Geburtsbericht
Geburtsberichte

Helene erzählt

Abgesehen von dem unerträglich heißen Sommer in Berlin und einer letztlich unbegründeten Panik, dass sich der Kleine nicht rechtzeitig mit dem Kopf Richtung Ausgang drehen würde, hatte ich eine völlig unkomplizierte Schwangerschaft. Errechneter Termin war der 25.8.2018 (Samstag). Wir wünschten uns jedoch einen kleinen Löwen, also sollte er am besten am 23.8. (Donnerstag) oder früher kommen. Mein Mann musste allerdings beruflich Montag bis Mittwoch nach Erlangen. Meine Hebamme war jedoch fest davon überzeugt, dass es bestimmt nicht losgehen würde ohne ihn. Mittwochmorgen sollte mein letzter Akupunkturtermin sein und wir „verabredeten“ uns für eine Geburt am Mittwochabend. Nach einem unruhigen aber ereignislosen Wochenende startete der Montag extrem ruhig. Mein Mann fuhr früh morgens nach Erlangen und ich stellte einen Putzplan auf, um mich zu beschäftigen und abzulenken. Nach einem ruhigen und langweiligen Tag begannen abends die Wehen. Gegen 20 Uhr kamen sie ca. alle 15 Minuten und ich saß mit Wärmflasche im Rücken und einem großen Glas Magnesium-Sprudeltablette auf dem Sofa in der Hoffnung, den Spuk so beenden zu können. Ich war zunächst noch fest davon überzeugt, dass es wieder nur Senk- oder Übungswehen waren, die sich eben irgendwie anders anfühlten dieses Mal (mehr ein Ziehen im Rücken als ein Stechen in der Scheide). Schließlich war mir von allen Seiten wiederholt versichert worden, dass ich echte Geburtswehen sofort erkennen würde.  Allerdings bekam ich langsam Angst vor den echten Wehen, da sich diese „falschen“ Wehen schon sehr schmerzhaft anfühlten. Gegen 22 Uhr machte ich ein letztes Mal Bauchfotos und versuchte ins Bett zu gehen. Hoffnungslos. Die Nächste Stunde verbrachte ich im Badezimmer und pendelte zunächst zwischen Klo (natürliche Darmentleerung…) und Badewanne und stoppte Dauer und Abstand meiner Wehen. Die Wehen kamen nun alle 10 Minuten. Laut meiner Hebamme wären es erst Geburtswehen, wenn ich sie laut veratmen müsse. Ich dachte mir, ich hätte sie vielleicht anrufen sollen statt ihr eine SMS zu schreiben, aber hielt etwas entmutigt erstmal weiter auf allen Vieren in der Wanne durch. (Im Nachhinein hat sie mir erzählt, dass sie zuhause schon alles gerichtet hat für eine Nacht im Krankenhaus und fest damit gerechnet hat, dass ich mich bald wieder melden würde.)Bald hielt ich es im Bad nicht mehr aus und quälte mich zwischen den Wehen irgendwie aus der Badewanne. Nun verstand ich langsam, warum man den Wannentest besser nicht alleine machen sollte. Ich versuchte nochmal das Bett. Die Wehen veratmete ich auf allen Vieren. Die Wehenpausen waren gerade lang genug, um mich und meine Kugel halbwegs bequem auf die Seite zu rollen, bevor die nächste Wehe kam. Mittlerweile kamen sie alle 3 bis 5 Minuten. Nun bekam ich Panik alleine zu Hause und rief endlich meine Hebamme an (24 Uhr). Wir verabredeten uns für eine halbe Stunde später im Krankenhaus. Ich schaffte es aus dem Panikmodus in den Orgamodus zu wechseln und rief mir ein Taxi. Irgendwie schaffte ich es mich anzuziehen und noch die letzten Sachen in den Koffer zu packen. Ich packte sogar noch Wechselklamotten für meinen Mann ein, falls es noch lange dauern würde. Die Taxifahrt war zum Glück sehr kurz, da das Krankenhaus nur 1,5 km von uns entfernt war. Der Taxifahrer war sehr freundlich und hat versucht mich zu beruhigen und ein Gespräch anzufangen, aber mehr als einzelne Worte bekam ich schon nicht mehr raus. Ich wollte einfach nur möglichst schnell und mit möglichst wenig Wehen am Krankenhaus ankommen. Den Weg durch den Eingang der Notaufnahme zum Kreißsaal kannte ich zum Glück dank dem Geburtsvorbereitungskurs und mehreren Akupunkturterminen bereits sehr gut. Im Aufzug war noch eine andere Schwangere auf dem Weg in den Kreißsaal mit ihrem Partner. Als die Türen des Aufzugs aufgingen, schleppte sie sich zur Bank direkt gegenüber der Tür und schaute mich völlig entgeistert an, als ich alleine mit meinem Rollkoffer loslief. Ich hatte gerade keine Wehe und wusste, dass mir nur