Trotzphase
Rabenmutter 2.0

Der Höhepunkt der Trotzphase. Oder: Wenn Mama mitweint.

Ich weiß, einige Stimmen behaupten, es gäbe die Trotzphase gar nicht. (Das halte ich persönlich aufgrund meiner Erfahrungen ja für ein Gerücht. ;) ) Falls man aber darauf besteht – wie ich also –, dass es diese Phase gibt, wird einem angeraten, sie doch wenigstens pädagogisch wert- und vor allem dem Kind gegenüber respektvoller „Autonomiephase“ zu nennen. Durchaus ein gutes Wort, weil es viel besser transportiert, dass der kleine Floh definitiv nicht aus reiner Garstigkeit wegen jedem Pups an die Decke geht wie eine Rakete mit Fehlzündung, sondern nicht anders kann UND dieses Verhalten für seine gesunde, weitere Entwicklung benötigt. Ich verstehe das. Ich finde das sogar richtig gut. Allerdings klingt der Begriff „Autonomiephase“ ob seiner Positivität in meinen Ohren immer ein bisschen so, als würde ich mit der Nutzung dieses Wortes mein Recht aufgeben, diese Zeit scheiß anstrengend, manchmal sogar schlicht zum Kotzen zu finden. WEIL mein Kind diese Phase ja schließlich BRAUCHT und meine AUFGABE dabei nun mal ist, es zu unterstützen, zu begleiten, zu stärken, aber auch loszulassen. Im Grunde alles wie immer eben … nur unter ständigem, ohrenbetäubendem Geschrei. Da es mir hin und wieder jedoch an der dafür benötigten Größe als Super-Mum fehlt, ich manchmal einfach keinen Bock mehr habe, richtig kacke reagiere oder selber heulen will, bleibe ich lieber bei dem Begriff „Trotzphase“, der weniger pädagogischen Leistungsdruck auf mich ausübt … ob das nun noch angesagt ist oder nicht. :D

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Geht doch noch, diese Trotzphase.

Schon als die Mausemaus in diesem sehr besonderen Alter war, schrieb ich über das Thema „Trotzphase“. Und auch, als der Krümel so langsam in die Fußstapfen seiner großen Schwester trat. Ich nahm es stets recht locker und behielt weitestgehend meinen Humor, denn zum einen glaube ich wirklich, dass all die nervenaufreibenden Phasen der Kinder viel besser auszuhalten sind, wenn man darüber lachen kann (mit ein bisschen Abstand, versteht sich … und einem Pfund Nerven-Schokolade im Mund ;) ) und zum anderen hat die kleine Madam mich damals durch ein dermaßen hartes Trotz-Bootcamp geschickt, dass der kleine Floh ihr sehr lange absolut nicht das Wasser reichen und mich dadurch auch kaum an meine Grenzen treiben konnte. Und auch heute noch würde ich sagen, dass alles was ER in Sachen Trotzphase auffährt, hinter dem was SIE früher bot, abstinkt … schon allein deshalb, weil er selbst im schlimmsten Wutanfall weder haut, noch beißt, sondern maximal etwas wirft. Das feiere ich natürlich auch nicht gerade ab, aber da ich weiß, dass es durchaus noch viel schlimmer geht, bin ich an den meisten Tagen in der Lage, selbst unter starkem „Emotions-Beschuss“ ruhig zu bleiben und meinem Kind die mentale Unterstützung zukommen zu lassen, die es gerade braucht.

