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Interviews

Eltern-Interviews aus aller Welt: Anke erzählt von ihrem Leben in Schweden

Ich muss ja gestehen, dass ich von vielen Ländern einfach gar keine Ahnung habe und diese Kategorie daher auch schlicht FÜR MICH mega cool ist! Heute zum Beispiel nimmt uns Anke aus Schweden ein bisschen mit und erzählt, wie es so ist, mit Familie in einem Land zu leben, in dem einfach mal ein halbes Jahr Schnee liegt und die Sonne nur noch sehr, sehr „Teilzeit“ arbeitet.

Ankes Familie besteht übrigens aus ihrem Sohn(5), ihrer Tochter (13), ihrem Mann, zwei Hunden, sechs Pferden und einen Haufen Hühnern. Na, dass klingt doch spannend! :D

Anke erzählt von ihrem Leben in Schweden

  1. In welchem Land lebst du mit deiner Familie und seit wann?

Wir leben auf dem Land in der Nähe von Umeå, in Nordschweden. Wir sind 2012 nach Schweden gekommen, sind also jetzt seit fast 11 Jahren hier. Meine Tochter wurde noch in Deutschland geboren.

  1. Wie ist das mit der Kinderbetreuung bei euch? Gibt es ein ähnliches oder gar dasselbe Konzept wie hier?

Es gibt ein sehr zuverlässiges Netz aus kommunalen Kita-Einrichtungen. Man hat Anrecht auf einen Platz, wenn die Kinder ein Jahr alt sind. Unsere Kita hat von 6:30 bis 17:30 auf, allerdings muss man die Randzeiten vorzeitig anmelden. Wir registrieren die Zeiten in der Woche vorher. Die Kinderbetreuung ist sehr billig, es kostet ca. 100€ im Monat und alle Mahlzeiten sind inbegriffen; Frühstück, Mittagessen, und zwei Zwischenmalzeiten, für mehrere Kinder gibt es Rabatt. Das Erziehungskonzept ist einheitlich, was positive und negative Konsequenzen hat. Positiv ist natürlich, dass alle Kinder die gleichen Voraussetzungen haben, wenn sie in die Schule kommen; aber es gibt natürlich keinerlei Wahlmöglichkeiten. Das Konzept ist sehr inklusiv, es wird darauf geachtet, dass alle gleichermaßen mit einbezogen werden.

  1. Wie alt sind die Kinder bei euch, wenn sie eingeschult werden und was ist an eurem Schulsystem vielleicht anders als an unserem in Deutschland?

Die nullte Klasse beginnt für alle Kinder in dem Jahr, in dem sie sechs Jahre alt werden. Sie lernen lesen und schreiben in ihrem eigenen Tempo. Am Anfang haben sie noch recht wenig Unterricht. Es gibt „Freizeitbetreuung“ für alle Kinder in ihrem Jahrgangsverband vor und nach dem Unterricht. Sie kostet ungefähr so viel wie die Kita. Schulbusse fahren die Dörfer an und halten Nahe der Häuser.

Die Grundschule, die aus Grundstufe und Mittelstufe besteht, geht bis zur neunten Klasse. Danach beginnt das „Gymnasium“, das nicht unter die Schulpflicht fällt. Im Gymnasium kann man verschiedene Richtungen wählen und auch – wie bei der Fachoberschule – eine Berufsausbildung machen, zum Beispiel als LKW Fahrer oder im Gesundheitsbereich. Solange man Abschlussprüfungen in den Hauptfächern ablegt, kann man sich auf Universitätsausbildungen bewerben. Man kann auch eine Allgemeine Hochschulprüfung machen. Außerdem kann man, wenn für bestimmte Fächer Punkte fehlen, weitere Kurse belegen. Das gesamte System ist recht flexibel und viele Erwachsene entscheiden sich später im Leben, noch mehr Kurse und Ausbildungen zu belegen.

  1. Fühlt ihr euch in Sachen medizinische Betreuung mit eurem Nachwuchs gut, schlechter oder vielleicht sogar besser als bei uns aufgehoben?

