Der Tod gehört zum Leben dazu. Auch schon für Kinder, obwohl wir Eltern sie am liebsten davor beschützen würden. Aber manchmal geht das nicht … manchmal stirbt jemand, und große und kleine Herzen werden gleichzeitig gebrochen. Ganz schlimm ist es, wenn es sich um einen geliebten Menschen handelt. Aber auch der Tod eines Haustieres, das schon ewig Teil der Familie war, hinterlässt viel Schmerz und Tränen. Damit umzugehen, die Trauerarbeit, hat mich vor eine der bisher größten Herausforderungen der Mutterschaft gestellt.
Vor fast genau drei Jahren starb unser Kater Felix. Ich war damals schwanger mit dem Krümelchen – in der 30. SSW – und die Mausemaus war noch keine drei Jahre alt. Es kam nicht überraschend, dennoch traf es mich so heftig, dass mir noch heute sofort die Tränen in die Augen steigen, wenn ich an den Moment denke, als er in meinem Arm gekuschelt eingeschläfert wurde. Es war richtig. Er war sehr krank. Und so müde. Sein Blick sagte mir, dass es ok war … dass er glücklich gehen würde, zufrieden mit seinen 15 Katzen-Jahren und der Zeit an meiner Seite, als mein Freund und Weggefährte. Er schlief schnurrend ein. Für ihn war es die Erlösung nach langen Monaten der Krankheit. Für mich war es … einfach nur furchtbar. Noch furchtbarer vielleicht, weil ich nicht allein war mit meinem Verlust. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich damit konfrontiert, nicht nur mit meinem durch den Tod ausgelösten Schmerz umgehen zu müssen, sondern gleichzeitig mit dem meines Kindes. Sie hatte im Wartezimmer mit einer sehr netten Arzthelferin gespielt, während mein Mann und ich die Entscheidung trafen, unseren wirklich wundervollen und sehr geliebten Frechdachs über die Regenbogenbrücke ziehen zu lassen. Als wir ohne unser Tier, unser felliges Familienmitglied, aus dem Behandlungsraum kamen, weinte sofort auch die Mausemaus. „Wo ist mein Felix“, fragte sie immer wieder. „Ich gehe nicht ohne meinen Felix!“ Es brach mir das Herz … zum zweiten Mal in kürzester Zeit.
Kinder trauern anders
Trauer ist etwas sehr individuelles, abhängig vom Typ, von den persönlichen Bedürfnissen und natürlich auch der Dimension des Verlustes. Ein Haustier zu verlieren kann man sicher nicht mit dem Tod eines geliebten Menschen vergleichen, und doch sind es nun mal Lebewesen, mit denen wir oftmals unzählige Jahre verbrachten und die genauso wie Verwandte und Freunde ein klaffendes Loch hinterlassen, wenn sie gehen. Wir trauern … manchmal wirklich lange und durchaus intensiv. Nicht nur Erwachsene, die das Konzept Tod wenigstens grob und in seiner ganzen Tragweite begreifen, sondern auch Kinder. Allerdings trauern Kinder anders. Und darauf war ich vor drei Jahren so wenig vorbereitet wie auf meinen eigenen Schmerz, der sicherlich durch den Umstand, dass ich schwanger und vollgepumpt war mit mütterlichen Hormonen, noch potenziert wurde.
Die kleine Madam weinte in einem Moment so haltlos, laut und schmerzerfüllt, dass ich meinte, meine eigene Trauer komplett unterdrücken zu müssen, um der ihren gerecht werden zu können. Und im nächsten Moment wischte sie sich mit dem Handrücken über das Gesicht, schniefte und hüpfte von dannen, um zu spielen. Kinder trauern anders. Nicht linear, könnte man sagen. Die Mausemaus beschäftigte sich mit ihrem Schmerz, wenn es für sie gerade passte … zum Teil wie aus heiterem Himmel, jedenfalls aus meiner Perspektive betrachtet, die natürlich sehr viel verkopfter war als die meiner Tochter. Eine befreundete Therapeutin erklärte mir damals, dass sich die Tür zur Trauer bei Kindern automatisch immer mal öffnet, dann aber auch wieder schließt … bevor es zu viel wird für den kleinen Floh und es nicht mehr zu ertragen wäre. Deshalb weinen Kinder nicht unbedingt durchgehend über Tage – so wie wir Erwachsenen es am liebsten tun würden – sondern im Wechsel zum kindlichen Glücklich-sein. Ich war damals ein bisschen neidisch auf mein Kind, weil ich mich um das Schließen meiner eigenen Tür so sehr bemühen musste – damit ich für sie stark sein konnte.
