Charlotte und Dante haben sich auf der Arbeit kennengelernt. Und als Charlottes Beziehung in die Brüche ging, fingen die beiden etwas miteinander an. Es sollte nichts Ernstes sein. Eher nur Spaß mit einem viel jüngeren Mann und ihr Herz heilen. Dass hat es auch. Allerdings etwas umfassender, als geplant: Charlotte wurde schwanger – ziemlich flott sogar und daher etwas überraschend. Dennoch haben die beiden sich sofort gefreut und ihren Beziehungsstatus aus verschiedenen Gründen schnell aus der reinen Spaß-Zone in eine mit Zukunft manövriert. Seitdem sind sie irgendwie etwas Besonderes … denn Charlotte ist Gerontopsychiatrische Fachkraft, Dante Azubi zur Altenpflegefachkraft – und das nicht, weil er sich spät für eine weitere Ausbildung entschieden hat, sondern schlicht weil er noch jung ist: 20 Jahre. Seine Lebensgefährtin und Mutter seiner Tochter hingegen ist bereits 30 Jahre – und genau DAS ist es, was die beiden zu einem „bunten Hund“ unter den Familien macht. Wenn die Frau die Ältere in der Beziehung und der Mann tatsächlich noch so jung wie Dante ist, wird von vielen Außenstehenden mit dem Kopf geschüttelt … und der Liebe – geschweige denn der FAMILIE – kaum eine Chance gegeben. Im Eltern-Interview erzählen die zwei, wie ihr gemeinsames Leben mit Baby tatsächlich aussieht. <3
Eltern-Interview mit Charlotte und Dante, der 30jährigen Mama und dem 20jährigen Papa
1. Gibt es etwas an dir oder deiner Familie, dass die Menschen in deinem Umfeld (oder auch die Gesellschaft) als „anders“ oder „besonders“ bezeichnen würden? Wenn ja, was ist es?
Da gibt es wohl mehrere Dinge: Zum einen ist Dante 10 Jahre jünger als ich, war somit bei der Geburt unserer Tochter 19 Jahre alt. Dann stößt vielen auf, dass die Zeugung unserer Tochter ein Versehen war … und das kurz nachdem ich mich von meinem Ex-Partner getrennt hab – Dante hat mich getröstet. ;) Und was wohl auch ungewöhnlich ist: Ich war, als wir uns gefunden haben, die Vorgesetzte von Dante. Wenn ich mir das durch den Kopf gehen lasse, dann stößt es in der Gesellschaft/der Umgebung wohl nur auf Unverständnis/Überraschung, da wir gesellschaftlich gesehen die „Rollen” getauscht haben und ich die Ältere etc. bin.
2. Welche Reaktionen erntest du dafür, dass du bzw. ihr in einigen Punkten von der „offiziellen“ Norm abweicht?
Von überraschten Gesichtern über gemurmelte Oha’s bis zu schlicht unsicherem Gekicher und Kopf schütteln, bekommen wir eigentlich alle Reaktionen.
Was schon manchmal schlimm ist: Mein Partner wird als Vater und auch als mein Partner oftmals nicht für voll genommen. Da kommen dann Kommentare von wegen, dass er das doch eh nicht kann und ICH die Kleine doch besser wickeln oder beruhigen sollte. Oder es wird gesagt: „Naja, gut, dass du eine ältere, kompetente Frau an deiner Seite hast, sonst würdest du ja verloren dastehen.“
Da wir auf einem Dorf leben, kommt es manchmal sogar zu offensichtlichen Abneigungen, wie (heftigste Reaktion): „Nein, das ist uns zu komisch mit euch – wer weiß wie ihr so tickt und daher wollen wir lieber nicht nochmal mit euch spazieren gehen.“
Solche Kommentare und Reaktionen überhört man zwar inzwischen meist, aber deswegen sind sie vor allem für Dante nicht weniger verletzend und nervig. Er fühlt sich selten ernst oder für voll genommen, auch weil er ein sehr stiller, oftmals introvertierter Mensch ist und ich eher laut und extrovertiert.
Ich denke die für mich schlimmste Reaktion war, als ich einer Bekannten gesagt habe, wie alt Dante ist und das ich von ihm schwanger bin. Sie sagte: „Naja, Unterhalt wird dein Betthäschen schon zahlen können, wenn es dann auseinander geht.“ Auf die Frage, warum es auseinander gehen sollte, kam dann das Argument, dass ich ihm bestimmt bald zu alt sein werde und er sich eine jüngere suchen wird.
