Geburtsbericht
Geburtsberichte

Carmen erzählt

Seit ich einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand hielt, begleitete mich ein Gedanke: Ich will nicht in einer Klinik entbinden. Warum? Ich bin doch kein Patient. Ich bin eine gesunde Frau die ein Kind zur Welt bringen wird. Ich wollte nicht, dass der erste Eindruck welchen mein Kind von dieser Welt bekommen wird, geprägt ist von grellem Krankenhauslicht und übermüdeten oder hektischen Ärzten. Der beste Start ins Leben eines Kindes, ist bestimmt zu Hause, in familiärer Umgebung, in den vertrauten 4 Wänden wo man sich als Gebärende entspannen kann. Das war mir jedoch eine Nummer zu groß. So wurde ich auf die Möglichkeit des Geburtshauses aufmerksam. In der 14. SSW kontaktierte ich die Hebamme unseres Geburtshauses. Mein Mann und ich lernten sie kennen und es fühlte sich richtig an. Für mich auf jeden Fall. Er war nicht von Anfang an überzeugt. Aber er hat mir vertraut und sich darauf eingelassen. Ich war sehr erleichtert und die ganze Schwangerschaft über positiv gestimmt. Die Angst vor der Geburt, welche ich die letzten Jahre hatte war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt.
Am 08.02.17, 4 Tage nach dem errechneten Entbindungstermin, gab es noch immer kein Anzeichen, dass die Geburt in Sichtweite wäre. Am Morgen sind wir noch einmal zum Frauenarzt gefahren. Das CTG war unauffällig. Dann die Untersuchung durch den Arzt: “Oh, der Muttermund ist schon ca. 3 cm offen.” Ich war erleichtert. Aber laut Arzt war der Kopf noch nicht tief genug im Becken. Er versuchte den Muttermund etwas zu dehnen, was bewirken sollte, dass es voran geht. Er sagte, es kann sein, dass ich in 12 Stunden die ersten Wehen bekomme. Jedoch war er besorgt, weil mein Baby sehr kräftig sein soll und wir schon über dem ET waren. Er meinte, wenn das Baby nicht weiter ins Becken rutscht, heißt es vielleicht, dass mein Becken zu schmal ist, bzw. der Kopf des Babys zu groß. Er schätzt es auf 53 cm, 3,5 – 4 kg und 37 cm Kopfumfang. “Sollte es auf einen Kaiserschnitt hinauslaufen – in welche Klinik würden Sie gehen?” Ich dachte nur “Klink? Kaiserschnitt? Nein danke! War eigentlich nicht mein Plan”, antworte aber: “Ich denke nach Saarlouis”. Er verabschiedete sich mit “Wenn sich nichts tut sehen wir uns übermorgen wieder.” Ich wollte mir keine Sorgen machen. Schließlich bin ich ja keine kleine zierliche Person. Und dieses dumme ausrechnen von einem Entbindungstermin nervt mich. Man sollte uns gar kein Datum sagen, der Monat würde genügen.
Ich redete alles schön. Wahrscheinlich auch damit ich selbst nicht auf negative Gedanken komme. “Mein Baby wird wohl wissen, was es tut und kommen, wenn der richtige Zeitpunkt ist. Und der Kopf wird schon durchpassen. Unsere Körper sind doch dazu da, um zu gebären.” Abends lag ich mit meinem Mann auf dem Sofa. Plötzlich spüre ich ein krampfartiges Gefühl im Bauch. Es war 21.45 Uhr. Ich dachte mir, wahrscheinlich hab ich nur zu viel gegessen. Nach einer halben Stunde hatte ich nochmal diesen leichten Schmerz. Es fühlte sich irgendwie neu an. Geht es jetzt tatsächlich los, 12 h nach dem wir beim Arzt waren? Nein Carmen, freu dich mal nicht zu früh. Ich entspannte weiter auf dem Sofa, bis ich erneut diesen Krampf kommen spürte. Ich sagte meinem Mann Bescheid, dass ich es nicht einschätzen kann, ob es der Magen oder Darm ist oder wirklich eine Wehe. Er war ein bisschen aufgeregt und wollte natürlich wissen, ob es jetzt losgeht oder nicht. Ich wartete erneut eine halbe Stunde. Da war es wieder, und noch deutlicher zu spüren. Um Mitternacht gingen wir ins Bett. Ich sagte meinem Mann, das müssten Wehen sein, sie kamen tatsächlich regelmäßig alle 30 Minuten. Ich sagte ihm, er soll in Ruhe schlafen und sich keine Sorgen machen, es kann alles noch dauern oder auch morgen früh wieder verschwinden. Ich dachte mir, auch ich schlafe jetzt nochmal ein paar Stunden ein, damit ich fit bin für die Geburt. Doch dann lag ich im Bett und dieses Gefühl kam alle 20 – 15 Minuten. Jedes Mal, wenn ich den Druck im Bauch spürte, musste ich auf die Uhr schauen. Also geschlafen habe ich nicht wirklich. Ab 2 Uhr morgens wurden die Abstände noch kürzer. Ich begann tiefer zu atmen und weil ich meinen Mann nicht wecken wollte, ging ich ins Wohnzimmer und setzte mich auf den Gymnastikball. Dann lud ich mir eine Wehen-App auf mein Handy, um die Abstände genauer kontrollieren zu können. Da waren 2 Wehen im Abstand von nur 5 Minuten. Ach du meine Güte, jetzt geht es aber schnell. Dann eine nach 10 Minuten. Ich wollte weder meinen Mann noch meine Hebamme wecken. Vielleicht ist es ja ein Fehlalarm? Ich dachte nicht, dass sie so unregelmäßig sind. Also ließ ich um 4 Uhr ein warmes Bad einlaufen. Ich glaub ich lag 30-40 Minuten in der Wanne. Die Wehen kamen in Abständen von 5 bis 10 Minuten. Mein Mann stand plötzlich im Badezimmer und guckte mich fragend an. Ich erklärte ihm, dass es wohl ernst ist, weil die Schmerzen in der Wanne nicht weniger wurden. Wir gingen zurück ins Bett und ich beobachtete weiter. Zwischen 5 und 6 Uhr morgens waren die Wehen alle 4 – 10 Minuten. Dann plötzlich eine Pause von 30 Minuten. Vielleicht habe ich auch verpasst eine in der App zu vermerken? Jedenfalls wurde ich müde. Ich glaube ich hab noch ein bisschen geschlafen zwischen 6 und 8 Uhr. Dann sind wir aufgestanden und haben gefrühstückt. Die Wehen kamen unregelmäßig.

