde glatt behaupten, die Pessimisten haben die Oberhand in unserer Welt. Hm, vielleicht muss ich doch mal umdenken … will ja kein Mitläufer sein ;) .

Andererseits: Mein angstgespickter Start der Schwangerschaft war eigentlich ein super Training. Denn die Möglichkeiten, in Panik zu geraten, wuchsen proportional zu meinem Bauch (und Arsch). Zugegeben: Ich hätte besser etwas weniger in Internet-Foren gelesen und stattdessen mehr in der Nase gebohrt (oder sonst etwas unsinniges, aber dafür weniger mental Belastendes gemacht). So aber wusste ich stets um jede noch so kleine Gefahr … z. B. wenn man als Schwangere isst, was man mag, tut, was man will oder sich trifft, mit wem man möchte (möglicherweise NICHT zu 1.000% Keim-, Bakterien-, und Virenfreien Menschen!!!) Die Schrecken nahmen einfach kein Ende. Von den ganzen Untersuchungen mal abgesehen, die man als werdende Mutter ja wärmstens empfohlen bekommt, die aber oft eigentlich null Aussagekraft haben, dafür aber die Macht, wirklich alles in Frage zu stellen.
(Bei einer weiteren Schwangerschaft würde ich einige dieser WICHTIGEN Untersuchungen wohl lächelnd und winkend ablehnen. Aber hinterher ist man ja immer schlauer, wa? ;) )

Vor der ersten Geburt Angst zu haben, fand ich hingegen (bzw. finde ich immernoch) irgendwie berechtigt. Man weiß ja nun mal so gar nicht, was da auf einen zukommt, wie man die Schmerzen verpackt, ob der gewählte Geburtsort einem tatsächlich gefällt, ob alles so funktioniert, wie man es sich gewünscht oder gar „geplant“ hat und ob man womöglich während einer Presswehe – ganz aus Versehen – seinen nur absoluten Bullshit verzapfenden Mann tötet und dadurch als Alleinerziehende im Knast endet ;) . Daher finde ich ein bisschen Bammel vor der Niederkunft völlig normal und in Ordnung, auch wenn – gerne kommuniziert von kinderlosen Leuten (am liebsten Männern ;) ) – jeden Tag auf der Welt tausende von Frauen Kinder gebären und die ganze Nummer deshalb doch eigentlich nichts besonders ist. Ich finde: Ist es wohl! Jede Geburt ist ein verdammtes Mega-Wunder! Wer was anderes behauptet, gehört sofort vermöbelt! ;)

Richtig unschön in die vollen (und leider sogar subjektiv betrachtet ein bisschen „irre“ wirkend) ging meine Mutti-Angst ein paar Tage nach der Geburt, als wir unser neues Leben mit der winzigen, kleinen Madam zu Hause begannen. Ich meine nicht diese unfassbar grässlichen Basis-Schrecken wie den gefürchteten Atemstillstand beim Säugling oder das sich Mama im Schlaf irgendwie aufs das Baby rollt, sondern so total übertriebene, eigentlich surrealen Spinner-Ängste.
Beispiel: Endlich stand ich mal wieder so gaaanz in Ruhe unter der Dusche, weil das Baby im Wohnzimmer seelig in Papas Arm schlummerte. Ich schloss die Augen, fühlte wie ich mich entspannte und dann … dachte ich plötzlich daran, wie schrecklich es wohl wäre, beim Aussteigen aus der Dusche leicht auszurutschen und dann AUF DAS BABY ZU TRETEN, WELCHES AUF DER BADEMATTE DIREKT VOR DER DUSCHKABINE LIEGT!!! AHHHHHHHH! Es lief alles wie ein Film vor meinen Augen ab! Es war furchtbar. Die Entspannung war sofort völlig im Arsch! NATÜRLICH wusste ich, dass mir das schon allein deshalb nie passieren würde, weil Klein-Ella niemals auf der Badematte lag, aber so ein hormongeflutetes Hirn ist für die Realität ja nicht immer besonders offen.
Diese FILME spukten von da an jedenfalls immer öfter durch meinen Kopf. Mal sah ich Mann und Kinderwagen von einem LKW erfasst werden, während ich kurz beim Arzt ein Rezept abholte und eigentlich WUSSTE, dass die beiden IM Supermarkt waren. Ein anderes Mal entglitt mir vor meinem inneren Auge der Kinderwagen und rollte eine nicht enden wollende Böschung hinunter, obwohl ich in einem komplett flachen Park unterwegs war. Und wenig später geisterte der Tag-Alptraum durch meinen Kopf, dass ich mir mein Baby-Glück womöglich nur eingebildet hätte und die Mausemaus plötzlich verschwinden würde. Alles großer Quatsch … und doch für Sekunden so real, dass mir ganz schlecht wurde. (Stephan King würde vor Neid erblassen, angesichts eines solchen Mutti-Angst-Pools)

