Rabenmutter 2.0

Wenn die Angst ums Baby nicht weggeht

Dass ein Baby, welches nach einer Fehl- oder Todgeburt das Licht der Welt erblickt, Regenbogen-Baby genannt wird, habe ich erst ziemlich spät und eher durch Zufall erfahren, als der Krümel schon längst in meinem Arm lag. Ich fand das ein wenig schade, da der Begriff meines Erachtens so viel Hoffnung und positives Denken beinhaltet, dass ich mir wünschte, ihn schon während der Schwangerschaft gekannt zu haben. Denn in diesen 39 Wochen hatte ich mehr Angst als je zuvor in meinem Leben.

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Zwischen den Geburten der mittlerweile vierjährigen Mausemaus und des nun einjährigen Krümels hatte ich zwei Fehlgeburten. Was mich daran möglicherweise am härtesten traf, war die Überraschung … ich hatte mit keiner Faser meines Körpers damit gerechnet, dass MIR so etwas passieren könnte. Meine erste Schwangerschaft kam so schnell zustande und verlief derart Komplikationslos, dass ich einfach davon ausging, dass auch beim zweiten Mal direkt alles glatt gehen würde. Kein Wunder, bekam ich doch ständig Dinge gesagt wie: „Hat es einmal funktioniert, funktioniert es wieder!“ und „Der Körper merkt sich, wie eine Schwangerschaft abläuft und spult von da an sozusagen nur noch ein gelerntes Programm ab.“ und „Das Risiko einer Fehlgeburt ist deutlich niedriger, wenn man bereits ein gesundes Kind geboren hat.“ Zum größten Teil mögen diese Aussagen stimmen, allerdings – und das erfuhr ich eben erst nachdem ich selbst welche erlitt – sind Fehlgeburten auch nach geglückten Schwangerschaften völlig normal. Selbst drei in Folge sind laut verschiedener Ärzte, die ich dazu befragte, definitiv kein Grund zur Besorgnis, sondern schlicht und ergreifend Pech. Tja, das ist natürlich gut zu wissen, aber in der akuten Situation hilft auch solch eine ansonsten vielleicht positiv zu bewertende Information einem weinenden Mama- (und Papa-)Herzen vorerst nicht besonders weiter.

Was mir jedoch damals geholfen hat, war der Gedanke, dass manche Babys einfach mehr als nur einen Anlauf ins Leben brauchen … und so sagte ich, als ich schon wenige Wochen nach der leider notwendigen Ausschabung das Mega Glück hatte, wieder einen positiven Test in den Händen zu halten, zu meinem Mann: „Das Krümelchen ist zurück!“ Natürlich freuten wir uns. Doch die Angst, es wieder zu verlieren, war augenblicklich riesig. So riesig, dass wir es diesmal nicht sofort überall hinausposaunten, dass ich in den ersten Wochen förmlich beim Gynäkologen einzog UND dass ich jedes mal mit den Tränen kämpfte, wenn ich im Ultraschall das kleine Herzchen flattern sah und die Panik, bei diesem Termin vielleicht NICHTS mehr zu sehen, zumindest für einige Zeit abflaute.
Irgendwann war der Krümel in meinem Bauch groß genug, dass ich seinen Herzschlag auch selbst kontrollieren konnte – mit einem Fetaldoppler für den Hausgebrauch. Ganz ehrlich: Hätte ich dieses Ding nicht gehabt, wäre ich vor Angst in dieser Schwangerschaft sicher wahnsinnig geworden – oder hätte dafür gesorgt, dass meine Gynäkologin es wird ;) .