Um 10 Uhr rief ich meine Hebamme an. “Ich glaub die Kleine will sich jetzt doch mal auf den Weg machen.” Ich erzählte ihr von den unregelmäßigen Wehen und von meinem Bad. Sie sagte, solange ich mich zu Hause wohl fühle, kann ich da bleiben. Ob ich Blut oder Fruchtwasser verloren habe? Nein. Ich sollte sie in 2 Stunden nochmal anrufen. Mein Mann blieb zu Hause. Ich saß auf dem Gymnastikball und sah mir ein Video vom Schwangerschaftskongress im Internet an. Während der Wehen musste ich aber auf Pause drücken und konzentriert atmen. Weiter unregelmäßige Wehen, 14 Minuten, 6 Minuten, 4 Minuten, 9 Minuten. Ich versuchte die Wehen mal im Stehen, mal im Sitzen zu veratmen. Laufen und Stehen ging etwas besser als Sitzen. Dann sprach mein Mann mit mir in einer Wehe. Ich wurde verrückt. Sah er nicht, dass ich die Augen schließe und mich konzentrierte den Schmerz auszuatmen? Er schien den Ernst der Lage nicht verstanden zu haben. Ich musste ihm erklären, dass mir das zu anstrengend ist. Er durfte gerne mit mir sprechen und mich ablenken, wenn ich ihn ansehe und keine Wehe habe. Sonst sollte er unbedingt seinen Mund halten. Um 13 Uhr rief ich nochmals die Hebamme an. Sie erklärte mir, dass ich eine Blutung haben werde, wenn der Muttermund sich weiter öffnet. Dass ich jederzeit zu ihr kommen kann, wenn ich möchte. Aber dass ich genauso zu Hause bleiben kann, solange ich mit den Wehen gut klar komme. Ich blieb zu Hause und beobachte weiter. Ich war verunsichert, weil ich immer dachte, dass die Wehen ganz regelmäßig in denselben Abständen kommen, welche immer kürzer werden. Und da ich noch keinerlei Blutung hatte, dachte ich, dass mein Muttermund alles andere als bereit ist. Im Laufe des Nachmittags wurden die Wehenabstände weniger unregelmäßig, alle 4 – 5 Minuten. Ich duschte noch in Ruhe. Aber dann wurden die Krämpfe immer intensiver. Gegen 16 Uhr sagte ich meinem Mann, dass es immer schlimmer wird und wir müssten auf jeden Fall diesen Abend ins Geburtshaus fahren. Auch wenn da noch immer keine Blutung oder kein Fruchtwasser waren. Ich merkte, dass es zu Hause nicht mehr lange auszuhalten ist. Ich bewegte mich irgendwo zwischen Sofa, Gymnastikball, dem Tisch und der Bar hin und her. Die Wehen waren bereits in 3,5 – 4 Minuten Abständen da, und ich wollte in der nächsten Wehenpause die Hebamme anrufen. Plötzlich musste ich mich übergeben. Ich stand im Bad, übergab mich, konnte mein Wasser nicht mehr halten, und dann kam eine heftige Wehe. Das volle Programm. Ich bat meinen Mann darum, die Hebamme anzurufen und zu sagen, dass wir jetzt kommen wollen. Sie wollte mich sprechen, was mir etwas unangenehm war. Wir vereinbarten, uns in einer Stunde, um 18.30 Uhr im Geburtshaus zu treffen. Während der Autofahrt sitzend die Wehen zu ertragen war gar nicht schön. Da dachte ich, wäre ich nur früher los gefahren.
Um 18.45 Uhr sind wir im Geburtshaus angekommen. Meine Hebamme schloss mich an das CTG an. Alles in Ordnung. Dann untersucht sie mich: “Also der Muttermund ist schon bei 5 cm. Ihr fahrt heut nicht mehr nach Hause, die Kleine wird wohl diese Nacht geboren werden.” Ich dachte mir, das wird eine lange, anstrengende Nacht, aber trotzdem war ich irgendwie ziemlich gelassen und freute mich. Ich fühlte mich gut aufgehoben bei meiner Hebamme. Ich hatte aber das Gefühl, dass die Kleine erst früh morgens zur Welt kommen wird. Wir brachten unsere Sachen ins Geburtszimmer (liebevoll eingerichtet in Gelb- und Rottönen, mit einem breiten Bett auf dem man zu zweit Platz hat). Wir entschieden uns einen kleinen Spaziergang zu machen. Draußen umarmte ich meinen Mann bei jeder Wehe und versuchte weiter ruhig zu atmen und positiv zu denken. Durch die Kälte zitterte ich und empfand die Wehen noch intensiver. Wir schafften gerade mal eine halbe Runde um das Haus, da sagte ich, dass mir das zu unangenehm wird und wir wieder hinein müssen. Wir waren vielleicht 20 Minuten draußen. Im Geburtszimmer versuchte ich weiter hin und her zu spazieren. Bewegung soll ja gut sein. Während der Wehen stützte ich mich auf dem Wickeltisch ab. Er hatte die perfekte Höhe. Mein Mann schlug vor Pizza zu bestellen. Ich hatte absolut keinen Hunger. Also aß er seine geschmierten Brote. Die Hebamme brachte mir einen wehenfördernden Tee und ließ uns alleine. Wir sollen sie rufen wenn was ist. Ich trank und lief und veratmete meine Wehen. Die Hebamme schaute mal rein, sagte dass ich das ganz toll mache und ging wieder. Sie hatte irgendwie noch total die Ruhe und ließ uns einfach machen. Irgendwie gut. Andererseits fragte ich mich, ob ich nichts falsch machte oder was ich besser machen könnte. Wir waren noch nicht mal in einem Geburts-Vorbereitungs-Kurs. Doch dann dachte ich mir weniger ist mehr und vertraute auf meine Intuition: Kopf ausschalten, sich öffnen und den Körper treiben lassen. Nach einiger Zeit versuchte ich mich ins Bett zu legen, um mich wenigstens zwischen den Wehen zu erholen. Mein Mann legte sich zu mir. Die Wehen wurden immer stärker. Die Wehen App verwendete ich nicht mehr seit wir im Geburtshaus angekommen sind. Mein Mann meinte es waren alle 2 Minuten. Ich atmete und tönte leise vor mich hin und mein Mann gab mir regelmäßig Wasser zu trinken. Ich wusste nicht, wann ich die Hebamme rufen sollte.