Rückblickend denke ich, dass ich es nicht gut gemacht habe. Weil ich einfach nicht wusste, wie viel von meinen Tränen sie ertragen könnte. Ich versuchte, dass Thema nicht ganz so präsent werden zu lassen und lenkte uns beide viel ab. Doch jedes Mal, wenn sie gefühlt urplötzlich rief: „Mama, wo ist mein Felix? Ich will meinen Felix? Ich vermisse ihn so sehr!“ brachen all meine Dämme. Und es dauerte schrecklich lange, bis es besser wurde, bis wir nicht mehr jeden Abend gemeinsam im Bett um unseren verlorenen Freund weinten.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir zwei Katzen. Es gab also noch eine „Hinterbliebene“. Obwohl sie im Grunde eher eine Art Hass-Liebe verbunden hatte, trauerte auch die „dicke Katze“ Lilly um ihren verschwundenen Kumpel. Erst suchte sie ihn, dann änderte sich ein wenig ihr Wesen. Sie wurde schmusiger und aufgeschlossener für die Mausemaus, aber so kuschelig und zugänglich wie der Kater wurde sie nie. Ehrlich gesagt war sie schon immer eine ziemliche Zicke und machte dem Töchterchen lange sogar etwas Angst. Wir überlegten zeitweise, ihr deshalb ein anderes Zuhause zu suchen, aber brachten es dann doch nicht übers Herz. Alte Familienmitglieder wirft man nicht raus, dachten wir. Und waren uns auch sicher, dass sie den damit verbunden Stress nicht überleben würde. Denn jegliche Veränderungen waren ihr von Anfang an zuwider. Davon mal abgesehen, war es eh unmöglich, sie in eine Transport-Box zu packen, ohne den Verlust eines Armes zu riskieren. ;)
Angst vor dem nächsten Verlust
Die Tochter (mittlerweile 5,5 J.): “Weinst du, weil Lilly vielleicht sterben wird?”
Ich: “Ja, Süße, ich mache mir Sorgen um sie.”
Die Tochter: “Hach, ich find’s auch schade. Wir können ihr ja gleich noch Gute Nacht sagen gehen. Aber erst muss ich aufs Klo, Kacka machen. Ich nehm ein Buch mit, ok?”
Den einzigen Menschen, den Lilly wirklich so richtig liebt/e und noch nie angegriffen hat/te, war/ist der Krümel. ER durfte ihr sogar mal auf den Schwanz treten und wurde nicht dafür mit Kratzern oder Bissen bestraft. Undenkbar bei jedem anderen. Und ER liebt/e sie genauso. So wie die Mausemaus früher den Kater. Deshalb wollte ich diesmal besser vorbereitet sein … auf den (Kinder-)Schmerz, den ihr Tod – den unserer letzten Familien-Katze – wahrscheinlich in Kürze auslösen wird.
Erst schleichend, dann rapide, baute die alte Dame über viele Wochen ab. Am Ende stellte sie einfach das Fressen und Trinken komplett ein. Unser Tierarzt stellte das ganze Tierchen „auf den Kopf“ und ich begann damit, mich jeden Abend unter Tränen von ihr zu verabschieden, in der Hoffnung, dass sie es allein schaffen würde … bei uns im Bett oder wenigstens in unserer Nähe … und nicht unter Panik beim Tierarzt.
Als ich schon ziemlich sicher war, dass unsere Lilly ihrem früheren Lebensgefährten wirklich bald über die Regenbogenbrücke folgen würde, schrieb ich meine Lieblings-Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin sowie Bestseller-Autorin (Psyche? Hat doch jeder!) Lena Kuhlmann vom Blog freudmich an und bat sie um Rat. Ich wollte besser vorbereitet sein als beim letzten Mal …
Was soll ich tun in Sachen Trauerarbeit, fragte ich sie? Und Lena antwortete prompt! <3
Wie erkläre ich es den Kindern? Wie bereite ich sie vor? Sie sind noch so klein. Wie viel Raum darf ich mir nehmen … vor allem vor ihnen?
Liebe Anke,
es ist immer traurig, wenn ein geliebtes Tier oder gar ein Mensch verstirbt. Als Elternteil braucht man dann doppelt viel Kraft: Einmal, um selbst mit dem Verlust umzugehen, und dann für die Kinder. Die haben nämlich sehr feine Antennen und merken schon früh, dass etwas nicht in Ordnung ist. Es kann sogar entlastend sein, wenn man sie mit dem diffusen Gefühl „Hier stimmt was nicht, die Mama ist so komisch.“ nicht alleine lässt. Dementsprechend rate ich, die Umstände zu benennen, natürlich immer kindgerecht. Und das vielleicht auch schon, wenn sich deutlich abzeichnet, dass ein Tier nicht mehr so lange zu leben hat – eben damit die Kleinen nicht plötzlich überrumpelt werden, wenn der Tag der Tage eintritt…
Das ist überhaupt meine Empfehlung: Raum für Gefühle geben, diese benennen („Die Mama ist auch traurig, dass Lilly nicht mehr bei uns ist.“) und zulassen. Kinder haben im Zusammenhang mit dem Tod manchmal ganz surreale, übertriebene und phantasieartige Ängste bzw. Gedanken – darüber reden hilft und stärkt das Gefühl, mit diesem tiefem Schmerz nicht allein zu sein.