wenige Minuten blieben, um es zum Kreißsaalbereich zu schaffen. Das letzte was ich wollte, war mitten in der Nacht alleine auf einem dunklen Krankenhausflur meine Wehen zu veratmen. Ich lief also so schnell es ging über den Stationsflur und schaffte es gerade so bis zur Klingel.Die Tür ging auf und ich stand alleine mit meinem Köfferchen etwas hilflos im Eingangsbereich und wusste nicht wohin mit mir und meinen Wehen. Zum Glück nahm mich nach kurzer Zeit eine diensthabende Hebamme in Empfang und schloss mich schonmal ans CTG an, während wir noch auf meine Hebamme warteten. Ich konnte weder sitzen noch liegen und stützte mich am Waschbecken ab, während sie die Nierenschalen suchte. Mir war auf einmal kotzübel. Zum Glück kam nach zwei oder drei Wehen meine Hebamme und ging mit mir in den großen Kreißsaal, dem einzigen mit einem eigenen Badezimmer. Wir hatten mal darüber gesprochen, dass ich die Badewanne zur Entspannung versuchen wollte, doch dazu sollte es nicht kommen. Ich krabbelte erstmal auf das Kreißsaalbett und veratmete weiter Wehen auf allen Vieren. Diese kamen nun alle 1,5 bis 3 Minuten. Meine Hebamme musste nochmal raus, um sich umzuziehen und meine Unterlagen zu holen. Das waren mit die schlimmsten Minuten. Irgendwie dachte ein Teil von mir immernoch, dass sie mich gleich wieder heimschicken würden, und ich dort die ganze Nacht alleine verbringen müsste. Mein Mann war schließlich gerade erst mit dem Taxi auf dem Weg von seinem Hotel in Erlangen zur Autovermietung am Flughafen in Nürnberg. Nach der ersten Untersuchung um kurz vor 1 Uhr war mir endlich klar, dass ich nicht mehr alleine nach Hause gehen müsste. Ich war bereits bei 5 cm und meine Fruchtblase platzte bei der Untersuchung. Also rein in eine schicke Netzunterhose mit Surfbrettbinde. Das Legen des Zugangs war nochmal eine Herausforderung. Es fiel mir extrem schwer, dafür still zu halten, aber zum Glück klappte es gleich im ersten Anlauf. Meine Hebamme war eine super Stütze, sie ließ mich nur alleine, wenn es absolut nötig war und hielt zwischendurch auch einfach mal still meine Hand und reichte mir meine Wasserflasche. Wir hatten im Vorfeld über Schmerzmittel gesprochen. Da ich gegen Paracetamol allergisch bin und keine PDA wollte, blieben nicht viele Optionen. Außerdem hatte ich etwas Angst vor intravenös verabreichten Schmerzmitteln. Was wenn mir davon schlecht würde? Ich hätte sie ja dann schlecht wieder ausspucken können. Sie fragte mich kurz nach der ersten Untersuchung, ob ich etwas haben wollte. Zu dem Zeitpunkt ging es mir jedoch recht gut. Nicht mehr alleine zuhause zu sein, dass ich die Hälfte schon geschafft hatte und die Tatsache, dass es kein Fehlalarm war und also wahrscheinlich nicht mehr so viel schlimmer werden würde, hatten mich beruhigt. Ich war mir ziemlich sicher, das auch ohne Schmerzmittel schaffen zu können. Und kurz danach war es für Schmerzmittel eh zu spät.  Eine halbe Stunde später war ich bereits bei 7 cm. Nun wurde es heftig. Meine Hebamme muss wohl gehört haben, dass sich was tut, denn sie untersuchte mich gleich 10 Minuten später nochmal: 9cm. Das ging mir jetzt alles viel zu schnell und ich bekam Panik! Aus dem Vorbereitungskurs wusste ich, dass nun die schwierigste Phase kommen würde bzw. ich bereits mitten drin war, und dafür war ich noch nicht bereit. Mein Mann war doch noch nicht da! Auch unserem kleinen Monster ging die ganze Sache scheinbar etwas zu schnell, seine Herztöne waren nicht optimal. Also gab es für uns beide eine Ladung Glukose intravenös. Das half nur ein bisschen, sodass ich mich auf die rechte Seite legen sollte (2:00 Uhr). Um 2:10 Uhr war mein Muttermund bis auf einen Saum vollständig geöffnet. In den nächsten Wehen spritzte meine Hebamme jeweils ein bisschen Buscopan, sodass mein Muttermund um 2:45 Uhr vollständig geöffnet war. Irgendwie schaffte ich es kurz vorher zwischen den Wehen noch, eine SMS von meinem Mann zu lesen und zu beantworten. Er würde noch zwei Stunden brauchen. Mir wurde langsam klar, dass er es wohl nicht rechtzeitig schaffen würde, gab aber die Hoffnung nicht auf. Viel zu schreiben schaffte ich eh nicht, also bekam er nur die kurze Anweisung, direkt ins Krankenhaus zu kommen.   