Dann wollte ich nochmals zur Toilette gehen. Mal sehen ob Blut oder Fruchtwasser kommt. Nichts. Aber da kam eine heftige Wehe. Da war nichts mehr mit veratmen. Es war eher ein verstöhnen. Zum Glück war die Toilette so eng gebaut, dass man sich im Sitzen auf dem Waschbecken direkt neben sich stützen kann. Mein Mann und die Hebamme kamen zu mir. “Hast du schon ein Bedürfnis zu pressen?”, wollte sie wissen. “Ich glaube nicht”. Wir warteten noch eine Wehe ab und gingen zurück ins Bett. Weitere schmerzhaftere Wehen folgten. Ich hatte gar kein Zeitgefühl mehr. Ich kuschelte mich an meinen Mann, drückte ihn ganz fest bei jeder Wehe, tönte immer lauter, und versuchte mich zwischen den Wehen zu entspannen, ruhig und tief zu atmen und die Nähe meines Mannes zu genießen. Ich schwitzte und zog mein Shirt und BH aus. Die Hebamme kontrollierte nochmals den Muttermund: 8 cm. Wow, wir sind schon richtig weit. Zum Glück auch, denn es tut wirklich weh!! Dann fiel mir plötzlich ein, dass ich doch in den Pool wollte. Ups noch eine Wehe. Danach fragte ich die Hebamme, ob wir eine Wassergeburt machen können. “Soll ich den Pool einlaufen lassen?” fragte sie mich. “Wenn es nicht zu spät oder zu früh ist” Ich war unsicher wie weit die Geburt fortgeschritten war. “Na wenn du ins Wasser willst machen wir das.” “Ja kann ich mir gut vorstellen”. Da kam auch schon die nächste Wehe. Danach bat sie meinen Mann um Hilfe für den Pool. Ich hörte das Wasser laufen.