Eine Trauerreaktion nach einem Verlust ist eine normale, gesunde Reaktion. Kinder lernen einen Umgang mit negativen Gefühlen und das für ihr Leben. Eltern sind dabei Vorbilder – sie dürfen und sollen ihre Trauer, in Maßen und immer auf Eltern-Kind-Ebene, auch zeigen. Kinder verstehen somit, dass traurig sein zum Leben dazu gehört, können sich Strategien für den Umgang damit abschauen und – das ist mir besonders wichtig – gerade Jungs merken, dass Tränen erlaubt sind. Von wegen: Boys don´t cry.
Ein Bestandteil von Trauerarbeit kann sein, die Kinder in den Abschiedsprozess mit einzubeziehen und die Möglichkeit zu geben, „Lebewohl“ zu sagen. Natürlich muss man auch hier immer das Alter und die Stabilität der Kinder im Auge behalten. Auch Rituale können hilfreich sein: Das Grab gemeinsam gestalten und abends gießen, einen Abschiedsbrief/-bild schreiben bzw. malen. Ich arbeite gerne mit Bilderbüchern. Das ist eine nicht ganz so direktive Art, sich an das Thema heranzutrauen.
Letztendlich bleibt zu sagen, dass Trauerarbeit immer Arbeit ist. Es ist also ein Prozess, der in der Regel nicht krankhaft ist. Manchmal sind Eltern aber in Sorge, dass Verlusterfahrungen ihre Kinder langfristig destabilisieren und psychische Störungen auftreten können. In diesen Fällen, und wenn Mamas und Papas einfach Unterstützung und ein offenes Ohr brauchen, empfehle ich den Kontakt zur Erziehungsberatungsstelle. Ein erster Schritt ist auch getan, wenn man sich Freunden, Bekannten oder eben der Community hier anvertraut: Man muss nicht immer alle Sorgen alleine tragen.
Alles Liebe!
Lena
Ich bin Lena sehr dankbar für ihre Antworten, denn auch wenn sie natürlich niemanden den Schmerz eines Verlustes nehmen können und im Endeffekt IMMER unser individuelles Bauchgefühl der beste Ratgeber ist, so stellen sie dennoch einen Leitfaden für die Trauerarbeit dar, an dem wir uns in schweren Zeiten entlang hangeln können. Und ganz ehrlich: Dass ich mich nicht mehr ständig fragen muss, ob ich gerade als Mama alles falsch mache, meinen Kindern zu viel zumute oder auch zu wenig (!!!), entlastet mich schon sehr und nimmt mir zumindest ein wenig die Angst vor dem nächsten Trauerfall, den wir als Familie – alle gemeinsam – verarbeiten müssen.
PS: Am 3. Juni 2019 musste wir uns endgültig von unserer Katze Lilly verabschieden. Sie hat es nicht alleine geschafft – ich musste für sie entscheiden, um ihr weiteres Leid zu ersparen. Wir sind alle sehr traurig und werden uns immer an diese ausgesprochen bekloppte Katze erinnern, die unsere Kinder ihre ersten Lebensjahre begleitet hat und dafür sorgte, dass keine Monster einbrechen konnten (ihr besonderes Talent ;) ).
Mach gut, alte Freundin, und grüß Felix von uns! Auch er wohnt weiterhin in unseren Herzen. <3
Lena’s Literatur-Tipps zum Thema Trauerarbeit für die kleinen Leser und ihr Lieblingsbuch für Erwachsene:
> Die besten Beerdigungen der Welt
(Werbung wegen Verlinkungen)
PS: Wie immer freue ich mich, wenn ihr diese Text teilt! Danke! <3
Liebe Anke, vor inzwischen 8 Jahren musste ich meine kleine Kitty gehen lassen, sie hatte einen Hirntumor und litt sehr. Kitty war viele Jahre eine Treue Begleiterin und Seelentrösterin und ich kann gut nachfühlen, was gerade in dir vorgehen mag. Mein Beileid ?
Inzwischen wohnt seit fast 5 Jahren unser Garfield bei uns ein stolzer Schmusekater, den die kids lieben und der sehr geduldig mit ihnen ist. Ich hoffe er bleibt uns nich lange erhalten..
Alles Gute für Euch, lg Nicoletta
Das wünsche ich euch auch! :-*
Ich habe auch noch einen kleinen Buchtipp dazu : Leni und die Trauerpfützen. Es geht in eine ähnliche Richtung wie die Sache mit der Tür zur Trauer.
Ich danke dir :-*