Um 3:00 Uhr verspürte ich starken Pressdrang und war völlig überrumpelt. „Das kann doch nicht sein, dass ich jetzt schon pressen muss!“ Aber es half alles nichts, ich musste einfach mitpressen. Die Herztöne waren wohl immer noch nicht optimal und der Kopf rutschte dafür nicht zügig genug nach unten. Ich kam zunächst mit der liegenden Position auf der rechten Seite nicht gut klar. Ich wollte mich irgendwo festhalten und wusste nicht wohin mit meinen Händen. Ich griff immer nach oben zum Kissen, bis meine Hebamme mir sagte, das würde die Energie in die falsche Richtung schicken, ich sollte besser mein Bein fassen. Mittlerweile war die Ärztin anwesend und sie entschieden sich für die Kristellerhilfe. Davor hatte ich ziemlich Angst. Ich hatte viele furchtbare Geschichten gelesen von Ärzten, die sich auf die Patientinnen schmeißen oder ihre Ellenbogen in den Bauch rammen. Ich verkrampfte ziemlich und wusste irgendwie auch nicht mehr wann eine Presswehe anfängt und aufhört. Etwas ratlos versuchte ich einfach auf gut Glück zu pressen, während von oben die Ärztin mithalf und unten meine Hebamme Kommandos gab. Meine Angst war unbegründet, die Ärztin drückte lediglich bestimmt mit ihrer Hand von oben auf meinen Bauch, was ich während des Pressens gar nicht wirklich spürte. Nach einer gefühlten Ewigkeit sollte ich mich wieder in meine Lieblingsposititon auf alle Viere begeben und gebar um 3:20 Uhr so den Kopf. Bevor ich den Geburtsbericht vom Krankenhaus gelesen habe, war ich fest davon überzeugt, ich hätte sicher eine Stunde oder länger gepresst, nicht bloß zwanzig Minuten. Ich dachte das Schlimmste sei geschafft, aber dann sollte ich mich auf den Rücken legen. Gar nicht so einfach mit einem Babykopf zwischen den Beinen, einer Infusion im Arm und zitterigen Armen und Beinen! Um 3:22 Uhr folgte nach einer gefühlten Ewigkeit in Rückenlage endlich auch der Körper. Der Kleine schrie nicht sofort, war wohl auch noch etwas geschockt von der schnellen Geburt. Er wurde mir jedoch sofort auf den Bauch gelegt und meine Hebamme rubbelte ihn dort noch kräftig mit dem Handtuch ab, bis er endlich laut meckerte. Ich erinnere mich leider nicht mehr wirklich an diese ersten Minuten. Ich weiß nur noch, dass ich mir dachte „von wegen Babies riechen gut, meins riecht nach Blut“ und „so schlimm war das gar nicht, das kann ich nochmal machen“. Äußerst komisch fand ich das Gefühl, die Nabelschnur aus mir raus hängen zu fühlen. Nach einigen Minuten trennte ich sie selbst durch. Ich war überrascht, wie schwierig es war sie durchzuschneiden und war etwas traurig, dass mein Mann nicht da war für diesen Akt. Aber es fühlte sich auch gut an, diese Verbindung zu meinem Baby selbst zu kappen. Dank einer Ladung Oxytocin folgte die Plazenta zügig und vollständig. Die Plazenta zu gebären fand ich nochmal sehr unangenehm. Ich war überzeugt, dass untenrum sicher alles kaputt sein müsste. Aber es war geschafft! Richtig glücklich war ich kurz später, als die Ärztin verkündete, dass ich nur ein paar Schürfwunden hätte, die sie nicht nähen wollte, wenn nicht unbedingt nötig. Die Wunden hörten bald auf zu bluten und ich musste glücklicherweise nicht genäht werden. Kurz danach wechselte ich in ein normales Bett und während der U1 kam endlich mein Mann dazu. Unser kleiner Löwe kam mit 3.620 g, 53 cm und einem Kopfumfang von 36 cm auf die Welt. Meine Hebamme hat mir später erzählt, dass es gut war, dass die Ärztin seine Maße vorher nicht kannte. Sie hätte wohl am liebsten schon zur Schere gegriffen, was meine Hebamme aber noch verhindern konnte. Ich bin unglaublich froh, mich schon früh in der Schwangerschaft um eine Beleghebamme gekümmert zu haben. Ich weiß wirklich nicht, wie ich das ohne sie geschafft hätte. Die Vorstellung, ganz alleine ohne 1:1 Betreuung im Kreißsaal zu sein, ist ganz schön gruselig.
Diesen schönen Geburtsbericht hat Helene geschrieben. :)

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