Geburtsbericht
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Leserin-Geburtsbericht: Sonja A. erzählt

Vorab eine kleine Triggerwarnung: dies ist der Geburtsbericht von meinem ersten Sohn. Die Geburt selber war völlig in Ordnung, jedoch die Zeit danach leider nicht (schwere Lungenentzündung, Intensivstation).

März 2015. mein Mann arbeitete unter der Woche in einem Projekt in Wiesbaden und ich kam ihn dort oft besuchen. Ich war gezwungen meinen kompletten Urlaub vor dem Mutterschutz zu nehmen, was mir als Arbeitsjunkie doch wirklich schwer fiel… Tagsüber war ich alleine, verbrachte meine Zeit mit Fernsehen gucken, Spaziergängen oder lesen. -liegen und brüten- war die Empfehlung meiner Frauenärztin für die letzte Zeit vor der Geburt. Es waren noch mehr als 4 Wochen bis zum errechneten ET und ich fühlte mich großartig, so wir schon die ganze Schwangerschaft.  Ich dachte noch nicht über die Geburt oder erste Anzeichen nach und hatte auch kein schlechtes Gewissen meinen Mann in Wiesbaden zu besuchen.

Es war Montag morgen, ich hatte gerade eine Serie fertig geschaut, als der Lieferservice einer größeren Einkaufskette klingelte (die Projektwohnung von meinem Mann war im 5.Stock ohne Aufzug und ich lies mir in dieser Zeit die Einkäufe samt Getränken von armen Aushilfen bringen, die keuchend und mit hochrotem Kopf immer oben ankamen). Ich stand auf und merkte, dass ich irgendwie „undicht“ war. Oh Gott – dachte ich – hoffentlich mache ich jetzt nicht mit nasser Hose die Tür auf. Doch alles ging gut. Niemand bemerkte etwas.

Das Tropfen hörte nicht auf. Ich war unsicher. Entschloss aber erst einmal abzuwarten und zu schauen, ob Wehen oder sonstiges sich mitankündigten. Aber nichts. Als mein Mann abends nach Hause kam und ich ihm erzählte, dass irgendetwas anders sei als sonst, wollte er umgehend mit mir in die Klinik fahren. Aber auch hier traf ich die Entscheidung, die Nacht noch abzuwarten und erst einmal schlafen zu gehen. Und es war genau richtig. Ich schlief in dieser Nacht so gut und so lange, wie ich es die nächsten 5 Jahre fast nicht wieder tun würde ;-)

Morgens um 8 Uhr dann stellten wir uns in der großen Klinik in Wiesbaden vor (dort wo man auch vor der 37.SSW hingehen kann) und ich wurde mehrfach untersucht (nein, das Tropfen war kein Fruchtwasser). Die Empfehlung von der Ärztin dort war: stationär aufnehmen, 24h Beobachtung. Die Wehentätigkeit war ihr zu intensiv (wovon ich nichts spürte). Ein Graus! 24h in einem Krankenbett gefesselt, ohne dass ich wirklich was machen konnte… ich war deprimiert. Aber ich fügte mich und begann an diesem Dienstag mit sämtlichen Freunden und Verwandten zu telefonieren, alle Serien zu gucken, die das Krankenhaus zu bieten hatte und zu lesen … auch hier wieder etwas, was ich für die nächsten 5 Jahre nicht nochmal ungestört und alleine tun werde :-)

Abends dann gegen 23 Uhr legte ich mich schlafen… als ich nur eine Stunde später von einem lauten Knall und einem großen Schwall wach wurde…! Die Fruchtblase war pompös geplatzt und ich hatte mich so erschreckt, dass ich geistesabwesend erstmal auf Toilette rannte, obwohl mir ausdrücklich empfohlen wurde zu l-i-e-g-e-n. Als ich dann nach einiger Zeit realisierte, dass ich das Krankenhaus nicht mehr schwanger verlassen werde rief ich meinen Mann an und mit einem knappen Satz „Fruchtblase ist geplatzt“ fand unsere Konversation auch schon jäh ihr Ende. Ich klingelte nach der Schwester, teilte ihr mit, was passiert war „
(„Isset dringend??? Wir haben da noch nen Notfall vor ihnen!!! … äh, ne… glaub nicht… ) und als sich die erste Aufregung gelegt hatte, lag ich da..
-hm, das war es jetzt also. Die Geburt ging los – Ich hatte keine Wehen, keine Schmerzen, ich wusste nicht was auf mich zukommt… naja, erstmal doch gut, oder? Vielleicht bin ich eine der Frauen, bei denen alles glimpflich ausgeht (ahahahahahahahaha!!!).

