Normal
Rabenmutter 2.0

Warum es so toll ist, dass wir unseren Kindern „nebenbei“ beibringen, was normal ist.

Ich hab da so einen Tick: Ich rasiere mir jeden Tag unter der Dusche die Beine. Schon seit locker 25 Jahren. Natürlich muss das nicht sein, schon gar nicht im Winter. Und gut für die Haut ist es sicher auch nicht. Dennoch mache ich es, weil ICH mich dann wohler fühle … und mich schlicht daran gewöhnt habe, es zu tun. Ich denke da überhaupt nicht mehr drüber nach. Es ist normal für mich, ganz unabhängig davon, wie andere das handhaben oder bewerten. Und weil es für mich normal ist, ist es das auch für meine Kinder, denn sie haben mir schon tausend Mal dabei zugesehen. DAS wurde mir letztens ganz plötzlich wie ein Gongschlag direkt ins Gehirn bewusst, als ich den gelangweilten Blick meines Söhnchens an meinen frisch rasierten, noch nassen Beinen kleben sah und mir auffiel, dass nicht mal die große Tochter es bisher für nötig befunden hatte, mich mal zu fragen, was ich da mache und warum. Für beide ist es ein normales Verhalten von erwachsenen Frauen, einfach deshalb, weil ICH es so mache.

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Unser normal wird auch ihr normal.

Ja, das ist ein etwas albernes Beispiel dafür, dass mir die Tragweite unserer Vorbildfunktion endlich mal so richtig bewusst wurde … aber man kann sich seine Aha-Momente halt nicht aussuchen. ;) Viel wichtiger ist aber ja auch, was ihnen folgt. In diesem Fall nämlich die Erkenntnis, dass wir – wenn auch vielleicht nicht ewig lange – die „Macht“ haben, unseren Kindern ein Verständnis davon zu vermitteln, was normal mal ist, ohne groß etwas dafür zu tun oder uns pädagogisch zu verausgaben. Das ist absolut nicht neu, aber irgendwie habe ich mir vor diesem Moment im Badezimmer nie die Zeit dafür genommen, diese Chance, diese Möglichkeit einmal komplett zu erfassen. Fakt ist, dass wir unseren Kindern Gewissheiten, ein Empfinden für „normal“, ja, sogar für richtig und falsch einpflanzen können, nur indem wir es vorleben … ohne große Erklärungen und Hintergrund-Informationen! Das ist fantastisch!!! Und auch ein klitzekleines bisschen beängstigend, denn schließlich funktioniert diese wunderbar un-anstrengende Technik des Spiegelns in zwei Richtungen.

Meine Kinder sagen zum Beispiel beide völlig automatisiert bitte und danke – egal wo sie sind. Das habe ich ihnen nie explizit „beigebracht“ oder groß erläutert, dass haben sie sich schlicht abgeguckt, weil ich das halt mache. Weil: Normal, ne?! Allerdings wollen sie auch jedes Mal Chips haben, sobald wir uns als Familie vor die Glotze werfen. Leider auch normal für sie, weil ICH das mache. Immer noch NICHT normal: Händewaschen, wenn man zu Hause reinkommt. Ebenfalls meine Baustelle: Ich vergesse es so oft, mir SELBST die Hände zu waschen, dass es für sie auch nicht zur normalen Gewohnheit wird. Und da hilft auch ständiges kommunizieren bzw. erklären, WARUM es wichtig ist, nicht … ICH muss es als normal vorleben, erst dann übernehmen sie es zu 100% und speichern es als „normal“ ab. Voll einfaches Konzept – und doch mit krassen Tücken, denn es legt den Fokus auf das VERHALTEN von uns Erwachsenen – und das geht ja oft nicht so ganz konform mit dem, was wir sagen und/oder unseren Kindern gern „anerziehen“ wollen.

Manchmal hat man einfach Glück ;)

Letztens postete ich folgende Unterhaltung mit der Mausemaus auf meinen Social Media Kanälen:

Tochter: „Mamaaa, es gibt dicke und dünne Leute.“

Ich: „Stimmt. Und ist es wichtig, ob jemand dick oder dünn ist?“

Tochter: „Neeee, es ist nur wichtig, ob man gesund ist. Und glücklich!“

Ich bekam daraufhin in den Kommentaren wirklich wunderbare Komplimente in die Richtung: „Da hat die Mama alles richtig gemacht“ oder: „Das zeugt von guter und bewusster Erziehung!“, die zwar runter gingen wie Öl, aber mich auch ein bisschen beschämten. Denn ganz ehrlich: Ich kann mich nicht erinnern, die Mausemaus bei diesem Thema in irgendeiner Form positiv beeinflusst zu haben. Zumindest nicht BEWUSST! Es ist eigentlich eher so, dass ich selbst gerade als junges Mädchen Probleme mit meinem Gewicht hatte, mir viel zu viel Gedanken darüber gemacht habe und es bis in eine Essstörung habe ausufern lassen. Ich hatte also nie ein NORMALES Körpergefühl oder habe NORMAL gegessen. Vielleicht sogar heute noch nicht. Aber möglicherweise trage ich es dennoch nach außen; vermittle meinen Kindern als normal, dass die Figur nichts über einen Menschen aussagt oder die Basis für ein glückliches Leben sein kann. Weil es aber so gänzlich unbewusst passiert, bin ich in Situationen, in denen sie es in Worte fast, immer absolut erstaunt und gerührt, weil ich denke: „DU kleine Mausemaus hast es verstanden; und diese Sichtweise sollte für alle normal sein.“

LÄCHELN UND WINKEN hat mich verändert – auch das wird meine Kinder beeinflussen.

