Manchmal laufe ich an einem blühenden Busch vorbei, mit kleinen weißen Blüten zum Beispiel, und der Duft katapultiert mich in Millisekunden in meine eigene Kindheit zurück … auf den Spielplatz um die Ecke, auf dem ich ab einem gewissen Alter ohne Eltern mit meinen Freunden toben durfte, Löcher bis nach China buddelte und von der hoch schwingenden Schaukel sprang, um kurz das Gefühl zu haben, fliegen zu können. Dann spüre ich beinahe wieder, wie der warme Sommerwind meine frischen Schürfwunden an den Knien trocknet und höre mich selbst kichern, weil mich das nie (lange) aufhalten konnte. Und unwillkürlich muss ich lächeln, weil es so gut tut, all das nochmal zu fühlen.
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Ich liebe diese Moment-Aufnahmen meiner Erinnerungen, denn oft sind sie so etwas wie ein Tür-Öffner … vorausgesetzt, ich habe gerade ein bisschen Ruhe, es zuzulassen, dass mehr Kindheits-Erfahrungen an die Oberfläche blubbern und mich über mein Mini-Ich von damals schmunzeln lassen oder auch nachdenklich stimmen. Schließlich war für mich als kleines Mädchen nicht alles rosig und sonnig. Wie jedes andere Kind war ich durchaus oft wütend, traurig oder fühlte mich missverstanden von den doofen Erwachsenen. Spätestens an diesem Punkt meines „Flashbacks“ verbinden sich MEINE Erinnerungen mit denen, die eigentlich gerade erst entstehen; die erst in der Zukunft Erinnerungen sein werden … nämlich die meiner Kinder. Und allein dieser Gedanke macht mich wacher für Momente, die beides sind: alte und neue Erinnerungen – meine eigenen und die der Kinder.
Richtig schöne Flashbacks
Mit die schönsten und häufigsten Flashbacks dieser Art habe ich, wenn ich meine Kinder morgens zusammen im Bett beobachte. Wie sie sich aneinander schmiegen. Oder kichernd irgendeinen Quatsch machen. Oder eine Höhle aus Decken bauen. Dann sause ich für Sekunden in der Zeit zurück, bin wieder 8 Jahre alt und knipse gerade eine Taschenlampe unter der Decke an, um meiner kleinen Schwester etwas aus einem Bilderbuch vorzulesen. Ich erinnere mich daran, wie fantastisch NORMAL dieses Gefühl war, dort mit jemandem zu sitzen, der so sehr zu mir gehört wie meine Arme und Beine. Und das obwohl wir schon damals ganz unterschiedliche Charaktere waren, mit ganz unterschiedlichen Stärke und Schwächen. Dennoch wusste ich bzw. wussten wir beide schon als Kinder, dass wir zusammengehören … ein wirklich ganz besonderes und herrliches Gefühl der Sicherheit, dass nun auch meine beiden Granaten kennenlernen und das zu einem festen Bestandteil IHRER Kindheitserinnerungen werden wird.
Genauso wie dieser monumentale Stolz, der sich breit macht, wenn man als Kind etwas Neues gelernt hat und es plötzlich beherrscht. Irgendwie ist es anders als heute, als Erwachsener. Weil wir heute ganz andere Anforderungen an uns selbst stellen und unseren Erfolgen im Alltag kaum mehr den Wert beimessen, den sie eigentlich verdienen. Vielleicht, weil wir keine Zeit dazu haben. Oder weil wir es cooler finden, NICHT sichtbar vor Stolz zu platzen, wenn wir uns selbst übertroffen oder schlicht etwas zum ersten Mal geschafft haben. Wenn ich hingegen daran denke, wie die Mausemaus vor ein paar Wochen geguckt hat, als sie das mit dem ganz alleine Radfahren endlich drauf hatte … erinnere ich mich wieder an das ursprüngliche Gefühl von reinem Stolz. Und muss grinsen. Es war einfach mega gut! Und das Tollste ist: Kinder empfinden es ungeheuer oft – auch bei Dingen, die wir ollen Alten als „Kleinigkeiten“ bezeichnen würden. Wie: die Nudeln im Topf umrühren zu dürfen, die Hose erstmals ganz alleine auszuziehen oder ohne Mamas Hilfe die Haustüre aufzuschließen. Ich freue mich echt über alle Flashbacks, die mich beim Beobachten meiner Kinder zurückführen und mir damit die Chance geben, zumindestens kurz das selbe zu empfinden wie die Kleinen.
