Vereinbarkeit und Me-Time
Rabenmutter 2.0

Vereinbarkeit und Me-Time – da bin ich ein schlechtes Beispiel. Oder?

Zwei der aktuell beliebtesten (Trend-)Worte in der Mutti- bzw. Eltern-Dimension sind wohl VEREINBARKEIT und ME-TIME. Deshalb ist es eigentlich auch gar nicht so überraschend, dass ich immer mal wieder gefragt werde, ob ich darüber nicht mal etwas schreiben könnte; weil ich doch auch eine berufstätige Mama von zwei kleinen Kindern bin, mit einem Mann, der viel und vor allem täglich sehr lange arbeitet. „Wie bekommst du das hin, allen an dich gestellten Ansprüchen gerecht zu werden und gleichzeitig noch Zeit für dich zu finden?“ werde ich in solchen Mails gefragt. Und ich antworte dann meist wahrheitsgemäß: „Gar nicht!“ :D Deshalb ist mein erster Gedanke zu einem Textwunsch in dieser Richtung ehrlich gesagt auch jedes Mal: „Ich soll was zu Vereinbarkeit und Me-Time schreiben?! Oh je, ich bin da doch so ein schlechtes Beispiel für … ich lebe im Prinzip ein altes Rollen-Modell mit dem gefühlt durchgehend arbeitenden Mann und hatte das letzte Mal richtig Zeit für mich, als ich vor der Geburt der Mausemaus einfach zu schwanger war, um mich noch um irgendetwas anderes zu kümmern, als meinen Bock auf Fernsehen und Chips.“
Aber vielleicht ist genau DAS ein guter Grund, das Thema nun doch mal anzugehen. Denn vermutlich bin ich (wie so oft) nicht die Einzige, die es nicht gut hinbekommt – und trotzdem zufrieden mit ihrem Leben ist!

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Warum wir für Vereinbarkeit eher kein leuchtendes Beispiel sind

Bei uns ist es so: Der Mann arbeitet ca. 60 Stunden die Woche in einer Agentur … und wenn er abends heimkommt, arbeitet er meist sogar noch etwas weiter. Als Ausgleich für diesen Irrsinn fährt er am Wochenende sehr gerne mal einen halben Tag lang Rennrad, um den Kopf freizubekommen und körperlich nicht völlig auf die Form eines Bürostuhl-Pupser zu degenerieren. Natürlich nervt es uns alle durchaus, dass wir so wenig Zeit als Familie haben, dass die Kinder ihren Vater meist nur morgens eine halbe Stunde und 1,5 Tage am Wochenende sehen und es immer wieder Phasen gab und gibt, in denen dieser „Umstand“ dazu führt, dass eines oder beide Kinder sich zum Beispiel nicht vom Papa anziehen oder wickeln lassen.

Der Vorteil ist jedoch, dass wir im Moment keine Geldsorgen haben und ich es mir sogar leisten konnte, ganz ohne Druck meinen Blog zum Beruf zu machen. Und zwar zu einem, der es mir erlaubt, flexibel zu arbeiten und dadurch so ziemlich immer spontan auf die Bedürfnisse und Befindlichkeiten der Kinder reagieren zu können, was uns in eine Sonderposition rückt, in der sich nur wenige Familien befinden. Sind die Kinder krank und können nicht in die Kita gehen, rotieren wir nicht – ich verschiebe meine Zeit am Rechner einfach auf abends oder „parke“ die kranken Mäuse zwischendurch vor der Glotze, um wenigstens das Nötigste zu schaffen. Ich muss mich dafür nicht bei einem Chef entschuldigen – nur manchmal bei einem Kunden, der das aber meist versteht, da es in der Natur der Sache liegt, dass ein FamilienBlogger Kinder hat. Ich muss mir nicht jedes Mal eine Krankmeldung holen, ich muss nicht rumtelefonieren, um Betreuungsalternativen zu finden und mich nicht mit einem schlechten Gewissen quälen, weil ich entweder meine Kinder oder meine Kollegen im Stich lasse. Alles Probleme, die für die meisten Eltern völlig alltäglich sind und die überhaupt erst der Grund dafür sind, dass Vereinbarkeit ein so großes und relevantes Thema geworden ist!

