Geburtsbericht
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Leserin-Geburtsbericht: Karen G. erzählt

4. Mai 2020 / 11:15: Bis zum offiziellen Termin sind es noch 7 Tage, als ich wieder zur Frauenärztin trabe. Die letzten Wochen waren anstrengend, der eingeklemmte Nerv im linken Rippenbogen erschwert mir Bewegung und Ruhe und ich habe keine Lust, mir wieder eine gerade Linie auf dem CTG anzuschauen.

Dazu kommt es allerdings nicht, das CTG zeigt wilde Kritzeleien, die keiner so richtig deuten kann.

„Das gefällt mir nicht, Frau G.“, meint die Ärztin. „Ich schreibe eine Überweisung und Sie melden sich im Kreißsaal zur Kontrolle.“

Ich schiele auf den gelben Schein. „Gelegentlich fehlende Herztöne, Kontrolle erbeten, ggf Einleitung“ steht da. Upps, so war das aber nicht gedacht. Einleitung ja, aber die Herztöne …?

Noch vor der Praxis rufe ich meine Mama an, wohl wissend, dass sie im Bett liegt. Sie geht nicht ran. Soviel zum Thema „jederzeit erreichbar“. Nervös fahre ich nach Hause und informiere der Mann darüber, dass ich quasi gleich wieder gehe. Er bittet mich um Meldung, sobald ich etwas neues weiß und wacht über den Mottenmittagsschlaf.

12:00: In der Klinik gehe ich in die Notaufnahme, wo es mir ein bisschen komisch wird. Nur die Aufregung, beruhige ich mich und die Schwester hinter der Scheibe, die mich anschaut, als wöllte ich spontan in der Ambulanz niederkommen. Dann geht’s in den Kreißsaal, wo ich mich telefonisch angekündigt habe.

Die nette Hebamme weist mir „unseren“ Kreißsaal zu und schließt mich ans CTG an. Wieder eine Stunde liegen, wo mir doch alles wehtut. Die Rippen, der Rücken…

„Sagen Sie mal, Frau G., Sie schnaufen so?“

„Ja, es zieht im Rücken…“

„Hat die Frauenärztin bei Ihnen untersucht?“ „Dazu kamen wir nicht.“ Jetzt bin ich ein wenig verwundert, merke aber gleichzeitig, dass der Rückenschmerz schön periodisch auftritt, wie …Wehen halt.

Die Hebamme starrt aufs CTG. „Haben Sie Ihre Tasche mit?“

Stockend erkläre ich, dass der Mann daheim hockt mit Tasche und Rufbereitschaft.

„Sie sollten ihn anrufen. Ich fürchte, Ihre Geburt fängt gerade an.“

Bitte was? Ähm, ÄHM!

Ich rufe der Mann an, erteile letzte Anweisungen für die Tasche und er verspricht mir, sich zu beeilen. Währenddessen bekomme ich ein schickes Hemd und schon mal Blut abgenommen und einen Zugang. Eine erste Untersuchung offenbart 2-3cm Muttermund.

Die Wehen sind gut aushaltbar, ich bekomme ein Funk-CTG und darf mich frei bewegen. So drehe ich meine Runden durch meinen Kreißsaal und warte. Gelegentlich dient die Wickelunterlage als Stütze zum Veratmen. Ganz angenehm, denk ich. In ein paar Stunden wird unsere Tochter hier gemessen und gewogen, untersucht…

13:15: Der Mann trifft ein, mit Mundschutz, wie sich das gehört. Auf dem Rollhocker nimmt er brav Platz und tritt bei einer Wehe hinter mich, um mir die Fäuste ins Kreuz zu pressen. Wirklich , ganz angenehm, denke ich, aber so richtig wie Geburt fühlt es sich noch nicht an. Die Hebamme schaut nochmal nach, aber der Befund ist unverändert. Macht nichts, wir haben keinen Zeitdruck und ich leide keine Todesqualen.

14:00: Hebammenwechsel, die leitende Hebamme hat Schicht. Sie erkennt, was ich mir insgeheim schon gedacht habe. „So richtig vorwärts geht es nicht. Wehentropf? Einlauf?“ Ich wähle das kleinere Übel, Lust habe ich auf keins von beiden, aber irgendwann wollen wir ja auch mal das Kind im Arm halten.