Flashbacks gehen aber natürlich auch in doof
Vor allem die Tochter treibt mich aktuell recht häufig an den Rand des Wahnsinns. Sie nimmt die Nummer mit der „Wackelzahn-Pubertät“ wirklich sehr ernst, ist ausgesprochen frech und stellt so dermaßen zuverlässig richtigen Bockmist an, dass mir leider viele öfter, als mir lieb ist, abends irgendwann die Hutschnur reißt. Und während ich dann mit ihr schimpfe, sehe ich plötzlich in ihren Augen diesen Blick … den, mit dem ich vor ungefähr 35 Jahren MEINE Mutter ansah, wenn ich mich von IHR ungerecht behandelt fühlte. Zack, Flashback. Das zu diesem Blick gehörende Gefühl auf IHRER Seite flackert in mir auf und ich erinnere mich, wie es damals war, als ich in IHRER Position war.
Ich muss gestehen: Diese Version der Flashbacks stimmt mich nicht so glücklich. Vor allem, weil ich leider oft nicht sofort die Kurve kriege und sie positiv nutze, um runterzukommen, durchzuatmen, mich mit meinem Kind hinzusetzen und anstatt mit ihr zu schimpfen, meine eigenen bekloppten Geschichten erzähle; was ich blödes angestellt habe, als ich klein war und wie kacke ich es fand, wenn meine Mutter dann mit mir schimpfte. DAS wäre aber viel besser, denn schließlich bringt die Erinnerung an das eigene Gefühl der Unverstandenheit auch die Erkenntnis zurück, dass Kinder nicht jeden Quatsch mit Absicht machen. Vieles passiert einfach … und der Nachwuchs hat währenddessen (noch) keinen Schimmer, dass es sich bei der lustigen Idee leider um eine ganz miese handelt. Wie zum Beispiel ein Regal hochzuklettern oder lange Stöcke von Spielplatztürmen zu schmeißen oder Beeren zu essen, die fast genauso aussehen, wie die, die Mami abends für alle auf den Tisch stellt. Dass LERNEN sie erst, wenn das Donnerwetter von Mama und Papa einsetzt. Und kommentieren es dann – fast verständlich – mit DIESEM Blick.
Flashbacks für die Zukunft
Klar, Kinder brauchen die Grenzen, die wir ziehen, die Ratschläge, die wir geben, ja, manchmal sogar unsere lauten Stimme, um zu verstehen, dass auch Eltern hin und wieder aus der Rolle fallen. Und trotzdem tut es uns spätestens dann schrecklich leid, wenn wir am späten Abend in ihre schlafenden Gesichter blicken und uns fragen, ob dieser Streit nun gerade als feste Erinnerung abgespeichert wurde, die eines Tages wieder hochkommt, wenn IHRE Kinder Mist machen und SIE den Blick kassieren. Vielleicht ist das so. Vielleicht auch nicht. Sicher ist allerdings, dass in einem Kinder-Köpfchen sehr viel Platz für Erinnerungen ist, die in der Zukunft als Flashbacks mit allem Gefühls-Zipp-und-Zapp hochblubbern und dann möglicherweise ihr Handeln beeinflussen. Auch für Erinnerungen, die wir (erst) am nächsten Morgen noch neben die doofe vom vergangenen Abend pflanzen. Beginnen könnte sie mit: „Boah, weißt du was mir gerade einfällt?! Als ich so alt war wie du, habe ich Omas Lieblingsvase aus VERSEHEN mit dem Fußball vom Schrank geschossen … und sie war so sauer darüber, dass sie mich nur noch angeschrien hat. Dass fand ich soooo doof und ungerecht. Wie du meine Reaktion von gestern. Aber weißt du, was ich trotzdem IMMER wusste? Das sie mich lieb hat … wie bekloppt. So wie ich dich!“
Hach, Mutti-Flashbacks. Wirklich klasse! <3
PS: Wie immer freue ich mich, wenn ihr diesen Text teilt :-*
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Ein Kommentar für “Mutti-Flashbacks – und plötzlich weiß man wieder, wie es sich anfühlt, selbst ein Kind zu sein.”