Am späten Nachmittag des 21. Februar 2019 war ich beim Frauenarzt, es wurde wie immer ein CTG geschrieben – außer ein paar kleine Übungswehen, die ich nur als ein leichtes Ziehen wahrnahm, war dort nichts zu sehen und auch der Muttermund war laut Arzt noch vollständig geschlossen und keine Anzeichen einer baldigen Geburt zu erkennen. Daher ging ich entspannt nach Hause zu unserem Großen, meinem Mann und der Oma, die bereits seit ein paar Tagen da war, um bei der Geburt auf den großen Bruder aufzupassen. Wir machten uns einen gemütlichen Fernsehabend und außer ein paar Übungswehen, bei denen mein Bauch kurz hart wurde, war es ein netter Abend. Wir gingen um kurz nach 22 Uhr ins Bett, aber schlafen konnte ich nicht wirklich, ich döste mehr vor mich hin und das leichte Anspannen des Bauches kam ab und an. Gegen Mitternacht stand ich wieder auf, um die Oma zum Schlafen zu bewegen und meinte halb im Scherz „dass ich diese Nacht für nichts garantieren könne“ – es war schließlich nur einen Tag vor errechnetem Entbindungstermin. Irgendwie hatte ich wohl schon im Gefühl, dass diese Nacht irgendetwas passieren würde.
Ich hielt den harten Bauch anfangs allerdings immer noch für Übungswehen, aber langsam wurde mir dann doch klar, dass es echte Wehen sein könnten und den Start der Geburt bedeuteten. Ich legte mich wieder hin und fing an, die Abstände zu messen, da ich eh nicht schlafen konnte. Das Anspannen des Bauches kam bereits alle vier bis sechs Minuten, jedoch war es fast vollkommen schmerzfrei und so glaubte ich, noch eine lange Geburtsdauer vor mir zu haben. Bei meinem Großen hatte es damals ganze 26 Stunden mit wirklich schmerzhaften und heftigen Wehen plus PDA und Wehentropf gebraucht und so war ich überzeugt davon, dass es auch bei dieser Geburt ähnlich intensiv werden würde und wartete auf stärkere Wehen. Ich verbrachte bis halb drei Uhr morgens im Bett, dann hielt ich es dort nicht mehr aus, stand auf und ging ins Badezimmer, um die jetzt doch intensiver werdenden Wehen besser veratmen zu können und niemanden zu stören. Mein Mann war zwar eh wach, aber ich wies ihn an, noch zu schlafen, da ich eine lange Eröffnungsphase befürchtete. Ein bisschen ärgerte ich mich schon, dass unser Kleiner sich genau in dieser Nacht auf den Weg machte, da ich eigentlich eine Geburt im Geburtshaus geplant hatte und dieses aber genau an diesem Wochenende keine Geburten betreute (Anmerkung: da es ein sehr kleines Geburtshaus mit nur drei Hebammen ist, haben sie jeden Monat ein Wochenende frei – von Donnerstag 16 Uhr bis Montag 8.00 Uhr werden dann keine Geburten betreut).
Glücklicherweise hatten wir bereits im Vorfeld einen Plan B und haben uns sicherheitshalber zusätzlich im Krankenhaus für eine ambulante Geburt angemeldet. Dass es aber auch nicht Plan B wurde, sondern unser kleiner Mann einen eigenen Plan C hatte, konnte zu diesem Zeitpunkt keiner ahnen… Ich blieb also im Badezimmer und veratmete fleißig die jetzt doch deutlich stärkeren Wehen, welche bereits alle drei Minuten kamen. Sie zogen ordentlich, waren aber gut auszuhalten und im Vergleich zu den damaligen Wehen bei meinem Großen wirklich harmlos. Mein Mann wollte schon ins Krankenhaus losfahren, doch ich war irgendwie immer noch überzeugt, dass es noch sehr sehr lange dauern würde. Im Nachhinein war das wohl ein bisschen naiv…
Ich versprühte noch meinen Entbindungsduft, um wenigstens ein bisschen Geburtshausatmosphäre zu bekommen und ein paar Minuten später, so gegen drei Uhr, bat ich meinen Mann dann aber doch, die letzten Sachen für die Krankenhaustasche einzupacken und mir noch ein Marmeladenbrot zu schmieren, da ich unbedingt gefrühstückt haben wollte, bevor wir losfuhren. Er fing also an, alles zusammenzusuchen.