Die Schmerzen wurden stärker. Ich wurde lauter. Die Hebamme kam zurück und fragte mich ob ich den Drang zu pressen habe. Ich konnte es nicht einschätzen. Komisch, eigentlich dachte ich, das merkt man deutlich. Aber ich war nicht sicher. Sollte es wirklich schon so weit sein? Ich spüre einen starken Druck nach unten. Aber sollte ich wirklich schon mitpressen? Sie sagte mir, dass ich das sehr gut mache auf dem Bett mit meinem Mann. Sie war nicht sicher ob wir es noch in den Pool schaffen, aber sie bereitete ihn mal vor. Ich habe mir immer eine Wassergeburt vorgestellt. Ich hatte viele Videos von Hausgeburten im Wasser gesehen, die so schön harmonisch verliefen. Außerdem hatte ich die Hoffnung, im Wasser besser mit den Schmerzen klar zu kommen und einen Dammriss zu vermeiden. Nun dachte ich mir: “Habe ich ihr zu spät gesagt, dass ich in den Pool will. Kommt mein Baby jetzt bevor der Pool voll ist? Werde ich überhaupt noch laufen können?” Sie kontrollierte erneut den Muttermund und sagte, dass wir fast bei 10 cm sind, nur noch ein kleines bisschen fehlt. Ich freute mich einerseits, dass ein Ende in Sicht ist, aber war verunsichert, weil ich mich auf den Gedanken im Pool zu gebären versteift hatte.