Der Nachteil an unserer Situation bzw. unserem Modell ist: Ich mache alles auf einmal und das meist allein. Da der Mann ja größtenteils nicht da ist, kann er eben auch nicht im Haushalt helfen oder einkaufen gehen oder die Kinder betreuen – das mache alles ich. Plus Job als Freelancer, was zwar tolle Flexibilität, aber genauso durchgehende Arbeit bedeutet, denn arbeite ich nicht, verdiene ich auch nichts! Der Mann würde mich durchaus gerne mehr entlasten, mehr übernehmen (zumindest in seiner Vorstellung ;) ), doch MEHR als die ein, zwei kleineren Aufgaben, die ich ihm aufs Auge gedrückt habe, schafft er nicht, weil er schlichtweg keine Zeit dafür hat. Der Arme. ;)

Warum sich Me-Time bei mir meist auf Arztbesuche beschränkt

Dieses sehr altmodisch anmutende Rollen-Modell nimmt natürlich auch Einfluss auf meine Me-Time. Oder besser gesagt auf meine NICHT VORHANDENE Me-Time. Richtig Zeit für mich habe ich eigentlich nie – ausgenommen der Stunde zwischen dem Einschlafen der Kinder, dem abendlichen Beantworten von Nachrichten und Kommentaren auf meinen Social Media Kanälen und meinem eigenen Ohnmächtig werden, die ich am liebsten mit dem Schauen von dümmlichen Serien verplempere, weil mein Gehirn mehr Input nicht mehr zulässt.

Die durch den Kita-Eintritt des Krümelchens gewonnene Zeitspanne von 3-4 Stunden vormittags investiere ich komplett in meinen Job (um mir dafür abends und an den Wochenenden etwas mehr Ruhe als bisher gönnen zu können) und wenn möglich in Arzttermine. Gerade letzteres sehe ich mittlerweile aber schon fast als Me-Time, denn wenn man jahrelang selbst Zahnwurzelbehandlungen mit Baby auf dem Schoss „absolviert“ hat, sinken die Ansprüche an „Entspannungsmomente“ doch enorm – und schwupps ist ein Gang zum Gynäkologen OHNE Kinder fast so gut wie ein Tag in der Wellness-Oase. ;)

So ganz echte Me-Time hatte ich jedoch in den letzten fast 7 Jahren so gut wie null. Ich war zweimal ohne Kinder für ein paar Stunden mit einer Freundin bzw. meiner Schwester unterwegs, zweimal bei einer Tages-Fortbildungs-Veranstaltung (das zählt maximal halb), einmal beim Einschläfern unserer Katze (das zählt wohl eher nicht) und hatte zwei OPs (das zählt wohl genauso wenig ;) ). Regelmäßige ME-TIME, so wie es eigentlich gedacht ist, mit dem Fokus auf Regeneration und dem „Aufladen der eigenen Batterien“ in irgendeiner Form habe ich nicht. Aus verschiedenen Gründen … wie dem bereits erwähnten und recht dominanten Zeitmangel, aber auch dank des Faktors, dass wir keine familiäre „Betreuungsoptionen“ haben und sich externe Babysitter lange nicht richtig für uns anfühlten (daran arbeiten wir mittlerweile jedoch mit dem „Einsatz“ von Freunden).  Macht aber nichts. Denn: Ich bin auch ohne Me-Time ganz zufrieden!

Warum ich auch ohne Me-Time und Vereinbarkeit glücklich bin

Noch nie war ich ein Typ für Hobbys, wenn man Feiern gehen und vor der Glotze liegen nicht mitzählt. Maximal meine Liebe zum Schreiben könnte man als solches bezeichnen, allerdings habe ich daraus schon vor über 20 Jahren einen Beruf gemacht, was die Sache dem Hobbystatus enthebt. Sport … ist leider nicht so meins. Und auch Bastelarbeiten jeglicher Art entspannen mich nicht, sondern fördern eher meinen Jähzorn, wenn was nicht perfekt wird. ;) SO ETWAS fehlt mir also gar nicht. Was mir manchmal fehlt ist richtiges allein sein … so ganz für mich mit meinen Gedanken sein zu können, OHNE das ich gleichzeitig schon müde wie ein Bär vorm Winterschlaf bin. Und mich regelmäßiger mit anderen Erwachsenen auszutauschen, OHNE das mir jemand parallel ins Ohr brüllt, Bestellungen für Äpfelchen aufgibt oder mir Rotz in die Haare schmiert. Mir DAS hin und wieder zu ermöglichen ist eines meiner Ziele fürs neue Jahr. Und der Mann und ich sind guter Dinge, dass das auch klappt, da die Kinder ja nun wirklich aus dem Gröbsten raus sind und ich langsam „dran“ bin.