Mittlerweile ist es besser geworden. Ich bin nicht mehr so ein absoluter Schisser (Ellas Papa schon ;) ) und kann sie sogar auch mal fallen sehen, ohne sofort hysterisch kreischend zu ihr zu stürzen. Sie soll schließlich lernen dürfen, selbst wieder aufzustehen und das nicht jeder Stolperer gleich ein riesen Problem ist.

Dennoch ist es einfach Fakt – und das gilt wohl für Optimisten wie auch für Pessimisten: Bevor man kein Kind hat, weiß man gar nicht, was Angst WIRKLICH bedeutet. Mit einem Kind zieht eben nicht nur „ewig währendes“ Glück im Leben ein, sondern auch die beste Definition einer Achillisferse. Von da an gilt: Was auch immer dem Kind wiederfährt – es wiederfährt auch Mama und Papa. Ich habe diesen Satz: „Ich würde für mein Kind sterben!“ immer für pathetischen Kack gehalten. Aber heute … weiß ich es besser. Deshalb kann ich auch mit Sicherheit sagen: Ganz egal, wer es jemals wagen sollte, dem Töchterchen das Herz zu brechen, der sollte sich mächtig warm anziehen … Ellas Papa hat absolut KEINE Angst vor dem Knast (er ist ein Optimist ;) )! Und ich lerne im Notfall sogar Kuchen (mit Feile) backen, damit es in die nächste Runde gehen kann. Ich hab sogar schon ein Back-Buch ;) .

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9 Kommentare für “Die Installation der Mutti-Angst

  1. Und ich dachte, ich wär alleine mit den Badematten-/Abfahrts-/LKW-Ängsten. Hurra! Und diesen “Spätgebärenden”-Parcours, den kenne ich nur allzugut…Würde auch so einiges anders machen, der Genetiktante (Gucken Sie mal, wie alt (!DAN-KE!) Sie dann schon bei der Geburt sind…!!!) zum Beispiel ihre Trisomie-Tabellen zum Fressen geben. Gut, dass es Hebammen gibt, die nicht um den heißen Brei herumsülzen und einem echten Rat geben (nicht so wie die Ärzte “Ich kann ihnen nichts raten, das müssen sie selber entscheiden” – Nachdem sie einen völlig verrückt gemacht haben mit Tests, an denen sie selber verdienen).

      1. Allein das Wort ist doch schon abwertend…gut, dass es nicht Altgebärend (wie im Englischen “older mothers”) heißt oder Nicht-mehr-ganz-frisch-gebärend…

  2. Hmmh….da zähl ich wohl zu den pragmatischen Optimismus-Muttis ? kann mich nämlich so rein gar nicht in deinen Text wiederfinden und fand ihn dann doch arg anstrengend!

    1. Muttis sind halt verschieden. Gottseidank! Und es ist doch total schön für dich, dass dich keine Ängste plagen. Beneidenswert! Freu dich einfach drüber :).

      PS: Wenn mir ein Text nicht gefällt, lese ich ihn nicht weiter. Da bin ich total pragmatisch ;) .

  3. Du sprichst mir mit den surrealen, rein theoretisch passierenden Geschichten, die sich erst schleichend und dann laut trompetend in unserem Kopf manifestieren, aus der Seele. Ich könnte die paar Beispiele, die du geschrieben hast (Kind fährt mit Kinderwagen einen nie endend wollenden Berg herunter, Mann und Kind werden von LKW überfahren) noch um viele, viele Fantastereien ergänzen.

    Was macht man nicht als Mami alles durch ?