Erziehung
Rabenmutter 2.0

Erziehung früher war nicht besser …

„Also FRÜHER haben wir gar nicht so ein großes Aufhebens darum gemacht, wenn ein Kind mal nicht in den Kindergarten wollte. Wir haben es hingebracht und sind gegangen. Weil das eben so war“, schrieb mir letztens eine Followerin, die mittlerweile Oma ist und – wie viele ihrer Generation – die heutigen Mamis mit gerunzelter Stirn betrachten. „Es ist echt nicht böse gemeint“, betonte sie immer wieder, „ich begreife es nur nicht so recht. Es hat doch früher auch keinem Kind geschadet, ohne Tamtam in der Betreuung abgegeben zu werden. Sie sind trotzdem alle groß geworden. Ich denke, diese ganzen Über-Mütter machen es sich und den Kindern nur unnötig schwer mit der Helikopter-Erziehung. Oder irre ich mich da total?“ Und wie so oft, wenn ich solche Nachrichten bekomme, antwortete ich auch diesmal mit einem beherzten JEIN, denn …

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die Erziehung früher war nicht besser, nur nicht so kompliziert wie heute.

Eigentlich verstehe ich es, wenn die oftmals weniger nett als in dem oben beschriebenen Fall gestellten Fragen unserer eigenen Eltern und Großeltern zu den aktuellen pädagogischen Methoden in mein Postfach flattern, denn es hat sich wirklich wahnsinnig viel verändert in den letzten Jahrzehnten. Während es auch noch lange nach dem Krieg völlig NORMAL war, Kinder zu Erziehungszwecken zu schlagen, und das von kaum einem Elternteil laut in Frage gestellt wurde, WISSEN wir heute, dass es sich dabei um ein absolutes NO-GO … mehr noch: eine Straftat handelt. Wir WISSEN heute, dass Kinder nicht als leere Vasen zur Welt kommen und von uns Erwachsenen zurecht geformt werden können wir ein Knetgummi-Männchen, sondern von Geburt an kleine Persönlichkeiten sind, die Raum brauchen, um sich zu entfalten. Und wir WISSEN, dass wir als Eltern FEHLBAR sind … was wohl die größte Errungenschaft der heutigen Erziehung ist, auch wenn sie Hürden mit sich bringt, die uns oft zum Straucheln bringen.

Heute sehen wir vieles anders.

Unser Blick auf unsere Kinder, auf Kindheit im Allgemeinen, hat sich längst völlig verändert. Wir ordnen ihr Leben nicht mehr schlicht dem unseren unter, wir wollen ihnen schon in jungen Jahren alles bieten und … wir schenken Tränen viel mehr Beachtung, als früher normal war. Ich sage ganz bewusst „normal“, denn ich bin sicher, dass allen Müttern in wahllos jeder Zeit das Herz brach, wenn sie ihr weinendes Kind irgendwo zurückließen, ganz egal aus welchem Grund. Denn dafür sorgt die natürlich Bindung zu unserem Nachwuchs nun mal. Allerdings war es früher viel schwerer, sich nach dem eigenen Bauchgefühl zu richten, wenn das gesamte Umfeld, schlicht ALLE sagten, es müsse aber so sein. Ein Kind MÜSSE ohne die Mama bleiben können, an Fremde abgegeben werden, alleine einschlafen, alles essen, stillen oder eben nicht stillen, im Kinderwagen liegen bleiben oder angstfrei irgendeine Aufgabe bewältigen, weil … es eben alle anderen auch täten. DIESE Begründung gilt heute nicht mehr. Zumindest nicht mehr so kategorisch. Denn heute gibt es weitaus mehr Erziehungs-Ansätze … ja, richtige Trends, die im Prinzip für jeden den individuell richtigen Weg anbieten, wenn auch nicht Diskussionsfrei.