Im Grunde war mir durchaus von Anfang an klar, dass ich nach zwei Fehlgeburten die (mir sowieso nie so ganz innewohnende) Leichtigkeit komplett eingebüßt hatte, mit der positiv denkendere Menschen als ich eine Schwangerschaft betrachten. So ein bisschen schissig war ich da immer schon. Auch wenn ich tief im Inneren DACHTE, mir würde solch ein Verlust erspart bleiben. Die Angst, mein Krümelchen doch wieder zu verlieren, blieb … sie lief all die Wochen neben mir her und raunte mir ständig schreckliche Wahrheiten ins Ohr; dass man nie ganz sicher sein könne, dass es nie Garantien für ein gesundes Kind gäbe, dass überall Gefahren lauern würden und mein Baby mir auch dann noch entrissen werden könnte, wenn es eigentlich schon beinahe auf der Welt wäre. Wir Mamis WISSEN das alles zu jedem Zeitpunkt einer Schwangerschaft. Die Kunst ist nur, … es zu ignorieren so gut es geht und die Zeit mit unserem Indoor-Würmchen dennoch zu genießen.

Fakt ist (und das wurde mir damals noch einmal viel bewusster): Ein Baby auf die Welt zu bringen IST ein verdammtes Wunder. Jede Sekunde einer „intakten“ Schwangerschaft IST ein Wunder. Und jede Geburt, deren Ende mit dem Krähen eines Säuglings markiert wird, IST ebenso ein Wunder. Wer etwas anderes behauptet, hat keine Ahnung und sollte besser einfach die Klappe halten.

Ich war sehr erleichtert, als ich den Baby-Sohn endlich in meinen Armen hielt und SEHEN konnte, dass es ihm gut ging. Nur … ich wurde die Angst um ihn und sein Leben trotzdem nicht los. Natürlich ist es völlig normal, dass man sich um seine Kinder sorgt. Im Prinzip lernt man doch sowieso erst, was echte Ängste sind, wenn man Mama oder Papa wird, denn von Sekunde eins an kann man sich einfach nicht mehr vorstellen, ohne dieses Mini-Menschlein zu leben und bekommt schon allein von dem Gedanken, es könnte ihm etwas zustoßen, Schnappatmung und kalte Schweißausbrüche. Allerdings hatte ich gehofft, dass ich dank der Mausemaus etwas abgehärteter wäre im Bezug auf die Start-Sorgen, die man als frischer Elternteil so hat. Zum Beispiel, dass das Baby im Schlaf plötzlich aufhört zu atmen. In den ersten Wochen und Monaten kontrollierte ich STÄNDIG des Söhnchens Atmung – sogar wenn er direkt AUF mir oder im Tuch AN mir schlief. Und selbst heute noch, nach mehr als 15 Monaten mit ihm an meiner Seite, lege ich noch mindestens einmal pro Nacht meine Hand auf seinen Rücken, um zu fühlen, wie er sich hebt und senkt … obwohl der Krümel ja eigentlich eh ständig wach wird ;) . Zudem träumte und träume ich viel öfter als nach der Geburt der Mausemaus davon, dass ich ihn verliere … durch Unfälle, Entführungen, ja, manchmal sogar, dass er sich einfach in Luft auflöst. Und auch diese zum Teil verrückten Alltags-Ängste, in denen vor dem inneren Mutti-Auge gruselige Filme ablaufen (wie dass der Kinderwagen vor die Straßenbahn rollt oder man stolpert und auf das am Boden robbende Baby fällt oder dass die Tochter aus Versehen mit der Kinderschere den Bruder erwischt usw.) wurden mit meinem zweiten Kind nicht weniger, sondern – zumindest gefühlt – deutlich mehr.

