Kennt ihr diese surrealen Momente, die an Traumepisoden erinnern? Ich habe einige wieder kehrende Träume, darunter Klassiker wie, z.B. dass ich wieder zur Schule gehe. Der Tag der Geburt unserer kleinen Miss vor zwei Wochen war so ein Erlebnis.
Bei einem PLAN-Kaiserschnitt wiegt man sich ja in der trügerischen Sicherheit, dass dieser Eingriff gut organisiert sei. Datum, Uhrzeit alles ist fix. Wobei ich mir ja von Anfang an dachte, wenn die kleine wilde Turnerin nicht doch früher kommt… Aber toi, toi, toi, sie hatte es nicht eilig. So konnten wir am Wochenende zuvor noch in aller Ruhe unseren Hochzeitstag feiern und mit dem Räubersohn bei strahlendem Sonnenschein einen Ausflug unternehmen. Während ich zusehends nervöser wurde, hatte das Krankenhauspersonal v.a. die Ärztinnen die Ruhe weg. Die eigentliche Geburts- und OP-Besprechung fand trotz vehementen Bitten unsererseits erst am Vortag des Eingriffs statt. Gott sei Dank war diese Ärztin freundlich zu gewandt und verständnisvoll. Das komplette Gegenteil der ersten Doktorin, die den letzten Feinultraschall in der Klinik durchführte aber uns, unsere Bedürfnisse, kaum beachtet hat. (Diese hatte mich doch tatsächlich zur normalen Geburt bekehren und in das andere nähere Krankenhaus schicken wollen, in dem unserer erster Liebling fast unter der Geburt gestorben wäre – einfach unfassbar!)
Nun es stand also fest: Morgens um 7.00Uhr mussten wir auf der Matte stehen. Im Krankenaus angekommen, sitzen neben bei der Anmeldung zum Kreissaal eine junge Schwangere und ihr Partner, die uns bekannt vorkommen. Aber sie erkennen uns zuerst: „Ihr wart doch mit uns auf der Neointensiv vor knapp drei Jahren!“ Tatsächlich, das ist ja wie im Film! Die beiden haben einen Sohn, der zwei Tage älter ist als unser Knirps und ebenfalls einen Sauerstoffmangel erlitt, jedoch mit weniger schlimmen Konsequenzen aber einer ebenso bangen Anfangszeit. Nun hocken sie da, schwanger mit dem zweiten Kind, einem Mädchen und haben ihren geplanten Kaiserschnitt am gleichen Tag, direkt vor uns. Verrückte Zufälle in einem verrückten Familienleben. Kein Drehbuchautor hätte sich das besser einfallen lassen können.
Im Vorfeld hatten wir ganz reale Organisationshürden wie immer: Den kleinen König haben wir für die Zeit, die ich im Krankenhaus bin, in Doppelschichten untergebracht. Wovon die Hauptzeit sowie die erste Nacht, die treuen Großeltern und Paten stemmen mussten, da in den Ferien der Pflegedienst nur dünn besetzt ist. Aber auch unsere Pflegerinnen gaben ihr Möglichstes und kamen sogar am Feiertag, abends und am Entlassungstag, Sonntagvormittags. Da wir erst den dritten Kaiserschnitttermin zugeteilt bekamen, war es klar, dass wir ca. drei Stunden warten müssen. Nüchtern natürlich, und das bei diesen sommerlich heißen Temperaturen. Aber um zehn war der OP noch von den uns bekannten Eltern mit Kaiserschnitt Nr. 2 belegt und wir wurden weiter vertröstet. Wir gingen in den nahen Park, einem alten Friedhof auf dem sich viele Eichhörnchen zwischen riesigen Mammutbäumen tummeln, zwischen schönen, alten Grabsteinen auf denen, die heute wieder modernen, alt-deutschen Namen Paul, Emma und Emil zu lesen sind.
Irgendwann wurde mir doch etwas schwummrig, der Mampa bekam auch Hunger er durfte mit meiner Erlaubnis zwei Brötchen in der Cafeteria verdrücken, ich bekam einen Glucosetropf. Denn ich wollte nicht riskieren, dass ich noch umkippe oder die Maus lasch zur Welt kommt. Die Großeltern und engsten Freunden vertröstete ich derweil mit SMS und Whatsapp Nachrichten, dass sie sich nach der ersten traumatischen Geburt nicht zu viele Sorgen machen. Als es Mittag wurde fragte ich ironisch an, ob sie auf eine bestimmte Uhrzeit am Nachmittag, vielleicht passend zum Datum, warten? Und dann durfte ich endlich in mein schickes Flügelhemd schlüpfen. Wir kamen in den Warteraum, der Vater musste hübsche grüne OP-Klamotten anziehen.
Dann ging alles sehr, sehr schnell. Ich wurde in den OP-Raum geschoben, die sterilen Folien und Planen wurden aufgepackt, das „schwere Gerät“ gerichtet, drei Spritzen für die spinale Betäubung setzen meine Unterkörper außer Gefecht, man schob mich auf den Tisch. Kurz sackte mein Blutdruck in den Keller, konnte aber schnell wieder hergestellt werden. Dann, eine kurze Ewigkeit später, durfte mein Mann zu mir.
Ritsch, ratsch schritten sie ans Werk. Ich war durch eine gute Freundin vorgewarnt, die komischen Tranchiergeräusche, das Ruckeln und Reißen erschrak mich daher nicht. Und ich hatte Glück, das alle Schritte von den Ärzten kommentiert wurden und ich wusste: So jetzt kommt sie.
Noch beim Herausziehen machte die kleine Miss ihren ersten gurgelnden Schrei. Sie ist da!
Sie schreit laut und kräftig, atmet, ist gesund – unser zweites Wunderkind. Halleluja!
Ein kleines verschmiertes Bündel wird mir gezeigt, kurz gewogen mit dem Papa an der Seite. Dann dürfen wir sie während dem Zunähen schon halten. Sie ist so klein und zart, sieht ihrem Bruder ganz schön ähnlich. Wie schön, das zu erleben, welch ein Segen!
Als wollte sie dieses unvergessliche Erlebnis noch toppen, kriecht sie zurück im Überwachungszimmer, schnüffelnd, sofort an meine Brust. Wie im Lehrfilm und das nach einem Kaiserschnitt, ich bin überwältigt. Meine Piratenprinzessin deine sanfte Landung ist geglückt, endlich bist du bei uns. Du bist perfekt und unser Mut hat sich gelohnt. Nur die Nachwehen reißen mich für eine Weile aus diesem Glücksgefühl. Wir kuscheln abwechselnd den ganzen Nachmittag bis abends. Da schaut dein Brüderchen vorbei, um dich kennen zu lernen. Die Nachwehen kommen wieder aber weniger heftig, die frische Kaiserschnittnarbe schmerzt bei jeder Bewegung. Leider ist kein Familienzimmer frei, der Mapa muss irgendwann gehen.
Die ganze Nacht liegst du bei mir, ich bin erschöpft, glücklich und dankbar. Ich bin ganz ruhig, alles ist wie es sein sollte, wir sind vereint, alles ist gut.
Diesen schönen Bericht hat Verena von sophiesanderswelt geschrieben :)