Dann kam mir aber ein ganz anderer Gedanke: Ich hatte noch immer kein Fruchtwasser verloren. Oder hatte ich das nicht mitbekommen?? Ich fragte nach der nächsten Wehe die Hebamme. Sie bestätigte, dass die Fruchtblase noch intakt ist und das sehr gut ist weil es bedeutet, dass das Baby noch gut versorgt wird. Als sie meinte “Es gibt ja auch Babys die in der Fruchtblase geboren werden.” bekam ich zum ersten Mal ein bisschen Panik und sagte: „Das geht nicht, dann ist das ja alles noch größer was da unten raus muss“. Sie lächelte und redete mir ein, dass das überhaupt kein Problem wäre. Zwischendurch kontrollierte sie mit dem CTG die Herztöne. Dem Baby ging es sehr gut. Die Hebamme legte mir ein feuchtes kühles Tuch auf die Stirn. Die Wehen wurden stärker. So langsam verlor ich die Geduld und positive Einstellung. Zwischendurch sagte ich: ist das scheiße. Ich hatte keine Lust mehr. Der Druck wurde stärker und die Hebamme vermutete, dass die Pressphase kommt. Ich hatte wirklich keine Ahnung. Ich wäre ja froh, wenn wir es bald überstanden haben, aber konnte es irgendwie noch nicht glauben, oder wollte mich nicht zu früh freuen. Sie sagte meinem Mann er soll mein Bein hochheben. „Wir müssen dem Baby Platz machen.“ Während einer der nächsten Wehen machte es “platsch”. Ich lag seitlich und spürte, wie das Fruchtwasser in einem Schwall kam. Na endlich. Jetzt realisierte ich erst, dass es nicht mehr allzu lange dauern konnte. Der Druck wurde weniger. Aber die Schmerzen wurden intensiver. Ich vergaß meinen Anstand und mein Schamgefühl. Ich schrie so laut, wie mir gerade danach war. Und das tat gut. Meine Hebamme strahlte eine wunderbare Ruhe und Sicherheit aus. Sie lobte mich und sagte, dass ich das sehr gut mache. Ich sagte ihr: “Das sagst du bestimmt zu allen die hier liegen.” Sie lachte und betonte, dass ich es wirklich gut mache. Ich dachte mir nur, ich hab keine Ahnung wie und was ich mache. Ich ließ es einfach über mich ergehen und versuchte positiv zu denken: ich bin weit und weich. Der Kopf passt durch. Mein Baby kennt den Weg. Die Hebamme wollte, dass ich mich auf den Rücken lege (bis jetzt lag ich nur seitlich). Ich fand das nicht so toll, weil ich gelesen hatte, dass es eine schlechte Position ist, weil man dann das Baby nach oben drücken muss. Trotzdem vertraute ich ihr und versuchte es. Ich sollte meine Beine gegen die Hebamme und meinen Mann stemmen.

Dann dachte ich einen Moment, dass ich das nicht mehr lange aushalte und fragte, wie viele Stunden es wohl noch dauern wird. Meine Hebamme sagte lächelnd: “Keine ganze Stunde mehr” Was, echt? Oh mein Gott. Das motivierte mich. Ich sah nichts, weil ich mein Tuch auf der Stirn und den Augen hatte. Ich wollte auch nichts sehen. Ich wollte nicht den Gesichtsausdruck der anderen sehen. Wie sie wohl reagieren würden auf meinen Zustand. Eine Wehe folgte der anderen. Die Hebamme sagte immer wieder “Super, wieder eine geschafft. Ruh dich aus.” Irgendwann sagte sie, dass sie schon das Köpfchen sehen kann. Ich war erleichtert und motiviert, hatte aber auch keine Lust mehr. Dann wollte sie, dass ich mich auf die linke Seite drehe. Es strengte mich an. Die Hebamme sagte ich soll den Kopf fühlen. Ich spürte nur meine eigene Haut, keine fremde. Na toll. Mein Mann sagte dann auch, dass er den Kopf sehen kann und redete mir gut zu. Ich sollte mich dann nochmal auf den Rücken drehen. Und nochmal nach rechts. Es nervte mich, aber anscheinend lag das Baby noch nicht ganz richtig und wir mussten ihm beim Drehen helfen.

Irgendwann hörte ich, wie die Hebamme am Telefon sagte, “Ich hab hier die Frau XY in der Pressphase….” Ich überlegte kurz: “Sie wird ja wohl keinen Krankenwagen rufen?” Dann kam sie und sagte: “Ich habe den Dr. XY gerufen. Es ist alles in Ordnung. Er kommt oft am Ende dazu. Aber meistens kommt er zu spät, wenn das Kind bereits da ist. Also du hast es bald geschafft.” Ich freute mich so, dass wir uns dem Ende nähern, und war gleichzeitig verunsichert, wieso wir einen Arzt brauchten. Ich sollte mich erneut drehen. Die beiden sahen wieder den Kopf. Ich frage, ob wir einen Dammschnitt machen müssen. Das würde die Hilfe des Arztes erklären. Sie sagt: “Nein, schau ich hab keine Schere in der Hand”. Egal, das Baby muss raus. Hauptsache wir schaffen das hier ohne Krankenhaus. Ein paar weitere Presswehen. Erneut sollte ich den Kopf fühlen. Ich dachte, jetzt ist er wirklich schon halb draußen: Enttäuschung, ich spürte minimal, dass er Richtung Ausgang liegt. “Noch nicht weiter??? Oh mein Gott!”, sagte ich. Die Hebamme leitete mich an, wie ich pressen solle. Ich hatte Angst, dass ich gar nicht alles höre was sie sagte, weil ich selbst so laut schrie.