Kinder werden hier medizinisch recht gut betreut, wohingegen die Betreuung von Schwangerschaft und Geburt eine ziemliche Katastrophe ist.

Wenn wir zum Arzt wollen (müssen), gehen wir zur örtlichen „Hälsocentral“. Man muss morgens um Punkt 8:00 anrufen und bekommt dann eine Rückrufzeit für ein Gespräch mit einer Krankenschwester. In diesem Gespräch wird dann festgestellt, ob eine persönliche Vorstellung in einer Praxis notwendig ist oder nicht. Manchmal gibt es morgens um 8:02 schon keine Rückrufzeiten mehr und man kann nicht akut einfach zur Hälsocentral hingehen. Dazu gibt es in den Zeiten, wenn die Hälsocentral geschlossen hat, einen Jour. Dazu müssen wir allerdings über eine halbe Stunde mit dem Auto fahren. Bekommt man keine Zeit bei der örtlichen Hälsocentral, ruft man eine Nummer an, 1177, und kann da auch telefonische Beratung bekommen. Ist es wirklich dringend, kann dieser zentrale Dienst auch einen Termin bei einem Arzt vereinbaren. Hat man es endlich geschafft, tatsächlich untersucht zu werden, passiert meistens trotzdem nichts, außer, dass man empfohlen bekommt, Paracetamol zu nehmen und sich ins Bett zu legen.

Ist es allerdings dann richtig schlimm, und man muss zur Notaufnahme, funktioniert das System plötzlich sehr gut und die Patienten werden sehr gut betreut. Wir haben dies in den letzten Jahren gründlich getestet, mein Mann stellt sich manchmal etwas ungeschickt an… z.B. ist er einmal mit dem Rasentraktor über seinen eigenen Fuß gefahren und hat sich beinahe den großen Zeh abgehackt, oder er ist mit seinem Flugschirm abgestürzt und hat sich einige Rippen gebrochen, zuletzt hat er sich vor ein paar Wochen einen Trümmerbruch im Zeigefinger zugezogen.

Was die Betreuung von Geburten und Schwangeren betrifft, ist die Versorgung sehr dürftig. Zum einen wird weit weniger kontrolliert und überwacht als in Deutschland, zum anderen haben hier viele Abteilungen an den Krankenhäusern zugemacht oder machen zu, wenn Personalmangel herrscht. Nun müssen Schwangere aus dem Inland mehrere Stunden mit dem Auto fahren, bevor sie in einem Krankenhaus entbinden können. Soweit ich weiß, kann man z.zt. in der Provinz Västerbotten in drei Krankenhäusern entbinden: Umeå, Skellefteå und Lycksele, wobei Lycksele in den Sommer- und Weihnachtsferien oft schließen muss. Schaut man auf der Karte nach, sieht man, dass damit auf einem Gebiet, das grösser ist als ganz Niedersachsen, nur in drei Städten entbunden werden kann und zwei davon an der Küste liegen, hunderte Kilometer vom Inland entfernt! Und das in einem Teil des Landes, in dem die Verkehrslage in den SECHS Wintermonaten schnell unübersichtlich sein kann.

  1. Vermisst du etwas, das es in Deutschland gibt, aber bei euch zuhause nicht?

Es würde mir absolut nichts ausmachen, wenn der Winter hier ein kleines bisschen kürzer wäre. Wir haben hier meist von Oktober bis April Schnee, in zum Teil unübersichtlichen Mengen. Dazu ist es dunkel und kalt. Im Dezember wird es nur für knapp zwei Stunden halbwegs hell. Es kann sehr, sehr kalt sein. Bei Temperaturen unter minus 20 Grad kann man auch nicht mehr so viel draußen machen. Bei unter minus 30 Grad wird es wirklich nervig, weil alles aufhört zu funktionieren… Autos, Wasserleitungen, Werkzeug… alles wird spröde und geht kaputt. Der Atem gefriert einem im Gesicht und in den Wimpern. Das ist natürlich irgendwie faszinierend, aber deutlich angenehmer, wenn man irgendwo in einer Wohnung in der Stadt wohnt, anstatt auf einem Pferdehof auf dem Land.