Immer noch mischen sich Hinz und Kunz ein und stellen so ziemlich jede Entscheidung in Frage, die Eltern für ihre Kinder treffen. Das ist nun mal die Kehrseite der Medaille, dass wir heute nicht mehr nur ein paar tolle, pädagogisch fundierte Ratgeber haben, sondern unzählige; und nicht mehr nur EINE Richtung möglich ist, der alle folgen, weil alle davon überzeugt sind, dass es SO doch schon immer gut geklappt hat und die Kinder zu brauchbaren Erwachsenen wurden. Wir haben die Wahl zwischen sehr vielen unterschiedlichen Stilen, ein Kind aufwachsen zu lassen. Einige schwören auch heute noch auf klare Grenzen, andere lassen ihr Kind alles allein entscheiden. Die einen bleiben wirklich IMMER ruhig, klären alles auf Augenhöhe mit dem Nachwuchs oder streben genau das wenigstens an. Andere finden es ok, auch mal rumzubrüllen, wenn die eigenen Nerven komplett blank liegen, weil eben auch sie Grenzen haben. Bedürfnisorientiert möchten viele erziehen. Noch mehr (glücklicherweise) gewaltfrei auf allen Ebenen. Wir sind als Mamas und Papas bemühter denn je, unsere Kinder so glücklich und RICHTIG wie möglich groß werden zu lassen, ihre Gefühle zu achten und damit auch ihren Schmerz. Das macht uns definitiv nicht alle zu Helikopter-Eltern … auch wenn es vorherigen Generationen manchmal so vorkommt … sondern nur zu Müttern und Vätern, die mehr als nur einen Weg vorgezeichnet bekommen und gleichzeitig aufgrund der sich immer weiterentwickelnden Wissenschaft gelernt haben, dass es einem Kind durchaus schaden kann, z. B. haltlos aus echter Angst schreiend irgendwo bei bisher fremden Menschen zurückgelassen zu werden.

Wir haben die Qual der Wahl.

Für uns Eltern gibt es heute nicht mehr nur eine Richtung, in die wir mit unserer Erziehung gehen. Es gibt viele. Und sie alle behaupten die Beste zu sein, passend zu unserem Anspruch, unseren Kindern die besten Voraussetzungen mitzugeben. Es ist schwer, gerade als Fach-Laie durchzublicken, sich für einen Erziehungs-Stil zu entscheiden – oder eben auch nicht, sich stattdessen von all dem frei zu machen und dann schlicht auf den Instinkt zu vertrauen. Es ist anstrengend, sich immer für alles zu rechtfertigen … vor anderen Müttern, die sich eben für einen anderen Pädagogik-Trend entschieden haben, vor den Großeltern, die das alles für übertriebenen, weichgespülten Über-Mutter-Quatsch halten oder auch vor völlig Fremden, die im Vorbeigehen mal schnell eine beobachtete Situation arrogant und von oben herab bewerten.

Daher JA, früher war es in vielen Bereichen der Erziehung einfacher, aber NEIN es war nicht besser als heute. Es HAT Kindern geschadet, weinend zurückgelassen zu werden. Es HAT Kindern geschadet, ständig angebrüllt oder gar geschlagen zu werden. Es HAT Kindern geschadet, Verhaltensweise aufgezwungen zu bekommen, die völlig falsch für ihren kleinen Charakter waren. Sie wurden dazu nur nicht gefragt. Und die Eltern wussten es nicht besser. Erziehung unterliegt aber genau wie alles andere auch einer Evolution, entwickelt sich immer weiter und treibt stetig neue Blüten. Klar, auch unsere heutigen Ansätze können morgen schon den Stempel FALSCH bekommen, weil es eben auch jetzt noch weiter geht. Und wir werden genauso Fehler machen wie unsere Eltern und Großeltern. Weil es keine perfekten Mütter und Väter gibt, genauso wenig wie es perfekte Kinder oder perfekte pädagogische Regeln gibt, die zu jedem kleinen Menschen passen und damit allgemeingültig sind.

Das ist ok.

Aber das ist ok, denn wie gesagt ist der wohl größte Fortschritt jener, dass wir uns heute der eigenen Fehlbarkeit bewusst sind, dass wir viel selbstreflektierter erziehen als früher und bereit sind, uns jeden Tag aufs neue zu verbessern. Das ist toll, aber auch sehr anstrengend. Und das führt manchmal dazu, dass eine Kita-Eingewöhnung endlose Wochen dauert, weil alle Beteiligten darauf bedacht sind, der kleinen Kinder-Seele die Zeit zu geben, die sie eben ganz individuell braucht für diesen oder einen anderen großen Schritt.

Ich bin ganz sicher, liebe Omas und Opas, wenn ihr damals die Wahl gehabt und gewusst hättet, was wir heute wissen … ihr hättet eure Kinder auch öfter einfach wieder mitgenommen. Weil Mama-Herzen schon immer gleich laut geschlagen haben. In jeder Zeit. <3

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PS: Wie immer freue ich mich, wenn ihr diesen Text teilt! Danke! <3

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5 Kommentare für “Erziehung früher war nicht besser …

  1. Zu meiner Zeit hat man im Kindergarten noch den Hintern versohlt gekriegt wenn man nicht spurte. Bei mir gab es öfters mal hintendrauf! Ich musste mit aufs Klo, Hose runter und dann gab es mit der flachen Hand ordentlich den Hintern voll!