Es dauerte keine 4(!) Minuten, nachdem ich meinem Mann mitgeteilt hatte, dass die fruchtblase geplatzt war, da rief er mich auf dem Handy zurück „wo bist du ???!!!! Ich bin hier im kreissaal, kann dich nicht finden!!“ „ äh, ich bin noch auf dem Zimmer. Dauert was, bis die mich runter schieben. Muss liegen.“
WTF – wie hat mein Mann die Strecke in 4 Minuten bitte geschafft? Die Projektwohnung liegt mindestens 12 Minuten entfernt?
Keuchend und kreideweiß kam er hochgeeilt, dachte wohl er findet mich schreiend und Beckenkreisend im Zimmer. Aber da lag ich, grinste ihn an und so warteten wir gemeinsam, was da auf uns zukam.

Es war nachts um kurz vor 2, als ich dann im Kreissaal an den CTG gelegt wurde und sich die 1.Hebamme vorgestellt hatte. Langsam merkte ich sanfte Wehen, der Muttermund war 2cm geöffnet. Soweit so gut. Wir hatten einen riesigen schönen Kreissaal, in den mich die Schwestern mitsamt Bett geschoben haben. Wir machten Musik an und warteten. Um 6 Uhr hatte sich immernoch nicht viel getan. Ich war aber guter Dinge, zumal im Radio die besten Hits der 90ger lief und ich bei dem ein oder anderen Lied laut mitsang.

Leider sollte die gute Laune nicht lange währen. Hebamme Nr.2 beschloss, dass die Geburt nun mal etwas an Fahrt aufnehmen sollte und wollte mich an den Wehentropf hängen (Muttermund immer noch nur 2cm, das glich ihrer Meinung nach einem Geburtsstillstand). Genau hier kippte meine Stimmung um 180 Grad. Wehentropf (!). Das Ding, das Wehen 10 mal stärker erscheinen lies, als sie überhaupt sein sollten. Das Ding, das eine Geburt „unnatürlich“ unter Druck setzte.  Mit diesen Gedanken fing ich an Rotz und Wasser zu heulen. Genau das wollte ich nicht. Ich war offen und ohne Erwartungen an die Geburt gegangen. PDA oder nicht. Spontane Geburt im Stehen oder Liegen… Aber einen Wehentropf wollte ich unter keinen Umständen! Leider war das Einfühungsvermögen von Hebamme Nr. 2 etwas verkümmert und es interessierte sie nicht die Bohne was meine Wünsche und Vorstellungen waren und so wurde ich gegen 9 Uhr an den Wehentropf gehangen.
So wenig wie die Hebamme mit Empathie glänzte, umso mehr zeigte sie ihre permanente Abwesenheit. Nur des Protokolls wegen kam sie mal alle 2 Stunden rein schauen und stellte den Wehentropf nochmal gefühlt auf 200% ein, bis sie dann gegen Mittag die Geduld verloren hat.

„Sie liegen auf dem Rücken, das ist schlecht! Legen sie sich bitte mal auf die linke Seite!“ Ja, ich lag seit einiger Zeit auf dem Rücken, aber mit aufrechter Rückenlehne vom Bett (fast schon sitzend). Als ich mich erst weigerte, raunzte sie mich schon fast an ich solle mich nun mal endlich nach links legen! So gab ich auf und drehte mich – langsam wie ein Walross – auf die linke Seite. Was dann geschah ärgert mich bis heute enorm (ignoriert nie nie niemals eure innere Stimme unter der Geburt!!). Mir wurde schwarz vor Augen. Richtig schlecht! Dann hörte ich erst nichts mehr (das Herz hörte im CTG auf zu schlagen), dann ein Notruf, mehrere Ärzte kamen mit einem Schlag ins Zimmer. Ich wurde sofort nach rechts gedreht, bekam etwas in die Vene gespritzt (Wehenhemmer – na toll, wieder bei 0 anfangen..) und dachte, dass ich jetzt sterbe!- ich bekam starkes Herzflimmern, zitterte, war wie weggetreten, als endlich wieder die Herztöne von unserem Kind zu hören waren …
Ich stand so unter Schock, dass ich erst einmal etwas zur Stabilisierung und eine Sauerstoffmaske bekam. So lag ich dann fast eine Stunde, unfähig mich zu bewegen. Innerlich kochte ich vor Wut über diesen unhöflichen, inkompetenten Ton der Hebamme, die mich noch kurz vor Schichtwechsel anschaute und sagte „lachen sie doch mal! Ist doch alles nicht so schlimm…!“

Nicht so schlimm, nicht so schlimm…! Wenn ich nicht gefühlt eine halbe Fußballmannschaft im Bauch hätte und wahrscheinlich direkt umkippen würde wenn ich ihr hinterher laufe, wäre es mir eine Freude ihr zu zeigen was nicht so schlimm ist…! So verabschiedete sich Hebamme Nr. 2 von mir, indem sie den Wehentropf nochmal auf den volle. Anschlag drehte.