Um zehn Minuten nach drei ging dann plötzlich alles ganz schnell. Es war, als würde von einer Sekunde auf die andere ein Schalter umgelegt. Die Wehen wurden super intensiv und lang, kamen gefühlt jede Minute und ich hatte ganz schön zu tun, diese zu veratmen ohne dabei total zu verkrampfen. Ich wies meinen Mann an schneller zu packen, weil ich jetzt doch gleich losfahren wollte, aber irgendwie waren es noch viel zu viele Kleinigkeiten, wie Essen, Trinken, Ladekabel oder Kleingeld, die in der Tasche fehlten. Die Wehen wurden noch stärker und ich musste mich immer öfter mit den Händen auf das Waschbecken oder den Badewannenrand abstützen. Ich konnte jedoch nichts anderes als so zu stehen und die Wehen zu veratmen, allein der Versuch, mich vornüber zu lehnen, zu sitzen oder irgendeine andere Position einzunehmen, resultierte sofort in heftigsten Schmerzen und so blieb ich beim breitbeinigen Stehen und Laufen und sagte meinem Mann, dass er im Krankenhaus anrufen und uns ankündigen solle. In diesem Moment fragte ich mich nur, wie ich den Weg im Auto zum Kreissaal schaffen sollte – still da zu sitzen und angeschnallt zu sein war gerade undenkbar. Da wir auch überhaupt nicht darauf vorbereitet waren, im Krankenhaus zu entbinden, hatte mein Mann die Nummer vom Kreissaal nicht und so rief er bei der Pforte an. Die Dame am anderen Ende konnte ihn aber leider nicht verstehen, da ich wieder einmal eine heftige Wehe hatte und wohl etwas laut dabei war ;). Noch während er versuchte, sich verständlich zu machen, rief ich ihm zu, dass er das Krankenhaus vergessen und den Notarzt rufen sollte. Es dauerte etwas, bis er das begriff, denn er fragte sicherheitshalber mehrfach nach. Dann aber legte er auf und rief den Krankenwagen. Die Frau in der Notrufzentrale meinte nur zu ihm, ich solle mich hinlegen, worüber ich innerlich nur lachen konnte, denn die einzige Position, in der ich die Wehen einigermaßen aushalten konnte, war im Stehen. Und ich wusste ja glücklicherweise vom Frauenarzt, dass der Kopf schon lange fest im Becken saß und daher keine Gefahr eines Nabelschnurvorfalls bestand.
Danach wurde mein Mann etwas hektisch, da einerseits unser Großer wach wurde (und er die Oma zu ihm schicken musste) und er andererseits sowohl die Haustüren für den Krankenwagen aufmachen als auch die Tasche fertig packen musste. Ich veratmete weiterhin die jetzt jede Minute kommenden intensiven Wehen und musste öfters aufs Klo (ich weiß, ein Zeichen der baldigen Geburt). Auf einmal platzte während einer super heftigen Wehe die Fruchtblase mit einem lauten Knall und ich spürte sofort den Kopf und hatte den starken Drang zu pressen. Ich war über diese Tatsache total schockiert und dachte immer nur: „ das darf nicht sein, man darf erst pressen, wenn der Muttermund vollständig offen ist“… Ich hatte irgendwie immer noch nicht verstanden bzw. wollte es wohl nicht wahrhaben, dass die Geburt wirklich kurz bevor stand.