Aber manchmal, MANCHMAL da finde auch ich keinen Weg mehr, cool zu bleiben und pädagogisch wertvoll als Ruhepol für den Wutzwerg zu fungieren. Manchmal ist es auch mir zu viel. Wenn wir schon früh morgens vor meinem ersten Kaffee mit einem Tobsuchtsanfall starten, weil ich mich doch tatsächlich erdreiste, den Sohn wickeln zu wollen, weil es nötig ist. Und gleich im Anschluss der nächste Sturm losbricht, weil kein Spielzeugtag in der Kita ist, obwohl der Baby-Drehkreisel doch mitkommen WILL. Und dann einer im Lastenrad folgt, weil der Müsliriegel in zwei Teile zerbrochen und daher absolut nicht mehr genießbar ist! Und 3 Minuten später auch wirklich nur die Mama die kleine Nase vom Tränenrotz befreien kann – nicht die daneben sitzende Schwester oder der kleine Mann selbst – und ich dafür alle 10 Meter das Lastenrad stoppen und absteigen muss. Ich gestehe: An solchen Tagen dünnt auch mein Nervenkostüm irgendwann auf Negligee-Niveau aus und es kann passieren, dass ich beim 20. Trotzanfall – z.B. aufgrund der mittags auf den Tisch gestellten Nudeln mit Pesto, die tatsächlich bereits MIT Pesto sind, anstatt nackt, damit das Kind beobachten kann, wie sie beim verrühren grün werden – schlicht selbst anfange zu heulen. Dann zur großen Überraschung des Kindes und mit rührender Versöhnungskuschelei im Anschluss, aber erst einmal einfach nur als Gipfel des Frustes gepaart mit einem für Mütter unsagbar schmerzhaftem Gefühl des Versagens und der Hilflosigkeit.

Natürlich hilft in solchen Momenten der Gedanke, dass es höchstwahrscheinlich allen Eltern so geht, weil bei allen die Nervenenden irgendwann blank liegen – sogar bei den Müttern, die eigentlich immer wirken, als wären sie der personifizierte, sprichwörtliche Fels in der Familien-Brandung und daher absolut gefeit gegen jede noch so nervige und kräftezehrende Auswirkung der „Autonomiephase“ ihrer Sprösslinge. Aber noch ein bisschen mehr als das hilft mir der Gedanke, dass meine Tränen höchstwahrscheinlich – wie auch schon damals bei der Mausemaus – den Zenit markieren … den Zenit der Trotzphase und es daher bald endlich etwas besser, etwas einfacher für alle Beteiligten wird.

Wenn Mama (auch) weint, ist der Zenit erreicht. Meistens. ;)

Ich erinnere mich sehr gut an diesen Punkt bei der Tochter, als sie bei jedem meiner Versuche, sie gefühlvoll zu beruhigen, nach mir schnappte wie ein Krokodil oder trat oder direkt völlig ausrastete und alle ihr zur Verfügung stehenden Register zog – wegrennen, auf den Boden schmeißen, schreien wie am Spieß – ganz besonders beliebt natürlich, wenn wir draußen unterwegs waren und ich in meiner Handlungsfähigkeit durch das im Tragetuch schlafende Krümelchen eingeschränkt war. In der Situation selbst, gab ich immer mein Bestes, um nicht selbst zu weinen, konnte aber nicht mehr verhindern, auch in der Öffentlichkeit mal laut zu werden. Zuhause dann, spätestens nach dem Zubettbringen der kleinen Granaten, brachen alle Dämme und ich weinte meinen Frust genauso heraus, wie die Mausemaus zuvor unter den Augen vieler, sehr interessierter Beobachter im Supermarkt oder auf dem Spielplatz. Und dann wurde es besser. Gerade als ich dachte, es würde niemals enden und einfach nur immer schlimmer werden … wurde es tatsächlich besser. Meine Tränen markierten den Zenit. Und nun hoffe ich, dass sie es gerade wieder tun. Diesmal beim Krümelchen.

Fakt ist: An manchen Tagen kostet es einfach nochmal extra Kraft, die Ruhe zu bewahren und genau zu schauen, was das Kind gerade braucht und welche Eltern-Reaktion einigermaßen sinnvoll ist. Und manchmal fällt einem gar nichts mehr ein, weil nichts wirklich hilft und alle Akkus – bei Mutter UND Kind – leergesaugt sind bis auf den Grund. Manchmal heulen wir ERWACHSENEN, wir STARKEN Eltern einfach los, weil es auch für uns so verdammt anstrengend ist, jeden Morgen eine halbe Stunde darüber zu diskutieren, ob man im Winter nun Schuhe draußen anziehen muss oder darauf verzichten kann. Ob Mama wirklich SCHULD daran ist, dass es regnet. Oder ob das Stofftier tatsächlich aus reiner Gemeinheit nicht selbst ins Wohnzimmer läuft. DANN IST DAS EBEN SO! Dann sind eben unsere Grenzen erreicht; nichts, wofür man sich schämen muss und definitiv genauso wichtig für den Nachwuchs zu sehen, wie unser Aufstehen nach so einem Zusammenbruch unserer Kräfte … und unserer für beiden Seiten heilenden Umarmung im Nachgang. Das alles gehört dazu, bevor es besser wird. Denn kein Kind geht allein durch die Trotz- oder AUTONOMIE-Phase – wir gehen gemeinsam. <3

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7 Kommentare für “Der Höhepunkt der Trotzphase. Oder: Wenn Mama mitweint.