In der Arbeit war es damals auch eine sehr schwierige Situation, denn wir hatten ja zunächst keine Beziehung. Da ich in der Pflege arbeite, musste ich sofort meinen Vorgesetzten sagen, dass ich schwanger bin und das Dante der Vater ist. Alle waren schockiert und konnten es einfach nicht verstehen, wie ich als Vorgesetzte mit dem damals noch als Helfer arbeitenden Dante ins Bett hüpfen konnte und dann noch ein Kind dabei rausgekommen ist. Manche waren regelrecht sauer, weil ich in ihren Augen mein Gesicht verloren und sie doch so große Stücke auf mich gehalten hätten.
Unsere Familien und enge Freunde wiederum kaum reagiert und es einfach als gegeben akzeptiert.
3. Welchen Einfluss hat das auf dein Leben … als Individuum, aber auch als Frau und Mama?
Schwierige Frage. An sich gar nicht so viel, denk ich, da der enge Familien- und Freundeskreis nie wirklich ein Problem darin gesehen haben.
Manchmal ist es natürlich nicht ganz so einfach mit einem so viel jüngeren Partner zusammen zu sein. Dante hat viele Erfahrungen noch nicht gemacht, die ich bereits gemacht habe; da nicht einzugreifen und ihn seine eigenen Erfahrungen machen zu lassen, ist nicht immer einfach für mich. Manchmal gibt es auch aufgrund des Altersunterschiedes massive Unterschiede, wie wir Dinge sehen und das führt dann zu Konflikten. Zum Beispiel das Thema Ausdrucksweise: Ich kann bis heute weder „Geil”, noch „Scheiße” in Gegenwart meiner Mutter und teilweise auch so nicht aussprechen. Dante hat manchmal eine für mich unmögliche und zu vulgäre Ausdrucksweise, die er sich gerade abgewöhnen muss, da ich das in Gegenwart unserer Tochter nicht möchte.
Als wir darüber gesprochen haben, was wäre, wenn unsere Tochter sich piercen lassen wollen würde, kam es auch zu einer klaren Meinungsverschiedenheit: Ich sage unter 18 geht gar nicht, er sagt ab 14 ist das ok. (Wir sind beide mehrfach gepierct).
Die Meisten denken sofort, dass es bei uns ein Konflikt ist, dass er noch gerne ausgeht und ich nicht. Das Problem haben wir absolut nicht. Zum einen geht Dante nicht so gerne aus und zum anderen reicht uns beiden einmal monatlich. Einmal monatlich haben wir Pärchen-Abend – wir gehen essen, auf eine Veranstaltung, ins Kino oder ähnliches. Wenn einer von uns zwischendurch auf ein Konzert oder irgendwas anderes tun möchte, versuchen wir es dem anderen zu ermöglichen – hat bisher immer geklappt.
Aber an sich reibt man sich ja immer aneinander, wenn man noch nicht lange zusammen ist, gleich zusammengezogen ist und noch dazu ein Baby bekommen hat. Ich denke nicht, dass wir eine andere Beziehung als andere Paare mit Baby haben.
Als Frau ist es manchmal durchaus ein Unterschied mit einem jüngeren Partner zusammen zu sein, als im Vergleich mit älteren Ex-Partnern. Zum Beispiel im Bett: Ich habe die Erfahrung machen dürfen, dass ein jüngerer Mann noch wesentlich aufgeschlossener, interessierter und mit weniger Altlasten aus ehemaligen Beziehungen behaftet ist. Er hält länger durch und experimentiert auch mal – es ist ein tolles Sexleben. Natürlich gibt es bei älteren Männern auch Ausnahmen, leider hab ich die nie kennen gelernt.
Als Mutter muss ich sagen, dass mein Partner ein so toller Mensch und Vater ist. Im Vergleich zu anderen Vätern macht Dante so viel mit unserer Kleinen (2x wöchentlich Papa-Baby-Sport, liest ihr vor, trägt sie auch viel, spielt viel mit ihr) und räumt mir so viel Zeit für mich ein (1x wöchentlich Yoga, 1x monatlich Kurs, Nähzeiten) – mehr kann man sich nicht wünschen. Natürlich ist Dante vor allem aufgrund seines Alters unsicherer bei der Kleinen als ich, aber er scheut sich nicht nachzufragen, will ständig lernen (zum Beispiel Babymassage) und an sich kann er ja Menschen pflegen, ist ja auch sein Beruf.