Für einen kurzen Moment wurde ich ein bisschen panisch, denn so langsam dämmerte es mir, dass wir es nicht mehr ins Krankenhaus schaffen würden und unser Baby hier und jetzt auf die Welt kommen würde und wir ganz alleine waren. Alleine. Ohne Anleitung einer Hebamme oder eines Arztes. Aber dann zwang ich mich daran zu denken, dass es auch der große Bruder durch mein Becken auf die Welt geschafft hatte und es schon viele andere Frauen vor mir auch durchlebt hatten. Irgendwie würde unser Kleiner da also auch rauskommen. Diese Gedanken gaben mir Gott sei Dank Kraft und ich wurde ruhig und konnte endlich zulassen, dass mein Körper die Kontrolle übernahm und meinen Kopf ausschaltete. Obwohl ich wusste, dass unser Baby da natürlich nicht einfach so rausflutschen würde, hielt ich den Kopf am Muttermundsausgang fest. Ich ließ die Presswehen zu und in den nächsten zwei Wehen war der Kopf geboren. Ich hatte wirklich ordentlich zu tun, die Spannung des Kopfes am Muttermund auszuhalten, der Druck war einfach unfassbar hoch. Ich hielt ihn fest und rief meinen Mann, dass er auf jeden Fall bei der Geburt dabei wäre. Ich sagte ihm, dass er unser Kind auffangen solle. Und tatsächlich wurde unser Baby mit der nächsten Wehe um 3.39 Uhr des 22. Februar 2019 geboren.
Bei der ganzen Aktion hatten wir natürlich nicht daran gedacht, Handtücher vorzubereiten, also rief mein Mann nach der Oma, sodass sie uns Handtücher aus dem Schrank holen konnte. Die Oma war ganz neben der Spur und brauchte wieder mal einen Moment, bis sie wusste, was wir von ihr wollten ;). Aber dann hat sie uns ein Handtuch gereicht und wir haben unseren Kleinen dort erst einmal eingewickelt. Während der ganzen Aufregung hatte ich völlig vergessen, nachzugucken, ob unser Baby ein Junge oder ein Mädchen ist ;) (wir haben uns nämlich überraschen lassen und wussten es vorher nicht), was ich dann aber nachholte. Es war ein quicklebendiger, großer kleiner wunderhübscher Mann, fast komplett ohne Käseschmiere und brüllte seinen Unmut in die Welt.
Der Notarzt war immer noch nicht da, wir konnten aber bereits die Blaulichter im Fenster schimmern sehen. Letztendlich kam er dann zwei Minuten nach Geburt und mit ihm zwei Sanitäter des Krankenwagens, die alle etwas perplex im Flur standen, da alles schon über die Bühne gegangen war. Der Notarzt guckte kurz und da alles okay war, durfte mein Mann die Nabelschnur nach dem Auspulsieren durchschneiden und unser Großer konnte seinen kleinen Bruder bewundern. Zur Nachgeburt und zum Nähen (ich hatte zwei kleine Dammrisse davongetragen) fuhren wir dann ins Krankenhaus, verließen dieses aber am selben Morgen wieder und konnten ganz entspannt zu Hause die ersten Tage genießen und uns aneinander gewöhnen.
Zusammenfassend war die Geburt unseres Kleinen wunderschön und überwältigend! Ich hätte mir selbst in meinen kühnsten Träumen niemals eine so schnelle Alleingeburt vorgestellt. Dennoch bin ich sehr glücklich und hätte mir keine schönere Geburt wünschen können. Und ein bisschen hat sie mich auch für die lange und schmerzhafte Geburt unseres Großen entschädigt und mich daran erinnert, dass wirklich jede Geburt einzigartig ist!
Diesen schönen Geburtsbericht hat Natalie geschrieben :)
Ein Kommentar für “Leserin-Geburtsbericht: Natalie S. erzählt”