  1. Danke! Das Lesen dieses Artikels tat so gut. Wir sind auch gerade mittendrin… Gestern fing es schon damit an, dass meine Tochter beim Abholen von der Tagesmutter – mal wieder, wie fast jeden Tag – nicht in den Kindersitz wollte. Sie möchte selber reinklettern, setzt sich dann aber oft nicht hin. Wenn sie dann irgendwann sitzt, möchte sie sich selber anschnallen, was aber kraftmäßig und feinmotorisch nicht geht und meine Hilfe benötigt. Manchmal lenkt sie ein und ich darf mit einer Engelsgeduld zusehen, wie sie, wenn sie nach 10-15, Minuten mal bereit dazu ist (keine Übertreibung), ihre Arme durch die Gurte fädelt und die beiden Clips des 5-Punkt-Gurts übereinander legt, sodass wir sie ZUSAMMEN einrasten können.
    Gestern war nicht so ein Tag. Sie stand im Sitz und stand und stand und stand und wollte sich nicht hinsetzen. In der Babyschale war K2 am schreien, weil es die Schale hasst wie die Pest, und ich wollte einfach nur los. Nur dieses eine Mal. Ich wollte ein einziges Mal die Autotür aufmachen, Kind steigt ein, wir schnallen sie an, fertig. Nur einmal. Sie war gestern beim abholen super gelaunt und ich hatte große Hoffnungen. Nein. Sie steht im Sitz. Und steht. Und steht. Und weigert sich, sich hinzusetzen. Und ich warte geduldig. Und warte. Und dann brennen mir zum ersten Mal die Sicherungen durch und ich nutze meine körperliche Überlegenheit und drücke sie in den Sitz und schnalle sie an. Kind schreit, Kind weint. 1:0 für mich, aber es fühlt sich nicht wie ein Sieg, sondern wie eine Niederlage an. Ich setze mich ins Auto und könnte heulen, weil ich die Nerven verloren und Gewalt angewendet habe. Zu Hause der nächste Wutanfall, weil sie alleine aus dem Auto aussteigen will. Allerdings hat sie im Auto ihre Schuhe ausgezogen und will diese nicht wieder anziehen. Der Boden ist nass und die Schuhe müssen an, wenn sie selber aussteigen will. Sie will die Schuhe nicht anziehen. Also möchte ich sie tragen. Will sie auch nicht und windet sich, als ich versuche, sie aus dem Sitz zu heben. Unter Gebrüll ziehe ich ihr die Schuhe an. In Schweiß gebadet betrete ich das Haus. Das alles begleitet von Gemecker des zahnenden Babys übrigens. Endlich im Haus angekommen lege ich das Baby im Wohnzimmer auf den Boden und ziehe meine Schuhe aus. Mir fällt auf, dass das Baby eine Socke verloren hat. Ich hebe sie auf und ziehe sie ihm wieder an. K1 kriegt einen Wutanfall – das Baby soll keine Socken anhaben… So geht der Nachmittag weiter. Wutanfall, weil ich möchte, dass sie sich nach dem Malen mit Fingerfarbe die Hände wäscht statt sie an meinem Sofa abzustreifen. Aus Wut haut sie den kleinen Bruder. Ich nehme ihn hoch und lege ihn woanders hin. Wutanfall, weil ich ihn bewegt habe… Bei der Abendroutine war ich dann derart durch, dass ich es einfach nicht mehr geschafft habe, wie gewöhnlich ruhig und lieb zu bleiben und eine Stunde lang zu diskutieren und rechte einzuräumen. Also hab ich ihr unter Gewalt die Zähne geputzt. Das machen wir sonst NIE. Wir finden sonst immer einen Weg ohne Gewalt. Mit viel, viel, viel Geduld. Aber es klappt sonst immer ohne Tränen. Gestern sind mir die Sicherungen durchgebrannt und ich habe mehr als einmal am Tag meine körperliche Überlegenheit genutzt, um zu erreichen, was ich möchte. Viele Leute machen das täglich und sagen, es muss eben gemacht werden, aber ich kann und möchte so nicht leben. Der Abend endete damit, dass wir alle drei – Mama, Kleinkind und Baby – geweint haben. Ich hoffe, heute kriege ich es besser hin. Dein Beitrag hat mir geholfen, mich nicht so alleine zu fühlen. Danke!