Dann kam der Arzt an. Das Baby war noch nicht da. Er stellte sich zur Seite und ließ uns in Ruhe weiter machen. Wieder war das Köpfchen zu sehen und ich sollte fühlen. Diesmal sagte ich “Nein danke, ich will nicht mehr enttäuscht werden, dass es nicht weiter raus ist”. Ein paar weitere Wehen, verzweifelte Schreie… immer wieder sagte mir mein Mann, dass er den Kopf sieht. Ich dachte, es dauert noch ewig, es steck fest. Mein Mann und die Hebamme feuerten mich an, um fester zu pressen. Inzwischen war ich echt genervt und sagte: “Noch fester geht nicht.” Es fühlte sich an, wie ein Ziegelstein im Hintern. Und man fragt sich, wie um alles in der Welt man diesen raus drücken soll. Und plötzlich, als ich nicht damit rechnete, spürte ich, wie es rutscht. Was für eine Erleichterung. Dieser unglaubliche Druck ist weg. “Ja sie ist da, dreiundzwanig Uhr sieben”, hörte ich die Hebamme sagen. Ich atmete erschöpft aus und sah nach unten. Da lag mein Baby. Es war so schön und so unwirklich. Die Hebamme sagte: “Nimm sie zu dir.” Ich strecke meine Arme aus und holte sie auf meine Brust. “Hallo. Du kleiner Dickschädel”. Es war für mich so wertvoll, dass ich nicht von irgendjemandem mein Baby auf die Brust gelegt bekommen habe, sondern dass ich selbst die Erste war, die mein Baby angefasst hat. Sie war rutschig, sehr weich und warm. Und so schön! Ohne Käseschmiere oder Blut. Ich weiß nicht mehr, was ich in dem Moment gedacht habe. Ich war einfach nur erleichtert, dass der Schmerz weg ist und überrascht, dass ich sie jetzt schon in meine Arme schließen konnte. Ich war sehr glücklich und dankbar. Aber einfach zu erschöpft und überwältigt, wie schnell es doch ging, dass ich nicht weinen konnte. Da lag sie nun, tatsächlich vor Mitternacht. Als mein Mann die Nabelschnur durchgeschnitten hat sollte er sie auf den Wickeltisch bringen. Louisa wurde vom Arzt untersucht. Sie wog 4020 Gramm, war 54 cm groß und hatte einen Kopfumfang von 37 cm. Meine Hebamme sagte “Mit der nächsten Wehe kommt die Plazenta.” Ich spürte allerdings nichts und drücken brachte auch nichts. Dann wollte sie mir Oxytocin spritzen, um die Plazenta auszustoßen. Ich wollte keine chemischen Mittel und fragte, ob wir nicht warten können, bis wann die Plazenta denn kommen müsste. Sie erklärte mir, dass sie zwar nicht direkt kommen muss, aber früher oder später würde sich der Muttermund schließen. Dann wird es natürlich kompliziert. Die Spritze lag schon bereit. Sie sagte ich kann noch einmal pressen versuchen. Ich nahm meine ganze Kraft zusammen und drücke ins Nichts und da kam sie raus. Dann nähte der Arzt noch meinen Dammriss, was ich als sehr unangenehm empfand. Aber ich hatte mein Kind im Arm. Diesen kleinen vollkommenen Menschen. Ich habe es ohne Medikamente, Infusion, Wehenhemmende oder -fördernde Mittel und Anästesie geschafft. Ich hatte alle Zeit und Ruhe. Und darüber war ich unendlich froh. Wir konnten die Nacht im Geburtshaus verbringen. Mein Mann ist ziemlich schnell eingeschlafen. Ich war voller Adrenalin und musste die ganze Nacht mein Kind, das auf meiner Brust unzählige Male einschlief und aufwachte, ansehen. Um sieben Uhr morgens packten wir unsere Sachen und fuhren nach Hause. Den ganzen Tag kuschelten wir zu dritt auf dem Sofa. Besser hätte das Leben unserer Tochter nicht beginnen können. Ich bin so dankbar für die Arbeit meiner Hebamme. Wenn es Engel gibt, dann ist sie einer.

Diesen schönen Bericht hat Carmen (28 Jahre) geschrieben.

Der LÄCHELN UND WINKEN Newsletter

Freu dich jeden Samstag über eine Mail von mir, mit allen Links zu den Neuerscheinungen der Woche und verpasse damit keinen Beitrag mehr - ganz egal, welcher Social Media Algorithmus gerade einen Pups quer hängen hat. ;)

Ich verschicke natürlich keinen Spam! Erfahre mehr in meiner Datenschutzerklärung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.