14 Uhr. Okay, nun weiß ich was Wehen sind. Warum sie Wehen heißen. Warum Frauen unter den Wehen schreien, fluchen, hadern, tönen, treten, beißen und nach sämtlichen Schmerzmitteln fragen, die die Menschheit je erfunden hat. „RUF BITTE SOFORT DIE HEBAMME!!! Jetzt!!!!!!“ mein armer Mann lief im 5 Minuten Takt auf den Flur, um wieder zurück geschickt zu werden. Gleich würde mit Sicherheit jemand kommen. „Die liegen da im Gang und haben alle Wehen, der Kreissaal ist total überfüllt!“ „DAS IST MIR SCHEISSEGAAAAAAAAAAAAAA(…)AL”.

Endlich. Eine Tür öffnete sich und Hebamme Nr. 3 stellte sich vor. Mit einem warmen Lächeln sagte sie, dass ich mal aufstehen soll, wir würden uns jetzt mal um das Kind kümmern. -ENDLICH! Aufstehen. Jemand kompetentes. Mit Herz. – ich war so glücklich. Ich stand auf und bekam als erstes eine lange, heftige Wehe. Doch statt in einem Befehlston mir zu sagen, ich solle mich nicht so anstellen, nahm sie mich in den Arm und gab mir das Gefühl endlich da zu sein. Sie schickte mich auf Toilette, um ein paar Schritte zu gehen und wich nicht von meiner Seite.

Und siehe da! Genau das war, was mein Körper brauchte. Bewegung. Schwerkraft. Mut. Mit einem Mal waren meine Lebensgeister wieder gegweckt die Wehen wurden kräftig, lang und kamen jede Minute. Ich legte mich auf das Bett und weiß noch dass ich nur noch rief „ich kann nicht mehr!!“ doch mein Mann erinnerte mich an unseren Vorbereitungskurs wo die Kursleiterin uns sagte – wenn die Frauen sagen, sie können nicht mehr, stehen sie kurz vor der Pressphase und es ist fast geschafft –

Und so war es auch. Mit Wehe an Wehe ohne einer einzigen Pause machte mein Muttermund die letzten Zentimeter in Rekordzeit und die erste Presswehe überrumpelte und erschreckte mich. Diese elementare Kraft, über die man keine Kontrolle hat, hatte ich so nicht erwartet. Meine Hebamme lief noch schnell auf den Flur und holte den dortigen Oberarzt zur diensthabende Ärztin dazu, damit er sich mal eine Sternguckergeburt anschauen könnte.

Und dann ging alles ganz schnell. 3 Presswehen und der Kopf war da. Eine weitere und die Schultern waren draußen. Eine finale Presswehe und mein Kind war geboren. Lustiger Nebeneffekt, kaum war der Kopf draußen (wohlgemerkt der Körper aber noch in meinem Bauch) schrie mein Baby bereits aus Leibeskräften. Das führte dazu, dass mein Bauch und meine Innereien fast schon vibrierten, da sie in dem Moment als Resonanzkörper dienten.

Leider war trotz dieser doch recht gut verlaufenden, spontanen Geburt in der 36. SSW dann plötzlich Aufruhr. „Irgendetwas stimmte nicht“. Ich hörte nur die Hebamme noch sagen – so gebt das Kind doch wenigstens kurz zur Mutter – ! So hielt ich dann ein kleines Bündel in meinen ausgestreckten Händen. Völlig fassungslos dass ich jetzt Mutter sein sollte. Dann war der Moment auch schon vorbei. Mein Sohn wurde mir wieder entrissen und weggebracht.

So wurde ich genäht, gesäubert und lag noch circa eine halbe Stunde im kreissaal bis ich dann wieder aufs Zimmer geschoben wurde. 18 Stunden später lag ich also wieder da. Es war fast alles wie vorher, nur war ich eben nicht mehr schwanger. Zum Glück wurde mir der Zustand meines Kindes damals etwas „verschleiert“, nur meinem Mann sagte man, dass die Wahrscheinlichkeit bestünde, dass das Kind die erste Nacht nicht überlebt. Doch um mich zu schützen, behielt er die Sorge erstmal für sich und ich konnte mich ausruhen.

Ich selber habe mein Baby erst 24 Stunden später im Arm gehalten – oder besser gesagt vorsichtig auf die Brust gelegt bekommen und wusste vor lauter Schläuchen und Drähten nicht, wo das Baby anfing und wo es endete.

Diesen spannenden Geburtsbericht hat Sonja A. geschrieben :)

Einen weiteren Geburtsbericht von Sonja findet ihr hier.

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