Die Frage „wo fange ich an“ ist tatsächlich schwierig zu beantworten. „Unterwegs“ in der Schwangerschaft, die wirklich sehr easy und angenehm war, gab es ein paar Spezialeffekte, die man so nicht braucht.
Vorab ein paar Rahmeninfos, die zum Verständnis der Story beitragen:
- Erstes Kind
- Mein Alter: 34
- Errechneter Geburtstermin: 28.06.2004
- Sowohl ich als auch mein Mann sind sehr groß (1,80 und knapp 2 m) und auch nicht gerade schmal (vorsichtig ausgedrückt… hüstel). Aber: Herr unserer Sinne und ich sag mal: unsere Kerzen leuchten schon einigermaßen hell.
Die Spezialeffekte (bitte Datum beachten):
23.05.2004 mein Vater stirbt
03.06.2004 eine Kollegin stirbt nach einer Knie OP
06.06.2004 eine Kollegin, die mit mir schwanger ist, stirbt bei der Geburt des Kindes, gerade mal 29 Jahre alt, im Rahmen einer Vollnarkose bei Kaiserschnitt
Mit diesem Paket geht man dann nicht mehr ganz so unvoreingenommen den Weg ins Krankenhaus an. Ich hatte mir, trotz meiner atheistischen Grundhaltung, ein katholisches Krankenhaus für die Geburt ausgesucht. Das wird nachher nochmal wichtig. (wobei man aus dem Prozess, wie ich zu der Entscheidung für dieses KH gekommen bin, ebenfalls eine Story machen könnte).
Mein heimischer Gynäkologe schickte mich Anfang Juni (ca. 10.06.) ins KH mit den Worten: Das Kind ist viel zu groß, er passt definitiv nicht durch. Bitte im KH checken und ggf. direkt Sectio machen lassen. Wir also mit Sack und Pack ins KH. Der Gyn sagt nach der Untersuchung: „Gucken sie sich an, gucken sie ihren Mann an, sie bekommen halt einen Elefanten. Alles im Rahmen.“ Wir wieder nach Hause. Drei Tage später nahmen die Wassereinlagerungen so rasant zu, dass ich kaum noch laufen kann. Also wieder zum Gyn, der schickt uns wieder ins KH. Da ich privat versichert bin, hat man mich dann aufgenommen. Das war am 13.06. Maßnahmen zu den Wassereinlagerungen? Auch ein Schauspiel. Drei Gynäkologen sind in der Praxis, es gab drei Empfehlungen:
G1: viel Salz zu sich nehmen (das war der mit dem Elefanten)
G2: wenig Salz zu sich nehmen
G3: da können sie gar nichts machen, nach der Geburt ist das nach wenigen Tagen weg.
Spoiler: G3 hatte Recht
Von nun an versuchte man täglich, meinen Körper dazu zu bewegen, Wehen zu produzieren. Ich bin gelaufen, geklettert, habe diverse Cocktails getrunken (tatsächlich den mit Mandelmus, Rhizinusöl und Sekt auch) aber nix ist passiert. Dann hat der Wehenschreiber mal was aufgezeichnet, ich hab nix gespürt. Dann glaubte ich etwas zu spüren, nix auf dem Wehenschreiber. So ging das sage und schreibe 9 Tage lang. In der Nacht vom 22. auf den 23.06. platzte dann nachts um 1 Uhr die Fruchtblase. Ich meinen Mann sofort ins KH zitiert, die Hebamme sagte aber: „der sitzt noch nicht tief genug, das dauert noch“. Bett sauber gemacht, Mann wieder angerufen, dass er daheim bleiben kann und tatsächlich wieder geschlafen. Morgens um 8 ging es dann in den Kreißsaal. Und da ging es dann weiter wie die letzten Tage zuvor: keine Wehen. Dann haben die Herrschaften gedacht, ich würde die Wehen (wie auch immer) unterdrücken, und ich bekam eine PDA. Da ich als P-Patient Chefarztbehandlung bekam, hat es der Chef Anästhesist gemacht, der keine Übung hatte und mir dann vorwarf, ich hätte zuviel Speck und deswegen sei er nicht tief genug gekommen. Ich war inzwischen ziemlich fertig, auch ohne Wehen und Schmerzen, aber diese Warterei und ständig hüpft einer um einen herum – das ist nicht meins. Um 16 Uhr hatte ich drei Zentimeter Muttermundöffnung und die Herztöne meines Sohnes wurden schlechter, so dass man mich in den OP schob. Da ich jetzt eine Vollnarkose brauchte, da die PDA ja nicht saß, musste mein Mann draußen bleiben.
Mein Mann trug damals keine Armbanduhr, Handy hatte er nicht dabei. Es ging eine Schwester an ihm vorbei, nach einer Zeit x kam sie zurück und sagt zu ihm „Sie stehen ja immer noch hier“, woraufhin er sich – mit der Geschichte vom Tod der Kollegin im Kopf – fragte, wie lange er denn wohl da stehe und ob alles in Ordnung sei. War es: schon 20 Minuten nachdem man mich in den OP geschoben hatte, war unser Sohn auf der Welt.
Er hatte die Maße: 4540 g, 58 cm und einen Kopfumfang von 39 cm. Da braucht man kein Physik Studium, dass das nicht durch drei Zentimeter Muttermund passt. Aber: alle gesund, an ihm alles dran und wir dachten, jetzt haben wir es geschafft. Tja… ich wollte nicht unbedingt Stillen, aber die Schwestern (siehe oben, katholisches KH) wollten unbedingt, dass ich es tue. Aber mein Sohn ist bis heute ein fauler Sack und wollte nicht an der Brust trinken. Also sollte ich abpumpen. Das war für mich furchtbar – ich kam mir vor wie eine Kuh, die gemolken wird. Und da sitze ich so in meinem Zimmer und sehe durchs Fenster die Nachbarn meiner Mutter mit ihr vorfahren und ich dachte nur noch: Oh Gott, jetzt kommen die hier rein und du sitzt hier mit dieser furchtbaren Pumpe. Habe nach der Schwester geklingelt und im Befehlston gesagt: ich möchte jetzt sofort die Abstilltablette und werde nicht weiter versuchen, Muttermilch in meinen Sohn zu bekommen. Ich war wohl sehr überzeugend ?.
Die Abschlussuntersuchung war dann erst eine Woche später, weil ich einen zu hohen Blutdruck bekam. Zum Abschied sagte der Gyn: sie dürfen nicht mehr als 3 kg heben. Auf meinen dezenten Hinweis, dass mein Kind ja schon 4,5 kg wiegt, hat er auf 4,5 kg erhöht. Und seine Schlussworte waren: „Sie haben jetzt einen Kaiserschnitt bei mir gut.“
Ende der Geschichte. Einen weiteren KS brauchte ich nicht, weil wir uns gegen ein weiteres Kind entschieden haben. Durch den Tod der Kollegen waren ich aber auch mein Mann wirklich traumatisiert. Mit 38/40 hätte ich mir das nochmal vorstellen können, aber dann fühlte ich mich zu alt. Zumal ich diese schlaflosen Nächte wirklich kaum ertragen konnte. Das Menschlein ist jetzt 19 Jahre alt, ist 2,04 m groß und wiegt über 100 kg.
Diesen spannenden Geburtsbericht hat Heike geschrieben :)