Ich weiß nicht genau, wann es angefangen hat, aber dieser Blog hier, LÄCHELN UND WINKEN, und all die wunderbaren Eltern, die ihm folgen, haben mich verändert. Weil es mehr als eine Einbahnstraße ist, weil nicht nur ich etwas von mir preisgebe, sondern auch meine Leser von sich auf den Social Media Kanälen, in Kommentaren und Nachrichten und weil der Umgangston ein besonderer ist. Irgendwie macht es uns alle aufgeschlossener für unterschiedliche Sichtweisen, wir verurteilen einander nicht mehr so schnell, versuchen stattdessen, uns gegenseitig zu unterstützen … im Netz, aber wenn möglich auch im echten Leben. Die #MoSiA sind längst mehr als eine reine Online-Community. Auch auf der Straße oder dem Spielplatz lächeln wir fremde Mütter eher an, als sie zu mustern. Wir bewerten nicht mehr direkt, sondern fragen nach, wenn wir es nicht verstehen. Wir suchen Nähe zu jenen, die genau wie wir unperfekt sind, aber lieber darüber lachen, als uns zu grämen oder zu verstecken. DAS wurde zu meiner Normalität … und DAS sehen die Kinder. „Ich kenne das Mädchen da noch nicht, sie ist NOCH NICHT meine Freundin“, sagt die Mausemaus oft bevor sie losgeht, um das bisher fremde Kind anzuquatschen und zum gemeinsamen Spielen aufzufordern. Und jedes Mal möchte ich sie am liebsten ablecken vor Liebe! Natürlich ist dieses Verhalten, dieses wahnsinnig positive Auftreten garantiert nicht nur mein Verdienst – viel davon steckt einfach eh in ihr drin und macht ihr Wesen aus. Aber ich helfe ihr dabei, es sich zu bewahren, indem ich es genauso vorlebe, anstatt sie auszubremsen. Und gleichzeitig mache ich mein Leben besser … was für ein schöner Nebeneffekt. :D

Klar, wir alle wissen um die Vorbild-Funktion, die wir unseren Kindern gegenüber einnehmen. Und auch wie mächtig sie ist – das kapiert jede Mutter und jeder Vater spätestens dann, wenn uns der Nachwuchs zum ersten Mal mit unseren eigenen Waffen schlägt oder den eben schon erwähnten Spiegel zückt, um ihn uns vor die Nase zu halten. Allerdings habe ICH für meinen Teil tatsächlich erst in diesem bekloppten Moment im Badezimmer begriffen: Was wir unseren Kindern jeden Tag „vormachen“ – oft sogar ganz unreflektiert – bleibt nicht an der Oberfläche ihrer kleinen Persönlichkeiten hängen, es nistet sich ganz tief in ihnen ein, wird zu ihrer Wahrheit, zu ihrer NORMALITÄT … die im besten Fall ihr Leben lang ein wohliges Gefühl der Sicherheit auslöst. Nämlich die, etwas richtig und gut zu machen, weil Mama und/oder Papa das eben auch so gemacht haben. Eine große Verantwortung. Aber vor allem … eine große Chance. <3

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PS: Wie immer freue ich mich, wenn ihr diesen Text teilt! Danke! <3

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Ein Kommentar für “Warum es so toll ist, dass wir unseren Kindern „nebenbei“ beibringen, was normal ist.

  1. Du schreibst wir MoPoSiAs reflektieren mehr und ich kann das für mich nur bestätigen!
    Ich bin letztens um neun abends mit der Straßenbahn heim gefahren und sah eine Frau die ihrer ca zweijährigen Tochter eine handyhalterung an den Kinderwagen gemacht hat damit die sich am Handy was anschauen kann!
    Eigentlich ein absolutes No go für mich! das war der erste Gedanken und kurz darauf dachte ich wieso wohl? Vl müssen sie täglich durch die ganze Stadt tingeln! Meine Tochter kann in der Bahn schon einmal im Monat nicht still sitzen – wenn ich täglich mit ihr für mehrere Stunden ubd das auch noch spät abends unterwegs wäre hätt ich Vl auch eine handyhalterung!
    Ich bin immer noch stolz auf mich diese Mutter nicht sofort vorverurteilt zu haben! Bestimmt auch dank deinem Blog und der Gruppe!