Best of Rabenmutter 2.0

Was passieren kann, wenn wir Kinder vergleichen.

“Du bist gut. Aber deine Schwester ist besser.”

Schon lustig, wie überzeugt man oft als Erwachsener davon ist, dass man alles verletzende aus der Kindheit  längst abgeschüttelt, alle Gemeinheiten verziehen und Ungerechtigkeiten verarbeitet hat. Und dann fällt irgendwo ein Satz … und plötzlich klatschen Wellen aus kindlichen Emotionen über einem zusammen, so sehr, dass man kurz stehen bleiben muss, ganz egal wo man gerade ist, um zu atmen. Einfach nur zu atmen. Und zurückzufinden ins Hier und Jetzt, weil man ja KEIN verletztes Kind mehr ist, sondern schon groß und da doch drübersteht. Eigentlich. Aber manchmal braucht es einen Moment. Bei mir hat es letztens vielleicht sogar einen Moment länger gedauert, wieder ganz klar zu sein, denn es traf mich völlig überraschend, während ich in einer Kassenschlange wartete und Kommentare unter einem Video las, dass ich kurz zuvor gepostet hatte. „Du bist gut. Deine Schwester ist besser!“ schrieb eine Followerin … garniert mit Lach-Smileys. Ich wusste, sie meinte es null böse. Sie meinte auch nicht mich persönlich, sondern meine „Performance“. Dass war mir klar. Aber sie traf mich damit so hart, dass ich sicherlich hörbar die Luft durch die Zähne einsog, weil es mich so verletzte. Also … nicht der Kommentar ansich, aber die Erinnerung daran, genau diese Worte so, so oft in meiner Kindheit gehört zu haben.

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Wir Eltern meinen es nicht böse, aber …

Eltern, die heutzutage mehr als ein Kind haben, wissen es natürlich: Man darf Kinder nicht miteinander vergleichen. Zum einen, weil jedes Kind anders ist, zum anderen, weil es zu schlicht zu unnötig schweren Konkurrenzkämpfen unter Geschwistern führt. Klar, sie entstehen eh, weil das Vergleichen von Leistungen tief verwurzelt ist in unserer Gesellschaft, aber zumindest von uns Eltern aus sollten sie nicht zusätzlich befeuert werden – weil es so verletzend sein und das gerade erst heranwachsende Selbstbewusstsein demontieren kann, bevor es überhaupt erst richtig aufgebaut wurde. Allerdings ist dieses also ja durchaus vorhandene pädagogische Verständnis gar nicht so einfach umzusetzen, weil wir es so sehr gewöhnt sind, alles und jeden zu vergleichen, dass es oftmals einfach passiert. Im besten Fall jedoch zumindest außer Hörweite der Kids, denn das kann wirklich tiefe Spuren hinterlassen – gerade, wenn es wiederholt geschieht – in den kleinen Gemütern. Und DA spreche ich aus eigener Erfahrung.

„Das hast du gut gemacht, Anke, aber schau mal deine kleine Schwester, die macht es besser!“

Natürlich habe ich meinem Vater, aus dessen Munde ich diese Sätze immer hörte, längst gesagt, wie sehr sie mich verletzt und wie nachhaltig sie mein leider sehr lang, sehr schwaches Selbstbewusstsein, geprägt haben. Wir haben es geklärt, in langen, ehrlichen und guten Gesprächen. Ich weiß, er meinte es damals nicht böse bzw. hat sich nie Gedanken darüber gemacht, was es in mir auslösen könnte. Er wollte mich nie bewusst verletzten und heute tut es ihm leid. Ich habe es längst verziehen und viel daraus gelernt. Er genauso! Und auch meine Schwester und ich haben das dadurch entstandene, natürlich sehr stark ausgeprägte Konkurrenzdenken einander gegenüber abgelegt und eine wertschätzende Beziehung wachsen lassen, in der wir von unseren Unterschieden profitieren, anstatt sie einander zu neiden. Es ist also alles gut … aber ich kann dennoch nicht verhindern, dass der Wortlaut: „Du bist gut. Aber deine Schwester ist besser!“ sofort Flashbacks auslöst. Das wird wahrscheinlich immer so sein.

Wenn Kinder einen aussichtslosen Kampf kämpfen müssen. 

