Vermissen
Rabenmutter 2.0

Das große Vermissen

… wenn das zweite Kind kommt und Mama plötzlich das erste vermisst.

Im Prinzip jedes Mal, wenn man sich als Mutter über irgendetwas beschwert, was mit den Kindern und ihren Eigenarten zu tun hat, bekommt man entweder gesagt, dass man sich das doch selber ausgesucht hat ODER: Warts nur ab, genau DAS wirst du eines Tages vermissen und diese Zeit kommt schneller, als du jetzt gerade denkst! Zum Beispiel, wenn man als Mama sagt: „So langsam würde ich abstillen wollen, aber der kleine Floh ist dagegen.“ Oder: „Ich wünschte, ich hätte mein Bett endlich mal wieder nur für mich alleine bzw. für mich und meine/n Partner*in!“ Oder auch: „Mal ganz im Ernst: Abends klingeln mir die Ohren, weil ich 1 Million mal das Wort MAMA gehört habe.“ Oder wenn man sagt: „Oh Mann, der Zwerg klebt wie Kaugummi im Haar an mir. Gefühlt den GAAAANZEN Tag!“ Auf all diese (Beispiel-)Sätze kommt dann als Feedback: Glaube mir … du wirst es vermissen. Diese Zeit geht so schnell vorbei und plötzlich sind sie groß. Und all das, was dich heute nervt oder anstrengt, wirst du dann garantiert vermissen.

Du hast keine Lust oder Zeit, zu lesen? Dann scrolle einfach bis zum Ende des Textes runter und hör dir den PODCAST an!  

Vermissen gehört zur Elternschaft dazu – von Anfang an.

Das Thema Vermissen ist also im Grunde von Anfang an präsent, denn es stimmt ja nun tatsächlich, dass die Kinder sich wahnsinnig schnell entwickeln und uns eigentlich nur eine ganz kurze Zeitspanne so intensiv brauchen, dass die Nähe manchmal anstrengend wird. Mit jedem Jahr – nein, genaugenommen mit jedem Tag – werden sie selbstständiger und kleben etwas weniger an der Mama, brauchen sie weniger und lernen Schritt für Schritt ihre eigenen Wege zu gehen. Und ja, wir werden sie auf jeden Fall vermissen, wenn sie sich weit genug von uns entfernt können, um ihre eigenen Erfahrungen OHNE unsere ständige Nähe zu machen. Sie sind immer noch da, wir sind immer noch da … aber vielleicht stehen wir nicht mehr die ganze Zeit körperlich neben ihnen. Und das ist natürlich gut und richtig so. Das ist der Lauf der Dinge! <3

Und was ist mit uns? WIR machen auch Schritte, die uns von unseren Kindern entfernen? Wie den, der uns zurück in unser Berufsleben führt. Den, der unser Kind in einer Betreuung schickt, damit sie auch dort Neues lernen können … im Umgang mit anderen Kindern, Spaß haben, sich entwickeln in einer Gruppe und wir gleichzeitig wieder etwas mehr wir selbst sein können, ohne dass jemand seinen Schnodder an unserer Schulter abwischt. Auch hier setzt oftmals „vermissen“ ein, wenn es meist auch gepaart ist mit einem Gefühl des Zurückgewinnens der eigenen Freiheit, die wir vielleicht erst jetzt richtig zu schätzen wissen. Klar, dass lässt sich nicht gut verallgemeinern, wie so oft. Auch folgendes vielleicht nicht, aber viele Mütter haben mir davon erzählt und ich selbst habe es ebenfalls genauso erlebt:

Wenn man zum zweiten Mal Mama wird, vermisst man das erste, obwohl es da ist.