Dieses „dran“ sein ist aber eigentlich gar kein Thema bei uns. Nur manchmal, wenn ich den Mann ärgern will und mal eben zusammenrechne, wie lange er in den letzten Jahren insgesamt Radfahren war und wie lange ich als Ausgleich dafür jetzt mal auf eine einsame Insel fliegen darf. Allein. ;) Grundsätzlich führen wir nämlich eine „bedürfnisorientierte“ Beziehung, in der er eben mehr Me-Time als ich bekommt, weil er sie nötiger für sein persönliches Wohlbefinden braucht. Bedürfnisorientiert ist ja auch so ein schönes, modernes Wort, das eigentlich etwas Gutes meint, aber viel zu oft ins Absurde oder Extreme führt, indem es gespickt wird mit eigentlich genauso unbrauchbaren Verallgemeinerungen, wie die Erziehungs- oder Lebensstile, die es ursprünglich ablösen oder gar revolutionieren wollte. Fakt ist schließlich – ganz egal, ob es um Me-Time, Vereinbarkeit oder bedürfnisorientierte Erziehung geht: Eine Familie ist immer ein wirklich sehr individuell zu betrachtender Mikrokosmos, und es gibt KEINE zu empfehlende Version, die sich über alle stülpen lässt wie ein sehr dehnbarer Strumpf.

Warum ich über Me-Time und Vereinbarkeit schreibe, obwohl ich es nicht gut hinbekomme

Ich glaube wirklich, dass es gut ist, diese Begrifflichkeiten zu haben und dass Vereinbarkeit ein Thema ist, das nicht nur die Familien im Privaten, sondern auch unsere Gesellschaft und die Politik beschäftigt, wenn auch noch lange nicht genug. Genauso wie die Erkenntnis, dass gerade Mütter – die heutzutage so viele Rollen gleichzeitig ausfüllen müssen – Me-Time benötigen, um nicht irgendwann zusammenzubrechen. Nicht gut finde ich jedoch, dass die Worte zum Teil Druck an der falschen Stelle aufbauen. Zum Beispiel, wenn Frauen ähnlich wie ich leben … und dafür zu hören bekommen, dass sie voll altmodisch und förmlich eine Schande für die Emanzipation sind, weil sie sich ja OFFENSICHTLICH für Mann und Kinder aufopfern, anstatt sich mehr um sich selbst zu kümmern, wie sie es doch verdienen. DAS nervt mich dann mehr, als der Umstand, seit Jahren nicht mehr im Kino gewesen zu sein, weil ich einfach nicht dazu komme … der Mann aber schon. Denn: Ich bin erwachsen, nicht doof und durchaus emanzipiert. ICH habe dieses Leben mit diesem Mann in dieser Form gewählt – zumindest größtenteils ;) – und ICH bin glücklich damit – zumindest größtenteils ;). Unser Leben ist nicht perfekt, wir haben Sorgen UND wir haben Wünsche, die bisher nicht erfüllt wurden. Wie alle anderen Paare und Familien auch. Sogar die, die Vereinbarkeit von Job und Kinderschar viel besser hinbekommen als wir, alle Aufgaben und Ansprüche 50/50 untereinander aufteilen und dann sogar noch Zeit für Hobbys finden. Sogar DIE haben Wünsche und Ziele, die (noch) nicht erreicht worden sind. So muss es schließlich auch sein, damit man sich nicht im Stillstand langweilt.

Was ich damit sagen will: Vereinbarkeit und Me-Time sind Themen, die uns alle beschäftigen SOLLTEN. Aber wie genau wir sie in unserem Leben umsetzen wollen und KÖNNEN, ist mega individuell, von extrem vielen Faktoren abhängig und sollte NIE ein Grund für doofe Stempel oder Verurteilungen sein. Dafür haben wir schließlich noch ganz viele andere Baustellen. ;)

PS: Wie immer freue ich mich, wenn ihr diesen Text teilt :-*

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6 Kommentare für “Vereinbarkeit und Me-Time – da bin ich ein schlechtes Beispiel. Oder?

  1. Toller, sehr wahrer Text! Nur weil Du Dir nicht viel Zeit für Dich nehmen kannst oder möchtest, heißt anscheinend nicht, dass Du nicht kluge Gedanken dazu hast. Ich finde die Analogie zwischen bedürftnisorientierter Erziehung und bedürftnisorienter Beziehung wunderbar. Wir erziehen unsere Kinder (weitgehend) bedürftnisorientiert- jeder so wie er es braucht- manch einer braucht auch mal ne klare Ansage :) . In der Beziehung bin tatsächlich eher ich diejenige, die gerne mal mit sich alleine ist- mein Mann ist da so ziemlich das Gegenteil. Das macht es da tatsächlich schwierig wenn der eine zum Abschalten lieber alleine mit sich und seinen Gedanken ist, für den Anderen “Me-Time” aber eher eine Strafe ist… Vielleicht kann ich es ihm so besser erklären! Danke!