  2. Danke für diesen Artikel! Natürlich bin ich nicht zufällig hier gelandet, sondern beim Googlen von “leiden unter Trotzphase”. Es ist Sonntag, alle standen gut gelaunt auf, unsere Tochter, dreieinhalb, wollte Papa zum Bäcker begleiten, um einen Keks abzugreifen. Kein Problem. Doch dann kam der Anzug. Der dann eine viertel Stunde später unter Gewalt und Mangel an Alternativen angezogen wurde. Und dann wurde das ganze Frühstück nur von nicht enden wollendem Geschrei begleitet, bis am Ende Mama und Papa weinten. Ein wunderbarer Start in den Tag, an dem ich die Wohnung weihnachtlich schmücken wollte und nun kraftlos, traurig und ausgezehrt im Bett liege. Traurig, enttäuscht, wütend, voller Selbstzweifel und ohne Motivation. Natürlich ist es nicht richtig, sich davon so runterziehen zu lassen. Aber ich bin kein Roboter. Und wenn meine Tochter dann plötzlich den Schalter umlegt und wieder so gut drauf ist, als wäre nie was passiert, bin ich eher nicht wütender, weil es dann ja scheinbar doch nicht so schlimm gewesen sein kann, die Laune aller anderen jedoch im Keller ist. Statt zu schmücken möchte ich mich nun in Luft auflösen.

  3. Hallo Anke,
    Danke für diesen Beitrag. Mein Großer ist in etwa so alt wie dein Kleiner, glaube ich. Lange, lange hab ich gedacht, der Trotz-Kelch würde an uns einfach vorübergehen. HAHAHAHAHA !!! Manchmal geht es wirklich morgens schon los, ich werde quasi “mit Ansage” geweckt. Das Ganze dauert dann einige ewig scheinende Tage und dann ist er wieder “der Alte”. Da er als Baby sehr viel und heftig geschubt hat, denke ich einfach, das sind weiterhin solche Entwicklungsschübe. Was mir manchmal geholfen hat, war die Info aus dem Wunschkind-Buch, das du bestimmt kennst, dass unsere Kinder im Kopf einen “Plan” zurechtgelegt haben (z.B. “Wenn ich gleich den Müsliriegel auspacke, dann wird er ganz sein”), und wenn der nicht so umgesetzt wird (Müsliriegel ist zerbrochen), dann legt sich im Kopf ein Schalter um und die Kinder ticken aus. Sie können die unerwartete neue Situation, die Planänderung nicht handlen. An solchen Tagen sage ich meinem (zum Glück verständnisvollen) Großen jedoch auch, dass ich ihn verstehe, es aber für mich anstrengend ist und manchmal bitte ich ihn auch, mich kurz in Ruhe zu lassen oder wir atmen gemeinsam 3x tief durch (das macht er mittlerweile sogar selber :D).
    Und obwohl unsere noch sehr kleine Tochter mich letztens anschrie, weil die Hand nicht “richtig” aus dem Jackenärmel kuckte, habe ich trotz(haha)dem wieder die Hoffnung, dass der Trotz-Kelch an uns vorübergeht :D Gut, dass Mama aus manchen Dingen nicht lernt.
    Glg und halte durch

  4. Ich weiß nichts tröstendes zu sagen, wir dümpeln mit dem Bursch momentan im selben Boot. Besonders tief ins Muttiloch falle ich, wenn sie mir im Kindergarten sagen, wie lieb und brav und aufmerksam er sei. Dann kommen sie alle nach Hause und ja – lassen den Druck ab. Anders kann ich es nicht sagen. irgendwann wird es besser. Spätestens, wenn die Dritte anfängt, in jene Phase zu rutschen. Hoffe ich…