4. Was für eine Art Mama bist du? Was liebst du besonders an dieser Rolle? Was nicht so? ;)
Ich sag‘s mal mit den Worten einer Freundin: „Mutter a la Hippie-Punk, mit ganz schön spießigen, sehr kritischen und ernsten Zügen.” :D
Ich liebe unser Familienbett, wir tragen sie sehr viel und haben keinen Kinderwagen. Da wir möglichst auf Plastik verzichten, hat sie kein Plastikspielzeug und ich gebe Plastikspielzeug auch zurück, wenn‘s jemand schenken will. Ich habe ein sehr großes Vertrauen in das Können unserer Kleinen und lasse sie in der von uns geschaffenen Ja-Umgebung alles erkunden und ausprobieren. Ja, sie fällt auch um und tut sich weh, aber das gehört zum Lernen und zur Entwicklung. Ich bin, wie viele sagen, sehr locker und nicht überbehütend.
Ich liebe ganz besonders den verliebten Blick meiner Tochter, das Lächeln, wenn sie aufwacht und uns sieht, und diese unvergleichliche Liebe. Was ich auch sehr liebe, ist, dass ich meinen Organisationszwang voll ausleben kann und tolle Kleidung für die Kleine nähen kann. J
Was ich nicht so mag ist die Angebundenheit. Man ist kaum noch allein und muss seine Freizeit genau planen. Das Stillen macht einen noch abhängiger, zum Glück nimmt sie auch MuMi über die Flasche.
5. Was wünschst du dir am meisten für deine Zunft? Und was für die deiner Kinder?
Ein weitestgehend harmonisches Zusammenleben mit meinem Partner und unserer Tochter. Eine tolerantere Gesellschaft, die andere Beziehungs-/Familienmodelle nicht mehr als unnormal ansieht. Ich würde gerne meine Karriere wieder verfolgen, aber das natürlich ohne die Kleine zu vernachlässigen. Es sollte meiner Ansicht nach einfacher sein, seine Kinder, wenn man möchte, bis zum dritten Lebensjahr zu Hause zu betreuen.
Dass wir uns weiterhin mit Gemüse selbst versorgen können und unseren Plastikarmen Lebensweg leben können, wäre mir auch ein starkes Bedürfnis … vertieft hab ich diese Lebensweise ja mit der Schwangerschaft.
Für meine Tochter wünsche ich mir, dass sie noch richtigen Schnee und richtige Jahreszeiten erleben kann. Dass sie alle Möglichkeiten hat und diese auch nutzt. Ich wünsche mir, dass sie sich in unserem „Dorf” wohl fühlt und dadurch geschützter ist. (Unser Dorf besteht aus unseren beiden Großfamilien, den nahen Freunden und der Mami-Gruppe, denn um ein Kind aufzuziehen benötigt es ein Dorf). Ich wünsche mir einfach, dass sie zu einem fröhlichen, glücklichen, selbstständigen, selbstbewussten, tierlieben, umweltbewussten, kritischen, kreativen und intelligenten Menschen heranwächst, also das, was sich wahrscheinlich jede Mutter wünscht.
Liebe Charlotte, liebe Dante, vielen, vielen Dank für dieses sehr interessante Interview! Ich wünsche euch von Herzen nur das Beste für eure Zukunft als Familie! :-*
Und nochmal zur Erinnerung, warum ich diese tolle Interview-Reihe gestartet habe: Ob wir gute oder schlechte Eltern sind, hängt nur davon ab, ob wir aufgrund unserer innigen Liebe zu unseren Kindern immer darum bemüht sind, die besten Mamis und Papis zu sein, die wir sein KÖNNEN. Nicht mehr und nicht weniger. Das eint uns! Und genau DAS möchte ich mit dieser Interview-Reihe zeigen – um der Chance willen, mehr übereinander und unterschiedliche Lebensmodelle oder Persönlichkeiten zu erfahren. Weil ich das unheimlich toll und spannend finde … und ihr doch sicher auch?! Deshalb freue mich sehr, wenn sich weiterhin viele melden (mit einer Mail an hallo@laecheln-und-winken.com), um mitzumachen und etwas von sich zu erzählen.
PS: Wie immer freue ich mich, wenn ihr diesen Text teilt! Danke! <3