Ich vermute, es liegt hauptsächlich an den Fehlgeburten, dass ich – öfter als andere Mütter es kommunizieren – mit schrecklichen Szenarien in meiner Birne kämpfe, die mir die Tränen in die Augen treiben, obwohl eigentlich alles in Ordnung ist. Möglicherweise habe ich mich damals nicht intensiv genug mit dem Verlust befasst. Möglicherweise hat die Erfahrung, ein Baby (wenn auch sehr früh) zu verlieren, die Ängste, die ich eh schon hatte, ordentlich mit Benzin übergossen und angezündet, so dass auch nach zwei Jahren die Flammen weiter lodern und auf die Zeit nach der Schwangerschaft übergegriffen haben. MÖGLICHERWEISE habe ich aber auch einfach nur bis in den letzten Winkel meiner Selbst begriffen, WIE kostbar unsere Kinder sind, wie kostbar IHR Leben für uns als Eltern ist und das man eigentlich JEDEN Tag von Herzen dankbar sein sollte, dass es allen gut geht (wenn es denn allen gut geht). Denn … etwas Schreckliches passieren kann immer. Selbst wenn wir nicht damit rechnen, weil wir uns in unserer kleinen, individuellen Welt so sicher fühlen.

MÖGLICHERWEISE bin ich aber auch nur manchmal ein Schisser, ein Schwarzseher, eine Nerv-Mutti oder jemand, der zu viele traurige Geschichten aus nächster Nähe kennt, um sie noch ausblenden zu können. Kann auch sein … wer weiß ;) . Wichtig daran ist ja nur eines: Egal wie anstrengend es manchmal ist, wie müde ich bin und wie nervenaufreibend mir diese vermaledeite Trotzphase der Tochter erscheint – in erster Linie bin ich jede Sekunde unendlich dankbar für das große Glück, das mir mit der Geburt meiner Kinder zuteil wurde. <3

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16 Kommentare für “Wenn die Angst ums Baby nicht weggeht

  1. Danke für deinen Text!! Ich dachte, ich wäre die einzige, der es so geht. Zwischen unserem 2. und 3. Sohn hatte ich drei Fehlgeburten.
    Heute ist der Jüngste 5 und ich habe noch immer diese Angst…
    Ich versuche es nicht zu zeigen, um ihn damit nicht einzuschränken oder zu verunsichern, aber es gibt noch immer viele Situationen in denen ich Blut und Wasser schwitze!! Bei den beiden Großen war ich viiiel lockerer…..
    Tut gut zu lesen, dass man damit nicht allein und somit vielleicht doch nicht verrückt ist ;).
    Alles Gute für euch!!

  2. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie froh ich bin diese Zeilen zu lesen!
    Glücklicherweise musste ich nie den Schmerz einer Fehlgeburt durchleben. Aber die Ängste, diese total bescheuerten Ängste, kenne ich nur zu gut. Ich gehe an einem zugefrorenen See vorbei und der erste Gedanke der mir kommt: Oh Gott, hoffentlich geht der Schatz nie auf nen zugefrorenen See. Wenn er da einbricht, und keiner kann ihn retten! Skifahren? Oh nein, was ist mit der Lawinengefahr? Wandern in den Bergen? Ja und wenn er dann irgendwo abrutscht? Wenn er Nachts mal, meiner Meinung nach, zu ruhig atmet, stoße ich ihn manchmal an, damit er sich bewegt. Seufz…

  3. Ich bin mit meiner Panik also doch nicht allein blöd ;)
    Wir mussten vor einem Jahr nach langem Hoffen auf ein Wunder einen unserer Zwillinge gehen lassen – scheiß Twin to Twin Transfusionssyndrom! Umso dankbarer sind wir für seinen Bruder, den wir retten konnten.
    Er ist jetzt sieben Monate alt und hält uns zum Glück ordentlich auf Trab <3 Und trotzdem habe ich heute auf einer 30 minütigen Autofahrt mindestens 10 Mal geschaut ob er atmet und in der Nacht spinnt mein Hirn sich fürchterliche Horrorszenarien zusammen!