Als ich eine halbe Stunde später wieder aus dem Bad komme, sind die Wehen ganz weg. Na toll…das wird doch nichts. Am Ende schicken sie mich wieder heim? War alles nur falscher Alarm??

Nach Rücksprache mit dem Oberarzt gibt’s Wehentropf zum Anschubsen. „Erst mal nur ganz wenig, dann schauen wir mal.“ Mittlerweile lieg ich im Bett, das Rumlaufen erschöpft. Und oh ja, diese Wehen fühlen sich jetzt doch ein bisschen anders an – doller, aber alles noch aushaltbar. Trotzdem bekomme ich liebevolle Medikamente zum Entspannen.

15:45: Der Oberarzt erscheint und tastet. „Wieso sind Sie überhaupt hier?“, fragt er. Ich starre ihn fassungslos an, was meint er bloß? „Der Muttermund ist maximal fingerdurchlässig und noch ganz weit hinten.“

Versagt, denke ich mir. Doch nur Fehlalarm. Da war ich so begeistert über den Kreißsaal, dass ich vor Freude Wehen bekommen habe und das Hummelkind ist noch nicht soweit…der Mann tröstet mich, während Arzt und Hebamme überlegen, wie es weitergeht.

„Wir geben Ihrem Körper noch ein bisschen Zeit, Frau G.. Danach entscheiden wir. Wenn es nicht vorwärts geht, gibt’s einen Wehenhemmer und Sie ruhen sich auf Station aus. Dann probieren wir es morgen nochmal.“

Das läuft hier alles überhaupt nicht wie geplant, denke ich. Aber gut, ich hätte es wissen sollen, die ganze Schwangerschaft war ein einziges Ü-Ei. Schon das auffällige CTG, ich bin selber in die Klinik gefahren und habe dort erst Wehen bekommen…

Wir setzen unsere Wanderung durchs Zimmer fort, gelegentlich gehen wir auch auf den Gang, tun unser Bestes. Zwischendurch wird meine Mama informiert, dass es noch  dauern kann. Sie holt der Manns Schlüssel an der Info ab und will die Bande dann abends ins Bett stecken. Ab und zu döst der Mann ein wenig auf seinem Stuhl ein.

18:00: Nichts hat sich getan. Der Wehentropf kommt ab und ich bekomme eine Ampulle Wehenhemmer gespritzt. Noch eine letzte Runde Kontroll-CTG, dann soll ich auf Station und der Mann kann nach Hause fahren und meine Mama ablösen. Die Hebamme lässt uns allein und erledigt Papierkram.

Oh man, denke ich, das fühlt sich aber nicht wie Wehenhemmer an. Die Wehen werden stärker, mehr und länger und inzwischen funktioniert das mit dem Veratmen nicht mehr ganz so gut. Die Hebamme hört mich schnaufen und starrt aufs CTG. „Sie haben keine Lust auf Station, oder? Das sind jetzt eigene Wehen. Wie fühlt es sich an?“

„Stark!“, brülle ich.

„Gut, dann bleiben Sie hier. Möchten Sie ein Abendbrot oder was trinken? Soll ich einen Kaffee organisieren?“ Ich freue mich  schon auf belegte Brote, bis ich merke, dass sie den Mann meint. Er bekommt, weil ich schon angemeldet bin, mein Abendessen von der Station, dazu einen großen Pott Kaffee, immerhin haben wir hier gerade erst angefangen.

19:00: meine Mama schreibt, sie hat ihre Nachtschicht vertauscht und bleibt bei den Kindern. Wunderbar, da kann der Mann hier die Stellung halten.

Von neuer Zuversicht beseelt, laufen wir wieder den Gang rauf und runter, hüpfen auf dem Ball und schnaufen gemeinsam durch die Wehen. Badewanne lehne ich ab, ich hasse Lavendelduft und muss mich bewegen können.

Es ist eigentlich schön hier. Draußen regnet es leicht, durch das offene Fenster zieht der Duft von nassem Laub, das Licht ist gedimmt und außer uns niemand da. Ich genieße es wirklich, genieße die Wehen – jetzt wird alles gut. Soll sich die Hummel ruhig Zeit lassen, ich werde noch Kraft haben, sie auf die Welt zu bringen. Ab und zu lege ich mich wieder hin, Mann und Hebamme lassen mich machen. Trotzdem bin ich ein bisschen unruhig. Bei den anderen waren die Wehen dann doch irgendwann stärker geworden…

Die Hebamme untersucht immer mal wieder, an ihrem Kopfschütteln erkenne ich den fehlenden Fortschritt und langsam sinkt mir der Mut. Warum geht es nicht vorwärts? Liegts an mir? Stimmt was nicht bei der Kleinen?