DAS hat mich damals schlichtweg kalt erwischt. Das Vermissen des großen Kindes, wenn man ein zweites bekommt. Das vermissen der Erstgeborenen, obwohl sie eigentlich doch da sind, genauso nah, aber auch wieder nicht. Weil nun ein weiteres Herzchen Mamas Liebe braucht. Zwar stimmt es, dass die Liebe sich verdoppelt und deshalb nicht geteilt werden muss, aber die Aufmerksamkeit doch schon. Eben noch war das erstgeborene Kind der Mittelpunkt des Universums der Mutter, der Eltern. Und plötzlich erstrahlt ein weiterer Stern in diesem Universum. Und auch er bedarf Aufmerksamkeit. Sehr viel sogar, gerade am Anfang.

Ich erinnere mich spürbar an eine ganz besondere Situation, in der ich dieses Vermissen erst so richtig begriff. Das Krümelchen war erst drei oder vier Tage alt, aber mit ihm hatte sich meine ganze Welt wieder komplett verändert. Plötzlich kam mir die Mausemaus so groß vor. Gemessen am Krümelchen war sie das ja auch, obwohl noch keine drei Jahre alt. Zum ersten Mal in unserem gemeinsamen Leben hatte sich der Papa über mehrere Tage 24 Stunden am Stück um unsere kleine Tochter gekümmert. Ich war zwei Nächte im Krankenhaus und dann zu Hause im absoluten Baby-Tunnel. Doch sobald es möglich war, wollte auch ich die Mausemaus wieder zum Mittagsschlaf hinlegen; dieses kuschelige Ritual wieder genießen. Ich gab unseren Säugling also dem Papa und ging mit der Mausemaus ins Kinderzimmer. Ich kuschelte mich mit ihr in die Kissen und wiegt sie in meinem Arm in den Schlaf. Dieses große, kleine Mädchen, das mich zur Mutter gemacht hatte. Und plötzlich weinte ich. Ich weinte so sehr, dass alles an und in mir bebte und die Tränen nur so über mein Gesicht liefen, bis sie von meinem Kinn in das Haar meiner Erstgeborenen fielen. Ich vermisste sie so sehr – obwohl sie doch da war – dass es mich körperlich schmerzte. DARAUF war ich nicht vorbereitet. DAVOR hatte mich niemand gewarnt!

Auch das gehört dazu und ist ok.

Dieser intensive Moment des Vermissens, bzw. des Begreifens, ließ mich eigentlich erst so richtig in der Veränderung ankommen. Von nun an war ich offiziell die Mama von zwei Kindern. Mit verdoppelter Liebe und gleichzeitig mit verdoppelten Ansprüchen an mich.  Definitiv hauptsächlich eine Bereicherung in meinem Leben, eine, die ich niemals missen wollen würde, aber eben auch eine, die dazu geführt hat, dass meine Tochter und ich einen kleinen, normalen, durchaus richtigen, aber eben zugleich schmerzlichen Schritt voneinander weg machen mussten. Das Vermissen war anfangs so groß; so groß, dass es mir jetzt noch die Tränen in die Augen treibt. Wie dankbar bin ich für die ersten drei Jahre, die wir alleine (mit Papa natürlich ;)) miteinander verbracht haben. Und wie dankbar bin ich dafür, dass wir dann ein zweites Kind bekommen durften, welches mein erstes zu einer großen Schwester gemacht hat. Eine Rolle, die sie mehr als wunderbar ausfüllt und zumindest meistens genießt. <3

Natürlich kann und sollte man alles daranlegen, einzeln und ganz bewusst Zeit miteinander zu verbringen, ohne Geschwisterchen, aber es ist dennoch etwas anderes. Das ist ok. Ich liebe beide Kinder aus tiefstem Herzen. Ich bin absolut glücklich mit unserer Familie. Trotzdem darf ich, darf JEDE/R, etwas vermissen, dass man einmal hatte und damals auch liebte. Das gilt für die Allein-Zeit mit dem Erstgeborenen, genauso wie für die Allein-Zeit mit dem Partner oder die Allein-Zeit mit sich selbst, bevor das Abenteuer Familie überhaupt erst begann. Vermissen darf man immer, denn vermissen bedeutet Wertschätzung. Und DIE ist niemals falsch. <3

PS: Wie immer freue ich mich, wenn ihr diesen Text teilt! <3

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