    Aber ich bin mir sicher, dass es mit jedem weiteren gesunden Kind besser wird – für alle Eltern, die durch solche Kack-Schwangerschaften durch mussten :*

  4. Auch wenn ich diesen Text nun schon mehrfach gelesen habe, ist er immer wieder lesenswert….
    Diese erschreckenden Momente, die im Kopf ablaufen sind auch nach 18 Monaten als Mama immer mal wieder da…oder die nächtlichen Atemkontrollen am Bettchen…das kennt wohl jede Mama.♡
    Vor allem aber hilft mir dein Text, wenn ich (wie heute) genervt bin, von Trotzanfällen und ewigem Nicht-Einschlafen-Können und Mama-Rufen, obwohl ich direkt bei ihr liege…und dann ist mir plötzlich alles egal und ich bin einfach nur noch glücklich und dankbar, meine Maus durch all das begleiten zu dürfen. ♡

    Und siehe da…nun schläft sie auch. :-)

  5. Ein wirklich toller Text. Auch ich musste mich letzte Woche Donnerstag von meinem 2. Zwerg in der 10. SSW verabschieden. Nach 1,5 Jahren konnte ich mein Glück kaum fassen und habe mit keiner Faser meines Körpers darüber nachgedacht, dass uns das passieren wird. Trotz furchtbarer Geschichten im Familien- und Freundeskreis habe ich nie niemals darüber nachgedacht, dass diese ersehnte Schwangerschaft ohne Happy End enden könnte.
    Nun versuche ich weiter zu machen. Auch wenn ich schon einen tollen Sohn habe, ein Glück, dass vielen verwehrt bleibt, kann ich einfach nicht positiv in die Zukunft sehen. Die Angst, dass es nochmal passieren kann, lähmt mich total.
    Vielleicht heilt die Zeit ja auch diese Wunde. Ich muss wohl weiterhin Geduld haben …

    1. Oh Nicole, es tut mir von Herzen leid!!! Ich hoffe sehr, du hast Menschen um dich, mit denen du über deinen Verlust reden kannst! Ansonsten gilt für dich natürlich das selben wie für Karen ?

  6. Sehr schöner Text. Nach unsrer ersten Tochter hatte ich auch eine Fehlgeburt. Es wird einem schlagartig klar, wie zerbrechlich das Leben ist. Die Leichtigkeit ist dahin. Danach hätte ich meine Erstgeborene am liebsten in Watte gepackt……! Mit unsrer zweiten Tochter legte sich das wieder. Aber als ich dann nochmal ne Fehlgeburt hatte, verstand ich die Welt nicht mehr. Warum nochmal? Die Schwangerschaft unsrer dritten Maus konnte ich gar nicht genießen und am liebsten hätte ich sie bis zum Schluss geheim gehalten. Unter der Geburt, die eigentlich völlig komplikationslos war, überkam mich dann ne riesengroße Angst, diese kleine Maus auch wieder hergeben zu müssen. Es ist so ein
    großes Geschenk! Aber ich bin glücklich, dass ich immer wieder den Mut gefunden habe, es nochmal zu versuchen. Also habt Mut und verliert nicht den Glauben daran, das alles gut wird.

  7. Liebe Anke, vielen Dank für deinen schönen Text (die anderen sind auch klasse) dieser geht mir aber direkt unter die Haut. Ich hab auch solche Gedanken und hab schon an mir gezweifelt ob ich noch ganz ok bin. Darüber sprechen mag ich nicht so gern, weil man dann evtl als eine Helikopterama oder ähnliches abgestempelt wird. Diese Angst, dass unserer kleinen Tochter etwas zustoßen könnte begleitet mich auch ständig. Ich bin froh, dass ich nicht alleine solche Gedanken habe. Also scheint mit mir doch alles in Ordnung zu sein ?

  8. Was für ein Gefühl, ausgerechnet jetzt diesen Text von dir zu lesen. Ich habe am Samstag unseren 3. Krümel in der 8.SSW verloren… ging mir wie dir, 2 Kinder ohne jede Probleme auf die Welt gebracht…

    1. Ich überlege die ganze Zeit, welche Worte mir geholfen hätte, damals, als mir das passiert ist. Vielleicht sind Worte in diesen Momenten überflüssig. Sei umarmt.