22:00: Der Oberarzt, der Mann und zwei Hebammen stehen an meinem Bett. „So, Frau G.. Das kann jetzt hier noch Stunden so weitergehen, ohne dass sich was tut. Ihr Kind schafft es nicht in den Geburtskanal und kann so nicht auf den Muttermund drücken. Ich würde vorschlagen, wir holen es jetzt von oben, vorausgesetzt, Sie sind einverstanden.“

Der Mann drückt meine Hand und mein Kreißlauf stürzt in den Keller. Kaiserschnitt!? Ich hatte immer wieder darüber gewitzelt, gelegentlich sogar ernsthaft darüber nachgedacht, aber nie damit gerechnet, dass dies unter der Geburt bei mir wirklich einmal erforderlich sein sollte. Andererseits gibt es keine Alternative, wenn das Kind nicht selber rutscht. So sage ich nur: „Dann muss das eben sein.“ und im Nu bricht um mich herum hektische Betriebsamkeit aus. Die Hebamme vom Nachmittag verabschiedet sich, die von der Nachtschicht rasiert mich, der Anästhesist klärt mich nebenbei auf, dass ich von der Betäubung querschnittsgelähmt bleiben kann. In meinen Zugang wird nochmal Wehenhemmer gejagt, der Katheder gelegt und schon sind wir auf dem Weg zum OP.

Dort herrscht noch mehr Gewimmel, haufenweise Menschen im grünen Tuch, die Kabel an mir befestigen und Infusionen in ihre Ständer hängen. Ein zweiter Zugang muss her, der erste ist verstopft. Der Mann muss draußen warten und mir gehen die Nerven durch. Ich zittere so, dass der Anästhesist nicht stechen kann. Eine liebe Schwester zieht meinen Kopf an ihre Schulter, damit ich den Rücken schön rund mache, und beruhigt mich, atmet mit mir. Die Betäubung merke ich kaum, dafür krieg ich schnell das Gefühl, mein Hintern steht in Flammen. Nur mit Hilfe bekomme ich die Beine wieder auf den Tisch, das grüne Tuch wird vor mich gespannt und die Kälte am Bauch muss wohl Desinfektionsmittel sein. Die Betäubung zeigt Wirkung, mir wird schlecht. „Schön atmen!“

Der Mann taucht neben mir auf, während es an meinem Bauch zieht und zerrt.

„Die wollen mich  bei vollem Bewusstsein aufschlitzen!“ flüstere ich panisch.

„Die sind schon voll dabei“, beruhigt mich der Mann, dann zerquetscht mir jemand die Rippen und der Oberarzt sagt: „So ein schöner Junge!“
Junge, denke ich mir, ein Junge, warum nicht, die Krönung einer absolut entgleisten Geburt…er wird rosa anziehen müssen, die ersten Tage!

Jemand mit einem Bündel stürzt aus dem Raum. „Geh mit!“ sag ich zum Mann. „Lass sie nicht alleine, ich komm schon klar.“ Er verschwindet und ich starre weiter auf das grüne Tuch, spüre Gewackel an meinem Bauch, aber keine Schmerzen, krass…

Ich komme in den Aufwachraum, das Zeitgefühl ist verlorengegangen, immer wieder dämmere ich weg. Der Pfleger, der mich überwacht, sprüht gelegentlich Desi auf meine Haut und fragt, ob es warm oder kalt ist … mein ganzer Körper kribbelt … der Anästhesist kommt und fragt, wie es geht … die Hebamme kommt und berichtet mir die Maße unserer Hummel – natürlich ein Mädchen!…irgendwann darf ich wieder in den Kreißsaal, es ist kurz vor eins. die Hummel jammert schon vor Hunger und ich bekomme sie sofort angelegt, dann gibt es noch ein paar Fotos für die Geschwister zuhause. Schließlich fährt der Mann heim und ich im Bett, samt Baby im Arm auf Station.

Der krönende Abschluss unserer Kinderplanung^^ jetzt ist das Quartett komplett!

Diesen spannenden Geburtsbericht hat Karen geschrieben :)

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