Es wäre auch gar nicht schlimm, wenn vor allem Dienstleistungen ein bisschen billiger wären, denn die Lebenskosten sind hier schon recht hoch im Vergleich zu Deutschland; dabei sind die Gehälter nicht unbedingt höher.

Freie Arztwahl wäre auch toll; im Moment ist die Situation hier eher so, dass man sich freut, wenn man überhaupt einen Arzt gefunden hat. Besonders vermisse ich diesbezüglich tatsächlich den guten, alten Hausarzt/in der/die einen kannte und einschätzen konnte, sodass die persönliche Beziehung die Behandlung beeinflussen kann.

  1. Was ist bei euch – deiner Meinung nach – viel besser als bei uns in „Good old Germany“? ;)

In Deutschland hätte ich niemals die Möglichkeit gehabt, einen Hof in der Größe und Lage zu kaufen, wie ich es hier konnte. Es wäre einfach zu teuer, besonders in der Nähe einer Universitätsstadt, die ich aber brauche, um meinen Beruf als Biologin ausüben zu können.  Wir leben auf 11 Hektar Land an einem Fluss mit Strand, mit passabler Anbindung zu Bus, Zug, Fähre und Flug (40 min zum Flughafen). Wir haben eine Glasfaserleitung für Internet. Ich bin mir nicht sicher, ob es einen solchen Ort in Deutschland überhaupt gibt.

Homeoffice ist hier, wo die Wege zur Arbeit lang sind, viel häufiger. Ich habe drei Jobs, und arbeite bei allen meistens von zu Hause aus. Eigene Unternehmen zu führen ist etwas einfacher als in Deutschland und viel Bürokratie ist digitalisiert und viel einfacher als in Deutschland.

Der harte Winter, der das Leben hier so speziell macht, ist auch wunderschön. Wenn der Schnee in der Sonne glitzert, unter den Schuhen knirscht, wenn das Licht im Frühling zurückkommt oder das Nordlicht am Himmel tanzt, ist es hier einfach magisch. Es ist fast so schön wie der Sommer, wenn es nie dunkel wird, und man vor Energie nur so platzt! Wenn man nach der Arbeit mit den Pferden auf dem Hof einfach in den Fluss springen kann, der Wald voll Blaubeeren, Moltebeeren und Pilzen ist und es warm, aber nicht heiß ist.

  1. Möchtest du gerne noch etwas anderes erzählen??? Dann ist dafür hier natürlich auch noch Platz! <3

Die Menschen hier sind recht reserviert und karg, ein bisschen wie das Klima und die Natur. Es dauert eine Weile bis man Freunde gefunden hat, aber sobald man ein Teil der Community geworden ist, hat man viel Unterstützung.

Was vielen vielleicht nicht klar ist, bedeutet mit Kindern im Ausland zu wohnen auch, dass man keine Oma, keine Tante usw. am Ort hat, die mal schnell die Kinder nehmen oder entlasten können. Es bedeutet auch, dass man im Prinzip nie Urlaub hat, denn alle Urlaubstage von der Arbeit und alle Reisen gehen dafür drauf, die Familie zu besuchen oder zu Beherbergen. Das ist natürlich auch sehr, sehr schön, aber auch anstrengend. Statt Urlaub fliegen wir im Mai dieses Jahr nach Kanada, da mein Mann Kanadier ist und wir seine Familie seit 4 Jahren nicht mehr gesehen haben. Um uns ein bisschen Luft zu verschaffen, bauen wir jetzt noch ein Ferienhaus auf unserem Grundstück. Dann können wir ein bisschen entspannter Besuch empfangen und vielleicht mal selbst in den Urlaub fahren.

Liebe Anke, vielen Dank für diesen Einblick in dein bzw. das (Familien-)Leben in Schweden!!! <3

PS: Wie immer freue ich mich, wenn ihr den Beitrag teilt!!!

Foto-Credit: Anke privat

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