Auch wenn wir Eltern das Ausmaß oft gar nicht glauben können: Geschwister ähneln sich manchmal wie Tag und Nacht – nämlich gar nicht. :D Wie oft staunen wir Mamas und Papas dann, schütteln lachend den Kopf und überlegen, wie das trotz gleichem Genpool und Umfeld überhaupt sein kann. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Wir alle sind Individuen, von Geburt an und bringen viel mehr EIGENES mit, als man so erwartet. Gene, Erziehung und Umfeld machen sicher eine Menge aus – aber bei Weitem nicht alles. Und: Selbst, wenn wir DENKEN, dass wir all unsere Kinder genau gleich lieben und behandeln, stimmt das nicht. Und das ist null negativ gemeint. Es stimmt nur nicht! Wir lieben und behandeln jeden anders, weil es eben ein individuelles Zusammenspiel ist. Und das ist fantastisch so, WENN wir keinen Wettkampf (besonders für die Kinder) daraus machen, indem wir die Kinder vergleichen!

Ich war „stets bemüht“.

Zu mir als Kind passte hervorragend: Sie war „stets bemüht“. Mein kreatives Talent, mir Geschichten auszudenken und sie in Worte zu fassen, kristallisierte sich schnell heraus. Allerdings auch, dass ich dafür zum Beispiel krass unsportlich war (ok, meine körperliche Basis-Ausstattung wies da auch von Anfang an ein paar Mängel auf ;)), schulisch auch eher ausschließlich auf meiner „Insel“ glänzte und selbst künstlerisch deutlich weniger begabt war als meine Schwester. Im Grunde nicht „schlimm“, denn mein Herz hing eh an anderen Sachen; aber ich erntete deswegen halt gefühlt ständig eine Bewertung, die meine Leistung degradierte. Meine Ergebnisse wurden durch ein Elternteil IMMER denen meiner jüngeren Schwester untergeordnet. Das hat nicht nur in der Situation selbst verletzt, sondern natürlich auch mein Selbstbild unschön geformt UND dazu geführt, dass ich irgendwann kein Interesse mehr daran hatte, etwas auszuprobieren oder für etwas zu kämpfen … wozu auch; gewinnen konnte ich schließlich nie. Ich gab auf.

Was habe ich zum Thema Kinder vergleichen daraus gelernt?

  1. Eltern geben ihr Bestes. Immer. Sie machen aber Fehler, was voll normal ist. Darüber muss man irgendwann sprechen, im besten Fall können alle Beteiligten anschließend einen liebvollen Haken an die Sache machen und vielleicht sogar etwas Positives daraus mitnehmen.
  2. Kinder kommen NICHT als leere Vase auf die Welt, sondern mit ganz viel Selbst, ABER wir Eltern haben dennoch eine große Macht darüber, was aus ihnen wird bzw. welche Basis wir ihnen mitgeben. Es ist eine große Verantwortung – die sich auch in kleinen, nebenbei formulierten Sätzen widerspiegelt.
  3. Niemand ist perfekt; weder irgendein Elternteil, noch irgendein Kind. Und diesen Anspruch sollte auch niemand an irgendjemanden stellen. Niemals!
  4. Die Kindheit ist dazu da, Neues zu lernen und herauszufinden, was man kann und mag und was vielleicht nicht. UNABHÄNGIG davon, was andere gerade rausfinden! DAS gilt übrigens auch noch für Erwachsene. <3

Fazit:

Eine meiner wichtigsten Erziehungsregeln ist tatsächlich, die Kinder NICHT in so einen Wettbewerb zueinander zu manövrieren, sie aneinander zu messen und sie unangenehm zu bewerten. Die zwei sind so krass unterschiedlich – es gäbe keinen Gewinner, selbst wenn man einen küren wollte. Wollen wir aber ja sowieso nicht. Ich bin dankbar dafür, dass sie so verschieden sind. Und bewundere sie beide für ihre jeweiligen Besonderheiten.

Dennoch passiert es auch mir manchmal, dass ich es heimlich oder im Gespräch mit anderen versuche, dass ich die beiden vergleiche – ihre Eigenheiten; nie ihre „Leistungen“. Ich arbeite aber immer daran. Auch daran, ihnen beizubringen, dass ihre „Leistungen“ – egal in welchem Bereich – nichts über sie als wundervolle, kleine, wachsende Menschen aussagen. Denn DAS sind sie … und zwar absolut konkurrenzlos … wie jedes Kind! <3

PS: Wie immer freue ich mich, wenn ihr den Artikel teilt <3

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Ein Kommentar für “Was passieren kann, wenn wir Kinder vergleichen.

  1. Ich verstehe dich gut. Ich war als Kind und auch als junge Erwachsene in der Familie immer die Bessere.
    Ich hatte immer das Gefühl, sie schützen zu müssen und für sie einstehen zu müssen.